„Es war schrecklich“

Rollstuhlfahrer flüchtet von Kabul nach Kärnten

Kärnten
18.09.2021 06:01

Aus einem langersehnten Wiedersehen mit der Familie wurde ein abrupter Abschied aus dem Kriegsgebiet Afghanistan. Der gelernte Mechaniker Qais Noori entkam in letzter Minute den Bewaffneten.

Eigentlich hätte es für Qais Noori ein schöner Heimaturlaub werden sollen. Im Juli reiste der 44-Jährige, der seit 2013 legal in Österreich lebt, zu seinen Eltern nahe Kabul – damals war noch alles in Ordnung. Bis die Taliban nach und nach das ganze Land einnahmen.

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Es war schrecklich. Ich habe gesehen, wie sie unschuldige Menschen töten.

Qais Noori

„Es war schrecklich. Ich habe gesehen, wie sie unschuldige Menschen töten“, erzählt der Rollstuhlfahrer im „Krone“-Gespräch. Noori wusste, dass er dort nicht mehr in Sicherheit ist. Die Entscheidung, seine Heimat, die von Bewaffneten zertrümmert wird, erneut hinter sich zu lassen, schmerzte ihn. Vor allem, dass er seine Familie nicht aus der Terrorhölle holen kann, brach ihm das Herz. Nach tagelangem Kontakt mit der österreichischen Botschaft in Islamabad, Pakistan, begann am 6. September seine Odyssee Richtung Alpenrepublik. Genau an diesem Tag eroberte die Terrorgruppe den letzten nicht besetzten Teil - das gebirgige Panjsher-Tal.

Schutzbrief gilt als Ticket aus Afghanistan
„Nur durch die Hilfe des Außenministeriums konnte ich wieder sicher in Österreich ankommen“, bedankt sich der 44-Jährige, der seit acht Jahren in Kärnten lebt. Andere, die Ende August auf dem Flughafen in Kabul auf ihre Evakuierung warteten, bezahlten mit ihrem Leben. Bomben von IS-Truppen zerstörten das Gelände. Mindestens 85 Menschen - darunter Kinder - starben. Die Botschaft schnürte ein regelrechtes Paket an Dokumenten, unter anderem der lebensrettende Schutzbrief.

Fünfmal wurde Noori, der sich ein Taxi organisierte, am Weg zur pakistanischen Grenze kontrolliert. Schließlich bewahrte ihn auch sein Rollstuhl vor den Taliban. „Ich habe ihnen erklärt, dass ich krank bin und Medizin brauche. Als sie den Rollstuhl im Auto sahen, konnte ich schließlich weiterfahren.“

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Als sie (die Taliban, Anm.) den Rollstuhl im Auto sahen, konnte ich schließlich weiterfahren.

Qais Noori

Als wäre diese Tortur nicht schon genug, gingen dem 44-Jährigen die Medikamente aus. Seit einem Arbeitsunfall vor fünf Jahren sitzt der gelernte Mechaniker im Rollstuhl und kämpft täglich mit unerträglichen Schmerzen.

Größter Wunsch: Wiedersehen mit Eltern
217 Menschen konnte das Außenministerium im Zuge der Evakuierungsaktion nach Österreich bringen. Nun sitzt Noori in seiner Wohnung in Klagenfurt und zerbricht sich den Kopf über seine Eltern. „Seit vergangener Woche habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Mein größter Wunsch ist es, dass ich sie bald wieder sehen kann und dass sie gesund sind.“

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