Folter in der Ukraine

Russischer Offizier: „Kreml will Entmenschlichung“

Ausland
03.02.2023 11:56

Ein ehemaliger russischer Offizier hat im Gespräch mit der BBC schwere Folter und Misshandlung ukrainischer Gefangener durch Kameraden bezeugt. Er berichtete unter anderem von Schüssen in Arme und Beine sowie von Scheinhinrichtungen.

Der Mann namens Konstantin Jefremow war nach eigenen Angaben Leutnant in der russischen Armee und kurz nach dem Beginn des Angriffskriegs im vergangenen Jahr in der Ukraine stationiert. Später schied er aus der Armee aus und verließ Russland.

Jefremow gibt an, am 10. Februar 2022 - also kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine - für „Militärübungen“ auf die Halbinsel Krim geschickt worden zu sein. Zu der Zeit habe niemand geglaubt, dass es einen Krieg geben würde - nicht einmal die höheren Offiziere hätten etwas gewusst.

Offizier wollte nie kämpfen
Davor hatte Jefremow drei Jahre lang in Tschetschenien an der Minenräumung teilgenommen. Die Kaukasusrepublik ist eine der am stärksten verminten Regionen der Welt. Mit dem Ukraine-Krieg wollte der Mann nichts zu tun haben. Er gibt an, er habe versucht, seinen Militärdienst zu beenden - allerdings habe ihm ein Oberst gedroht, ihn wegen Fahnenflucht bis zu zehn Jahre ins Gefängnis zu stecken.

Der Kreml will die Russen in seiner Propaganda davon überzeugen, dass Moskau gegen Faschisten, Neonazis und Ultranationalisten kämpft. Damit wird versucht, die Ukrainer in den Augen der russischen Öffentlichkeit und des Militärs zu entmenschlichen - und die Schrecken des Krieges zu rechtfertigen.

Jefremow erinnert sich daran, wie russische Truppen Erkennungszeichen auf ihre Uniformen klebten und den Buchstaben „Z“ auf militärische Ausrüstung und Fahrzeuge malten. Innerhalb weniger Tage war „Z“ zum Symbol dessen geworden, was der Kreml als seine „militärische Spezialoperation“ bezeichnet. (Bild: AFP or licensors)
Jefremow erinnert sich daran, wie russische Truppen Erkennungszeichen auf ihre Uniformen klebten und den Buchstaben „Z“ auf militärische Ausrüstung und Fahrzeuge malten. Innerhalb weniger Tage war „Z“ zum Symbol dessen geworden, was der Kreml als seine „militärische Spezialoperation“ bezeichnet.

„Ich entschuldige mich bei allen Ukrainern“
In dem BBC-Interview berichtete der Ex-Offizier unter anderem von einem Verhör, bei dem einem Kriegsgefangenen in Arme und Beine geschossen worden sei. Die Verletzungen seien so schwer gewesen, dass der Ukrainer beinahe an Blutverlust gestorben wäre. Man habe ihn schnell erstversorgt, ihm danach eine russische Uniform angezogen und ihn ins Krankenhaus gebracht. Dort durfte er seine Nationalität allerdings nicht preisgeben - sonst hätte man ihm wohl die medizinische Hilfe verwehrt oder ihn im schlimmsten Fall sofort erschossen.

Bei sogenannten Scheinhinrichtungen habe man Schüsse nahe am Kopf der Gefangenen abgefeuert - davor wurde ihnen glaubhaft gemacht, dass ihnen in den Kopf geschossen werde. Stattdessen habe man neben den Kopf gezielt. Die Betroffenen seien danach taub gewesen. Einem weiteren Mann sei mit Vergewaltigung mit einem Mopp gedroht worden. „Wir verwandeln dich in ein Mädchen und schicken deiner Frau das Video“, soll der Oberst geäußert haben.

Die BBC prüfte die Angaben des Mannes zu seiner Einsatzzeit in der Ukraine unter anderem anhand von Dokumenten und Fotos, die er vorlegte, und hält den Bericht für glaubhaft. Es gebe auf beiden Seiten im Ukraine-Krieg Folter und Misshandlungen, sagte die Leiterin eines Beobachtungsteams der Vereinten Nationen in der Ukraine, Matilda Bogner. Besonders schlimm seien die Verhältnisse aber in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine oder in Russland selbst.

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