Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez bei dessen Besuch am Donnerstag in Wien Unterstützung für den spanischen EU-Ratsvorsitz ab Juli zugesagt. Sánchez lobte seinerseits, dass Österreich „eine konstruktive Haltung“ habe, auch wenn die beiden Länder etwa beim Thema Migration in einigen Fragen durchaus auch unterschiedliche Positionen hätten.
„Spanien übernimmt den Ratsvorsitz in einer Zeit, die mehr als schwierig und herausfordernd ist“, sagte Nehammer und nannte den Krieg in der Ukraine, Teuerung und Energiekrise sowie die irreguläre Migration als gemeinsame Herausforderungen. Spanien brauche als Land an der Außengrenze Europas genauso Unterstützung wie Italien, Bulgarien und Rumänien, so der Bundeskanzler. Sánchez und er seien sich einig, dass man auf der einen Seite Grenzen sichern müsse, es auf der anderen Seite aber auch wichtig sei, mit Herkunftsländern und sicheren Drittstaaten übereinzukommen.
Migration und Klimaschutz als Hauptthemen
Die Verhandlungen zum EU-Migrationspakt sind eine der Fragen, die Spanien während seines bevorstehenden EU-Ratsvorsitzes weiterbringen will. Sánchez zeigte sich entschlossen, vor der Europäischen Parlamentswahl im Mai 2024 mehrere offene Themen weiterzubringen. Konkret nannte er neben dem Migrationspakt den Klimaschutz und die Umgestaltung des Energiemarktes. Damit sollten einerseits die Treibhausgasemissionen gesenkt werden, anderseits die strategische Autonomie der Europäischen Union gestärkt werden.
„Wir müssen die gelernten Lektionen nicht nur aus dem Krieg, sondern auch aus der Pandemie verinnerlichen“, mahnt Sánchez und forderte eine Reindustrialisierung Europas. Ein Anliegen Spaniens sei außerdem eine Vertiefung der Bande zu Lateinamerika, betonte der spanische Regierungschef.
Gemeinsamkeiten bei Balkan-Thema
Am meisten Gemeinsamkeit fanden Nehammer und Sánchez offenbar beim Thema Westbalkan. Spanien habe hier die österreichische Position unterstützt, dass Bosnien den Beitrittskandidatenstatus erhalten solle, als die Ukraine den Status erhielt, lobte Nehammer. Sánchez lobte den Westbalkan als wichtigen Pfeiler der europäischen Stabilität. Nicht erwähnt wurde die Nicht-Anerkennung des Kosovo durch Spanien, welche die EU-Annäherung des seit 2008 unabhängigen Staates nicht erleichtert. Fragen waren bei dem Medientermin am Donnerstag auf spanischen Wunsch keine zugelassen.
Für den sozialistischen spanischen Ministerpräsidenten war Österreich die erste Etappe einer Tour durch die europäischen Hauptstädte vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli. Noch am Donnerstag reist Sanchez weiter nach Kroatien, am Freitag ist er in Slowenien.
Proteste von Regierungsgegnern am Ballhausplatz
Sanchez wurde zu Mittag mit militärischen Ehren vor dem Bundeskanzleramt empfangen. Zahlreiche Schaulustige versammelten sich deshalb auf Ballhausplatz, darunter auch einige spanische Regierungsgegner, die lauthals den Rücktritt von Sanchez forderten. Wichtig ist die EU-Ratspräsidentschaft für Sánchez auch innenpolitisch, finden doch im Dezember Parlamentswahlen statt. In den Umfragen lag zuletzt die konservative Volkspartei (PP) voran. Im Mai stehen zudem Regional- und Kommunalwahlen an.
Auch Rendi-Wagner getroffen
Im Rahmen seines offiziellen Besuchs traf Spaniens Ministerpräsident auch seine Parteikollegin SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Die beiden Sozialdemokraten tauschten sich Donnerstagnachmittag über die Pläne der spanischen Ratspräsidentschaft für mehr europäische Autonomie in Energie- und Wirtschaftsfragen sowie über Wege aus der Rekordteuerung aus, wie Rendi-Wagners Pressebüro mitteilte.
Der spanische Premier machte am Donnerstag den Auftakt zu einem Besuchsreigen europäischer Amtskollegen bei Nehammer. Am Nachmittag empfängt der Bundeskanzler den belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo. Am Freitag steht dann ein Besuch der finnischen Regierungschefin Sanna Marin am Programm.
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