Albtraum-Job Pflegerin

„In der Freizeit kam dann oft der Einbruch“

Oberösterreich
28.04.2022 07:00

Steigende Belastungen, hoher Druck, Personalmangel - dazu noch die Corona-Pandemie: In vielen Bereichen halten es die Oberösterreicher in ihren Jobs derzeit kaum mehr aus. Es müsse dringend gegengesteuert werden, sagt eine Welserin, die nach vielen Jahren ihren Traumberuf als Palliativpflegerin aufgegeben hat.

14 Jahre lang war Michaela Kolbrich als Palliativkrankenschwester tätig. „Ich habe mir am zweiten Bildungsweg meinen Jugendtraum erfüllt“, sagt die gelernte Großhandelskauffrau. Doch zuletzt ist daraus ein Albtraum geworden: Kolbrich erzählt von körperlichem und psychischem Stress, zunehmend aggressiven Patienten, eklatantem Personalmangel. „Ich hatte alleine auf der Palliativstation Nachtdienst. Wenn ein Patient aus dem Bett fällt oder aggressiv wird, ist man verloren.“ Zudem: überbordende Bürokratie, laufend neue Dienstanweisungen, kaum noch Zeit für die Patienten, wenig Wertschätzung.

Schlaf- und Essstörungen
Die Folgen der Überbelastung spürte Kolbrich am eigenen Leib: „In der Arbeit war ich professionell und habe funktioniert, aber in der Freizeit kam dann oft der Einbruch.“ Die Welserin hatte Schmerzen, war antriebslos, weinerlich und litt unter Schlaf- und Essstörungen: „Ich habe in sechs Jahren 17 Kilo zugenommen, obwohl ich mehrmals in der Woche Sport mache.“ Die 38-Jährige sah nur noch einen Ausweg: Raus aus dem Job. Vor wenigen Wochen hat sie gekündigt und arbeitet jetzt als Bürokraft.

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Es ist mir schwergefallen, mich von tollen Kollegen zu trennen, weil ich meinen Beruf sehr mochte und Freude an meiner Arbeit hatte.

Michaela Kolbrich wechselte von der Pflege ins Büro.

Viel mehr offene Stellen
Michaela Kolbrich ist kein Einzelfall: Wie berichtet, überlegt laut Arbeiterkammer jeder Vierte in OÖ einen Jobwechsel. Tourismus, Verkehr/Nachrichtenwesen, Handel, Unterrichts- und eben das Gesundheitswesen sind hauptbetroffen. Die offenen Stellen sind hier gegenüber 2019 um mehr als 60 Prozent angestiegen. Die Belastung im Gesundheits- und Sozialbereich sei zuletzt über jedes erträgliche Maß gestiegen, bestätigt Irmtraud Lichtenberger, die als Psychologin, Supervisorin und Coach arbeitet. „Es braucht bessere Arbeitsbedingungen und mehr Dialog im Rahmen professioneller Supervision“, sagt sie.

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Die Frustration in vielen Teams ist stark gestiegen. Fehlt die Möglichkeit zu reflektieren, kann aus Frust eine Kündigung werden.

Irmtraud Lichtenberger, Psychologin und Supervisorin in Linz

Michaela Kolbrich stimmt zu: Die Politik müsse für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Sie selbst mache jetzt eine Pause vom „System Pflege“. Aber: „Nach dem Perspektivenwechsel habe ich irgendwann vor, wieder zurückzukehren.“

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