Tirols LR Mario Gerber

„Inflation und Zinsen belasten, Bund muss handeln“

Tirol
08.09.2023 15:00

Wirtschaftslandesrat Mario Gerber (ÖVP) sieht Tirol gut aufgestellt. „Es gibt aber Faktoren, die die Wirtschaft mitnehmen“, räumt er im Interview mit der „Krone“ ein. Eine klare Absage erteilt er einem Vorschlag von FPÖ-Chef Herbert Kickl im Hinblick auf die Eindämmung des Fachkräftemangels.

„Krone“:  Wie ist der Wirtschaftsstandort Tirol Ihrer Meinung nach aktuell aufgestellt? 
Mario Gerber: Wir haben mit unserem ausgewogenen Branchenmix aus Tourismus, Industrie und Wirtschaft ein starkes Fundament. Damit sind wir super aufgestellt, wie auch die Vergangenheit gezeigt hat. Natürlich muss man dazusagen, dass es mehrere Faktoren gibt, die die Wirtschaft mitnehmen. Auf der einen Seite die Teuerung und Inflation sowie die hohen Zinsen. Auf der anderen Seite beschäftigt uns nach wie vor der Fachkräftemangel. Klar gesagt werden muss auch, dass man in Deutschland sieht, was passiert, wenn man mit der Wirtschaft zu sehr spielt. Zwei Drittel wünschen sich eine andere Regierung, weil die Wirtschaft gegen die Wand gefahren wird. Wir müssen in Tirol mutige und fundierte Entscheidungen treffen, damit wir erfolgreich wirtschaften können. Es gibt viele Säulen, die Tirol tragen, aber eine funktionierende Wirtschaft braucht jede moderne Gesellschaft.

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Es hat keinen Sinn, wenn man bei der Energiewende jedes Projekt zu Tode redet. Hier müssen wir jetzt den Turbo zünden.

Mario Gerber

Laut dem letzten Geschäftsklimaindex der Industriellenvereinigung bewerten nur noch 38 Prozent der Betriebe ihre Geschäftslage als gut. Das ist für Sie sicher ein Alarmsignal, oder? 
Das ist ein gravierendes Alarmsignal. Trotz Corona-Krise gab es eine gute Entwicklung in der Industrie. Jetzt spüren wir die Nachwirkungen. Die Industrie ist sehr energieintensiv. Die oben angesprochenen Punkte stellen sie vor eine zusätzliche Herausforderung. Deswegen ist auch der Index so schlecht. Das macht auch mir Kopfweh. Mein Team und ich versuchen ständig, mit den Kompetenzen, die wir haben, gegenzusteuern. Wir haben eine sehr gute Wirtschafts- und Industrieförderung aufgesetzt. Ich sehe es aber auch als meine Aufgabe, in Wien zu intervenieren. Den Faktor Arbeit müssen wir entlasten. Wir müssen als Gesellschaft zu einer Regelarbeitszeit zurückkommen. Die Mehrarbeit gehört steuerlich entlastet. Ältere Menschen, die ihre Erfahrung zur Verfügung stellen, müssen wir steuerlich komplett entlasten. Die Themen Inflation und Zinsen muss der Bund rasch unter Kontrolle bringen. Die belasten extrem.

Seit zehn Monaten ist Mario Gerber (li.) Landesrat für Wirtschaft, Tourismus und Digitalisierung. Im Interview mit der „Krone“ gibt er sich ein „solides Gut“. (Bild: LIEBL DANIEL)
Seit zehn Monaten ist Mario Gerber (li.) Landesrat für Wirtschaft, Tourismus und Digitalisierung. Im Interview mit der „Krone“ gibt er sich ein „solides Gut“.

Der Kreditschutzverband geht heuer in Tirol von 360 Insolvenzen aus, um 60 mehr als im Vorjahr. Wie kann man gegensteuern? 
Neben dem Faktor Regelarbeitszeit müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir die Betriebe unterstützen können, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Der Unternehmer möchte wirtschaften, aber er möchte nicht von Förderungen abhängig sein oder um Geld betteln. Tirol ist ein Export-Land, da braucht es passende Rahmenbedingungen. In der Länderkompetenz kann das Wirtschaftsressort eher wenig machen. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Unternehmer weg von der Gießkannen-Förderung zu bringen, davon halte ich nichts. Stattdessen müssen wir auf Innovationen setzen. Wir haben Innovationsassistenten in der Industrie und Wirtschaft. Ein Riesenthema sind nach wie vor die Energiekosten. Die wurden durch den Energiekostenzuschuss gut abgefordert. Hier fordere ich den Koalitionspartner auf, dass der freigegeben wird.

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Wir brauchen qualifizierte Zuwanderung. Jene, die bei uns arbeiten wollen und sich an die Regelen halten, sind willkommen.

Mario Gerber

Apropos Energie: Stefan Garbislander fordert, dass man bei der Novellierung des Tiroler Naturschutzgesetzes dafür sorgen soll, dass auch kleinere Projekte der Energiewende schneller abgewickelt werden können. Unterstützen Sie diese Forderung? 
Beim Energie-Thema müssen wir schauen, dass wir es rasch unter Kontrolle bringen. Alles, was uns hier schnell weiter bringt, müssen wir umsetzen. Die Verfügbarkeit von Energie ist etwas essenziell Wichtiges. Ich bin daher auch der Meinung, dass man gewisse Dinge beschleunigen muss. Es hat keinen Sinn, wenn man jedes Projekt zu Tode redet. Ich habe von den Kritikern auch noch nie konstruktive Alternativen gehört. Bei der Energiewende müssen wir den Turbo zünden.

Einem Vorschlag von FP-Chef Herbert Kickl erteilt Mario Gerber eine klare Absage (Bild: LIEBL DANIEL)
Einem Vorschlag von FP-Chef Herbert Kickl erteilt Mario Gerber eine klare Absage

Auch Tirols Jungunternehmer plagen Sorgen und forderten erst kürzlich eine steuerliche Entlastung. Wie greifen Sie ihnen bzw. auch den Start-ups unter die Arme? 
Nicht alle Jungunternehmer sehen es so negativ. Start-ups haben wir in der Förderrichtlinie sehr gut bedacht. Wir fördern sogar bis zu 100 Prozent der Kosten. Wichtig ist auch, die Start-ups hinaus zu bringen in Richtung Unternehmer. Bei den Jungunternehmern müssen wir schauen, dass Betriebsansiedelungen möglich sind. Und bei den Steuern muss man sich generell anschauen, wo man Unternehmen zu stark belastet.

Zur Person

Mario Gerber war Hotelier und in der Wirtschaftskammer vertreten. Seit Oktober 2022 ist er unter LH Anton Mattle Landesrat für Wirtschaft, Tourismus und Digitalisierung. Der 42-Jährige rechnet gegenüber der „Krone“ vor, dass „ich im Schnitt zwei Tage pro Woche bei den Unternehmen bin. Dabei bekomme ich am besten mit, wo der Schuh drückt. Ich bin immer wieder positiv überrascht, welche Hidden Champions Tirol hat“.

FPÖ-Chef Herbert Kickl spricht sich dafür aus, zwar Fachkräfte aus dem Ausland zu holen, aber nur zeitlich befristet. Kann es so gelingen? 
Das glaube ich nicht. Wir brauchen eine qualifizierte Zuwanderung. Jene, die bei uns arbeiten wollen und sich an die Regeln halten, sind herzlich willkommen.

Sie sind zehn Monate im Amt. Welche Zwischennote geben Sie sich? 
Ein solides Gut. Ich konnte sehr viel Erfahrung einbringen. Ein paar Sachen gehen noch zu langsam. Die lösen wir aber auch noch.

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