Auf 19,50 Zähler im zweiten Quartal stürzte der Geschäftsklimaindex der Tiroler Industriellenvereinigung von zuvor 40,50 im ersten ab. Wie berichtet, bewerten nur noch 38 Prozent der befragten Betriebe ihre Geschäftslage als gut. Müssen sich die Tiroler nun auf eine Insolvenzwelle vorbereiten?
Das wollte die „Krone“ wissen und hat bei Klaus Schaller, dem Regionalleiter West des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV), nachgefragt. „Im Vergleich zum Vorjahr stieg im ersten Halbjahr die Zahl der Firmenpleiten in Tirol um 13,6 Prozent auf 167 insolvente Betriebe. Zum Vergleich: In Österreich hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im selben Zeitraum um zwölf Prozent erhöht“, rechnet er vor.
Bis zum Jahresende geht der KSV von einer ähnlichen Entwicklung aus. „Vor allem deshalb, weil das wirtschaftliche Umfeld, indem sich die Firmen bewegen, sehr turbulent ist. Steigende Kosten in vielen Bereichen, etwa bei Energie oder Rohstoffen, dazu das Thema der Inflation oder jenes der steigenden Fremdkapitalzinsen stellen die Betriebe vor komplexe Herausforderungen.“
60 Prozent der Tiroler Betriebe sind vom Arbeitskräftemangel betroffen. Dadurch müssen zum Teil sogar Aufträge abgelehnt werden, wodurch Umsätze schrumpfen und die Liquidität angekratzt wird.
Klaus Schaller
Bild: Tom Bause
Heuer wohl 360 Firmenpleiten
Hinzu komme noch, dass laut der sogenannten „Austrian-Business-Check-Umfrage“ des KSV 60 Prozent der Tiroler Betriebe vom Arbeitskräftemangel betroffen sind. „Dadurch müssen zum Teil sogar Aufträge abgelehnt werden, wodurch Umsätze schrumpfen und die Liquidität angekratzt wird“, erklärt Schaller.
Im Vorjahr gab es in Tirol rund 300 Firmenpleiten. „Geht man in den kommenden Monaten von einer ähnlichen Entwicklung aus wie im ersten Halbjahr, dann kommen wir Ende 2023 auf rund 360 Insolvenzen“, prognostiziert der Leiter.
Produktionsbetriebe in Tirol am meisten betroffen
Während in Österreich Handel, Bau und Gastronomie bzw. die Beherbergung die Insolvenztreiber sind, „ist es in Tirol vor allem der Bereich der klassischen Produktionsbetriebe, der im ersten Halbjahr die meisten Insolvenzen aufweist - und zwar knapp 50 Fälle. Daran wird sich auch in der näheren Zukunft nicht wesentlich etwas ändern“.
Interessant: „Während es in Österreich vorwiegend ,operative Ursachen‘ oder ,unbeherrschbare Umstände‘ sind, die in eine Insolvenz führen, sind es in Tirol mit 36 Prozent in erster Linie klassische Gründungsfehler. Dazu zählt neben dem fehlenden Branchenwissen oder betriebswirtschaftlichen Defiziten auch der Faktor, dass es an der Eignung fehlt, ein Unternehmen zu führen“, erklärt Schaller. Erst danach folgen „operative Ursachen“ (24%) wie Absatzschwächen oder schlechte Kostenstrukturen sowie „unbeherrschbare Umstände“ (23%).
Einerseits müssen sich Unternehmen mit höheren Kosten auseinandersetzen, andererseits können sich die Menschen weniger leisten und müssen sparen, sprich, sie kaufen weniger.
Klaus Schaller
Bild: Tom Bause
Umsatzdruck von zwei Seiten
Zurück zur Inflation: Ist sie ein Grund für eine Zunahme der Insolvenzen? „Einerseits müssen sich Unternehmen mit höheren Kosten auseinandersetzen, andererseits können sich die Menschen weniger leisten und müssen sparen, sprich, sie kaufen weniger. Somit haben Betriebe von zwei Seiten Umsatzdruck, der viele in eine gewisse wirtschaftliche Schieflage bringt“, sagt Schaller. Von einer Insolvenzwelle möchte er aber noch nicht sprechen.
Übrigens: Um nicht in eine Pleite zu schlittern, „sollten Unternehmer ihr Geschäftsmodell regelmäßig evaluieren und schauen, ob sie auf Kurs sind“, lautet das erste Gebot.
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