„The Raw Stuff“

Underground-Kunst für Subkulturen in Buchform

Wien
01.01.2023 06:01

In den beiden Katalog-Kompendien „The Raw Stuff“ bekommen Interessierte einen detaillierten Einblick in die Artwork-, Kunst- und Tätowierszene der Subkulturbereiche Punk, Metal, Crust und Grindcore. Ein Nachschlagewerk, dass die Liebe zum Handgemachten und Ideellen leidenschaftlich zelebriert.

Echte Musikfans der alten Schule wissen um den Wert der Verpackung. Was wäre Iron Maiden ohne das sich durch die gesamte Bandkarriere ziehende Maskottchen Eddie? Welchen Ersteindruck würden Black-Metal-Alben versprühen, wenn von der Verpackung nicht schon sinistre Gestalten vor düsteren Mond- und Waldlandschaften lauern würden? Hätten die großen Psychedelic-Rockbands der 70er-Jahre auch so viel Staub aufgewirbelt, wenn die Artworks nicht vor kunterbunten und detailreichen Malereien erstrahlt wären? Das mittlerweile auf bereits zwei Teile erweiterte Katalog-Kompendium „The Raw Stuff“ zollt jenen österreichischen und auch internationalen Künstlern Tribut, die ihre überbordende Kreativität mit der großen Welt der Musik im subkulturellen Bereich vermischen.

Endloses Feld der Kreativität
Wobei - subkulturell beschränkt auf Rock, Metal und Punk wäre man gerne im Vorwort von Herausgeber und ebenfalls Künstler Tom Gasperlmair. Diverse Konzertplakate für internationale Größen wie The National, Tocotronic und gar die Rolling Stones zeigen, dass sich der Underground aber längst mit dem Mainstream vermischt hat. Das ist aber keinesfalls negativ aufzufassen, denn in „The Raw Stuff“ geht es nicht vorwiegend um eine zwingende Anlehnung an bestimmte Nischenbands, sondern um die Schönheit künstlerischer Vielseitigkeit, um die mannigfaltigen und zuweilen komplett konträren Stile, die Realität und Fiktion mittels Pinselstrichen, Siebdruckverfahren oder Tätowiernadel vermischen lassen. „Der Gedanke unserer Subkulturen endet nicht auf dem Karton deiner Lieblingsschallplatte, er hat sich seit Jahren in Kunstrichtungen wie Tattoos und Street-Art übertragen“, wie Gasperlmair erklärend in Buch zwei voranstellt.

Behandelt Band eins noch komplett die österreichische Szene, geht der zweite Teil schon rein geografisch weit darüber hinaus und verankert sich bei künstlerisch interessanten Beiträgen von Leipzig über Prag bis hin nach Barcelona. Entfernungen sind aber, reell wie ideell, ohnehin nur zur groben Richtungsorientierung und Schubladisierung anzusehen, denn allen 28 Künstlerinnen eint bei den gesamt 623 Artworks auf insgesamt 516 liebevoll kuratierten Seiten die Passion zum Erschaffen und Kreieren. Gerade durch die Gegenüberlegung beider Bände bekommt man einen schönen Eindruck davon, woher die unterschiedlichen Inspirationen stammen, wie sich etwa eine Wiener und Linzer Szene mehr oder weniger unbewusst untereinander befruchtet oder welche bleibenden Eindrücke sich durch oftmaliges Reisen im eigenen Werk niederschlagen.

Für jeden was dabei
Mit liebevoller und ansteckender Euphorie geben die vorgestellten Personen Anekdoten und Details zu ihrer Kunst, den Kontakten mit Bands und dem Musikbusiness preis. Das offenbart so manch interessante und vereinzelt kuriose Auswürfe, dient aber vor allem als Einblick in eine öffentlich viel zu wenig beleuchtete Welt. Es geht nicht nur um Plattenartworks und Konzertposter, sondern auch um Graffitti-Street-Art, Tätowierungen, T-Shirts, Siebdruckpaneele, Sticker oder Offset-Prints. Besonders schön eintauchen lässt es sich in die Vielseitigkeit der Werke. Ob schwarzweiß oder bunt, ob LGBTQ-lastig oder düster-traditionell, ob psychedelisch-fantastisch oder dystopisch-realistisch - es ist für jeden etwas dabei, weshalb sich die Zusammenarbeiten sehr einfach in unterschiedliche Genres von Doom über Popmusik bis hin zu Crustpunk oder Gabber-Techno ausdehnen lassen.

Neben wunderschönen Prints und Exzerpten gibt es auch ein sehr persönliches Nostalgie-Vorwort von „Slam Magazin“-Chefredakteur Thomas Sulzbacher und eine feine Untergrund-Analyse der beiden Arena-Wien-Capos Philipp Gottschall und Peter Hanzl zu erkunden. Besonders schön heraus kommen dabei Kooperationen wie jene zwischen der Wiener Arena, dem Linzer Kapu oder dem Grazer Explosiv. So sind etwa die Gigposter der bekannten und beliebten „Roadtrip To Outter Space“-Konzertreihe von unterschiedlichen in „The Raw Stuff“ vorgestellten Künstlern kuratiert, für 2023 gibt es auch eine kleine Konzertreihe, die im Banner der optischen Kunst zählt. „The Raw Stuff“ ist ein feines Nachschlagewerk für und über Subkulturen, für das bewusste Genießen des Gesamtprodukts Musik und für die noch übriggebliebenen Nerds und Liebhaber, für die eine Platte oder ein Shirt ein Stück Lebensausdruck ist. Davon kann es gerade heute nicht genug geben.

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