Zerrissene Familien

Wie erklärt man den Kindern diesen Krieg?

Nachrichten
07.03.2022 09:34

Der Krieg in der Ukraine zerreißt Familien. Auch Katyrina Litvinova musste sich von ihrem Mann verabschieden, ohne wirklich zu wissen, wann sie ihn jemals wieder in die Arme schließen kann.

Fünf Tage nach der Ankunft in Graz hat sich Katyrina Litvinova zwar etwas gefangen, aber ihre Gedanken sind bei Anton, von dem sie und ihr Sohn Nikita sich an der polnischen Grenze verabschieden mussten. Eine letzte Umarmung für den Kleinen, ein Kuss für seine Frau, dann hieß es auch für ihn umkehren. Denn die Ukraine hat allen Männern im Alter zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise untersagt - damit sie für ihr Land kämpfen können.

Anton Litvinov ist in der Grenzregion geblieben und darf sich als Software-Spezialist im IT-Bereich nützlich machen. Wichtig sei, dass die Telefonverbindung noch funktioniere und Katyrina mit ihm sprechen könne. Er berichtet von dicht an dicht gedrängten Frauen, Kindern und Menschen mit Schlafsäcken. In Decken gehüllt harren viele in der Kälte aus, bis sie weiterkönnen. Dass die 35-Jährige, ihr Sohn und ihre Freundin es noch vor diesen Szenarien nach Warschau geschafft haben, war Glück. „Mein Schwager Ruslans Zimnohs, der mit seinem Auto entschlossen nach Polen aufgebrochen ist, um sie dort zu holen, ist der wahre Held dieser Geschichte“, sagt Natalia Proskurnia, die sich in Graz jetzt fürsorglich um ihre Familienangehörigen kümmert.

„Wann sehen wir unseren Papa wieder?“
Obwohl sie hier nun in Sicherheit sind, muss Katyrina Antworten auf die Fragen ihres sechsjährigen Sohnes finden: „Warum ist Papa nicht mitgekommen? Wann werden wir ihn wiedersehen?“ All das zu erklären gleicht einem Drahtseilakt. Es gibt keine Anleitung dafür, wie man mit Kindern über etwas so Tragisches wie die Trennung vom Vater und einen Krieg spricht. Es sind Gespräche, die erschüttern. Worte, die man dachte, niemals sagen zu müssen. „Die Kinder wollen wissen, warum so viele Menschen sterben. Sie sagen, dass sie lieber auf einem anderen Planeten wären.“

Die eigene Fassung bei solchen Unterhaltungen zu bewahren, sei fast unmöglich. Auch Meldungen aus ihrer Heimat Charkiw würden ihr immer wieder den Boden unter den Füßen wegziehen. Die schrecklichen Angriffe, die sich in der Ukraine in Dauerschleife abspielen, sind für alle schwer zu verkraften, aber Katyrina muss mitansehen, wie ihre geliebte Stadt völlig zerstört wird. Vor drei Tagen hat eine Rakete ihren Wohnblock getroffen. Rundherum liegt alles in Trümmern. Was bleibt, sind die Erinnerungen und die Hoffnung, bald wieder mit ihrem Mann vereint zu sein.

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