Ach, übrigens...

Das besonders geduldige Papier der FIFA

Vorarlberg
09.10.2022 09:30

„Krone Vorarlberg“-Autor Harald Petermichl hat sich für die neueste Ausgabe seiner Kolumne „Ach, übrigens...“ durch den „Statuten-Dschungel“ des internationalen Fußballverbandes FIFA geforstet. Gefunden hat er viele edle Regeln in Sachen Menschenrechten, Antidiskriminierung und dergleichen. Was aber offensichtlich wenig mit der vermaledeiten Realität zu tun hat... 

In ihren Statuten bekennt sich die FIFA „zur Einhaltung aller international anerkannten Menschenrechte“ und stellt in weiterer Folge fest, dass „jegliche Diskriminierung von Personengruppen (…) unter Androhung der Suspendierung oder des Ausschlusses verboten“ ist. Selbst für die vom Weltverband immer wieder als Rechtfertigung ins Feld geführte Neutralität (weil Spitzensport ja bekanntlich absolut unpolitisch ist) gibt es gemäß Artikel 4.2 Ausnahmen und diese sind „in Belangen möglich, die mit dem statutarischen Zweck der FIFA zusammenhängen“. Klingt zunächst gar nicht mal so unvernünftig, wäre da bloß nicht die vermaledeite Realität.

Eine Frau in einem iranischen Fußballstadion: leider ein Bild mit Seltenheitswert. (Bild: The Associated Press)
Eine Frau in einem iranischen Fußballstadion: leider ein Bild mit Seltenheitswert.

Und die sieht konkret in Iran, dessen Nationalteam am 21. November sein WM-Auftaktmatch gegen England bestreiten soll, alles andere als rosig aus. Nicht erst seit dem Tod von Mahsa Amini, die nach ihrer Verhaftung durch die „Sittenpolizei“ unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist, sieht sich die Polizei bemüßigt, gewaltsam gegen Demonstrantinnen vorzugehen, häufig auch mit Waffengewalt, was unter anderem die iranische Frauenrechtsbewegung „Open Stadiums“ auf den Plan gerufen hat. Sie fordert die FIFA mit den Worten „Dieser Staat lehnt es nicht nur ab, Grundrechte und Menschenwürde zu respektieren. Er foltert und tötet sein eigenes Volk“ auf, Iran von der WM auszuschließen, verbunden mit der Frage „Wo sind die Grundsätze der FIFA-Statuten in dieser Hinsicht?“

Die Frauen des Irans erhalten in ihrem Kampf für mehr Rechte immer breitere Unterstützung. (Bild: EPA)
Die Frauen des Irans erhalten in ihrem Kampf für mehr Rechte immer breitere Unterstützung.

Der Name „Open Stadiums“ erinnert daran, dass Frauen in Iran seit 1979 (der Bundeskanzler hieß damals Bruno Kreisky und die Amtszeiten waren länger) der Zugang zu Fußballstadien „aus sittlichen Gründen“ verwehrt ist. Zwar hatte es 2019 auf sanftes Drängen der FIFA kurz feigenblättrige Ausnahmen gegeben, aber schon im März dieses Jahres wurden Frauen, die mit gültigen Tickets das Match Iran vs. Libanon sehen wollten, wieder gewaltsam daran gehindert, obwohl Infantino 2019 noch vollmundig erklärt hatte: „Jetzt gibt es kein Halten und kein Zurück mehr.“ Eben dieser Infantino hätte es jetzt als Mitglied des FIFA-Ratsausschusses, den er zusammen mit den sechs Konföderationspräsidenten bildet, in der Hand, Tatsachen im Sinne der Menschenrechte zu schaffen. Allerdings scheint das WLAN in seinem Häuschen in Qatar so schwach zu sein, dass er es noch nicht mal geschafft hat, auf den an ihn persönlich gerichteten Brief von „Open Stadiums“ zu antworten. Also müssen wir uns wohl damit abfinden, dass das Papier, auf dem die FIFA-Statuten gedruckt sind, besonders geduldig zu sein scheint.

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