Chance verpasst

EU-Abstimmung lindert das Leid auf Rädern kaum

Österreich
21.01.2022 06:00

Ein erster Schritt zur Linderung von Horrortransporten für Rinder, Schweine und Schafe ist gemacht. Das Europäische Parlament hat über verschiedene Empfehlungen zum Thema Tiertransporte abgestimmt. Doch Tierschützern gehen die EU-Beschlüsse gegen Qualen auf vier Rädern nicht weit genug. Vor allem die ÖVP wird heftig kritisiert.

Österreichs Tierschutzgesetz hat - als eines der strengsten weltweit - bei dieser Abstimmung als Vorbild gegolten. Es ist uns viel gelungen„, zog der türkise EU-Mandatar Bernhuber ein erstes positives Resümee. Doch “Krone„-Tierschutzexpertin Maggie Entenfellner übt massive Kritik am Abstimmungsverhalten seiner Fraktion, die alle Verbesserungsvorschläge abgeschmettert habe: “Man fragt sich, was die ÖVP reitet, immer wieder gegen die Interessen der Tiere und Wähler zu stimmen. Sie war sogar gegen das Zeitlimit von Schifftransporten, dabei sind wir ein Binnenland!"

Fakten

  • 1,8 Milliarden Bauernhoftiere werden jedes Jahr innerhalb der EU unter grausamen Bedingungen transportiert und dann in Länder außerhalb der Europäischen Union verfrachtet.
  • Biobauern müssen säugenden Zuchtsauen mit bis zu 40 Tage alten Ferkeln mindestens 7,5 Quadratmeter pro Tier gewähren. Dazu kommen für die Schweinemütter verpflichtende 2,5 m2 Außenfläche.
  • Vier Pfoten fordern das strikte „0-4-8 Prinzip“: null Stunden Transportzeit für besonders empfindliche Tiere, wie beispielsweise nicht entwöhnte Kälber, vier Stunden für Geflügel und Kaninchen und maximal acht Stunden für ausgewachsene Rinder, Schafe und Schweine.
  • Laut den heimischen Tierschützern sollen die über diese Zeit hinausgehenden längeren Transporte sowie Exporte von lebenden Tieren und Verfrachtungen auf dem Seeweg - sie gelten als besonders grausam - gänzlich verboten werden.

Auch der Grüne Mandatar Thomas Waitz ist empört: „Durch kurzfristige Abänderungsanträge etwa der Konservativen und Liberalen wurde vieles verwässert. So sind zum Beispiel keinerlei Empfehlungen für eine generelle maximale Transportdauer oder zur zeitlichen Limitierung auf Schiffen zu finden. Darüber hinaus wird es nach den vorliegenden Empfehlungen lediglich zu einem Alterslimit von vier Wochen, und das auch nur bei Kälbern kommen.“


Dennoch lobt der steirische Biobauer das Verbot von Transporten in Drittstaaten, in denen EU-Tierschutzbestimmungen nicht eingehalten werden, ein Zeitlimit von maximal vier Stunden für den Transport von sehr alten Tieren sowie Hasen und Geflügel, sowie die verpflichtende Anwesenheit eine Veterinärmediziners auf Transportschiffen. „Deswegen habe ich schlussendlich zugestimmt. Auch wenn das Endergebnis mehr als enttäuschend ist“.

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Wir müssen mit dem Wahnsinn bei Tiertransporten noch gründlicher aufräumen. Leider geht alles noch lange nicht weit genug.

Europamandatar Dr. Günther Sidl (SPÖ)

Enttäuscht gibt sich auch der SPÖ-Mandatar Dr. Günther Sidl: „Ich wollte für alle Lebendtiere eine maximale Transportdauer von acht Stunden. Und für Jungtiere, die noch von der Mutter abhängig sind, habe ich für ein generelles Transportverbot gekämpft. Bei einer Überarbeitung muss viel mehr passieren, etwa die Berücksichtigung des Tierwohls in EU-Verträgen geachtet werden.“

ÖVP sieht keine Schuld bei sich
Bernhuber wehrt sich gegen Kritik, die er als Mostviertler Rinderbauer wohl stellvertretend für seine Fraktion ausbaden muss: „Wir haben in mehreren Punkten viel strengere Bestimmungen für Kälber und trächtige Tiere durchgesetzt. Horrorbilder von Tieren, die über Wochen auf Schiffen über Meere gekarrt werden, müssen ein Ende haben.“ Er zeigt sich auch entsetzt über die Importe von südamerikanischem Gammelfleisch: „Tierschutz endet nicht an der Stalltür. Wer höhere Standards in Europa will, muss dem Horror-Handelsabkommen einen Riegel vorschieben“.

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Noch immer kommen Tausende Tonnen Gammel-Rindfleisch aus Brasilien zu uns, wo zu widerlichsten Bedingungen produziert wird.

EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber (ÖVP)

„Wir müssen auch in unseren Ställen Viehwohl durchsetzen!“
Mehr als 416.000 Personen hatten – wie berichtet – im Jänner 2021 das Tierschutzvolksbegehren unterschrieben. Erst nach monatelangen Verhandlungen hatten sich die Regierungsparteien Ende des Jahres auf eine Liste an geplanten Maßnahmen geeinigt. Eben an diesen entzündet sich jetzt die Empörung von SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried: „Für wichtige Forderungen fehlen aber konkrete Fristen – so wird das Tierleid in heimischen Ställen nicht beendet. Auch die Konsumenten wollen tiergerechte Lösungen. Die Nachfrage nach Bio-Schweinefleisch ist bereits höher als das Angebot.“ Hier seine Kritik:

  • Vollspaltenböden in der Schweinehaltung bleiben weiterhin erlaubt.
  • Bei Neu- und Umbauten ist nur minimal mehr Platz geplant. Denn statt bisher einem Meter mal 70 Zentimeter pro ausgewachsenem Schwein sieht die jetzige Entscheidung lediglich zahnlose 1 Meter mal 84 cm Platz vor, was jedoch für eine tiergerechte Haltung nicht ausreiche.
  • Das AMA-Gütesiegel muss sogar erst 2032 (!) auf diese minimal besseren Standards bei der Schweinehaltung umgestellt sein.
  • Für das Verbot des Küken-Schredderns gibt es keinen konkreten Zeitplan.
  • Die Kastration von Ferkeln ohne Betäubung kommt in den Regierungsplänen überhaupt nicht vor – an dieser grausigen Prozedur soll sich also gar nichts ändern.

Zentrale SPÖ-Forderungen: Ab 2027 ein Verbot von Vollspaltenböden in der Schweinehaltung. Für den Umbau der Stallungen müsse das Agrarministerium Förderungen gewähren. Schon ab Juni 2022 sei es unabdingbar, die betäubungslose Kastration von Ferkeln ebenso wie das Schreddern lebensfähiger Küken per Gesetz abzuschaffen

Warum wir es zum Thema machen
Seit Gründung der Zeitung setzen wir uns von der „Krone“ im Namen unserer Hunderttausenden Leser, die Tiere lieben, für die hilflosesten Mitgeschöpfe ein. Ganz im Sinne des großen Philosophen Albert Schweitzer (1875–1965), der „Tiere – die großen und die kleinen“ als „unsere Brüder“ ansah.

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