Eva Pinkelnig

„Ich musste mir die ärztliche Freigabe erkämpfen“

Vorarlberg
09.05.2021 10:55

„Ich kann mich an alles erinnern“, erklärt Skispringerin Eva Pinkelnig angesprochen auf ihren schweren Sturz vergangenen Dezember in Seefeld, als sich die 32-jährige Vorarlbergerin die Milz riss und notoperiert werden musste. Warum sie der Weg zum Comeback mehr Kraft und Energie als die Verletzung selber gekostet hat und warum sie deshalb bei der WM in Oberstdorf chancenlos war, verrät die Heeressportlerin im großen Interview mit der „Krone“. Plus: Warum sich Eva ganz besonders auf das Training mit dem Vorarlberger Nachwuchs freut.

Krone: Eva, was sind ihre Erinnerungen an jenen Sturz in Seefeld am 3. Dezember 2020, bei dem Sie sich die Milz gerissen haben?

Eva Pinkelnig: Ich kann mich an alles erinnern. Wie es zum Sturz gekommen ist. Wie ich den stechenden Schmerz in der linken Seite gespürt habe, als ich den Auslauf herunter fast direkt in die Arme von Dani Iraschko-Stolz gerutscht bin. Wären die Schmerzen nicht so groß gewesen, wäre ich sofort aufgestanden. Da ich das nicht tat, wussten diejenigen, die mich gut kennen, dass es etwas Ernsteres sein muss.

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Wenn die Milz ausgeblutet ist, stellt der menschliche Körper nach und nach die lebenserhaltenden Funktionen ein

Ländle-Skispringerin Eva PINKELNIG

Was war Ihr erster Gedanke, was es sein könnte?

Zuerst glaubte ich, dass ich mir eine der untersten Rippen gebrochen habe. An eine Verletzung eines inneren Organs dachte ich gar nicht. Es war mir aber recht schnell klar, dass es etwas Gröberes sein muss, als der Flugarzt nach der Erstuntersuchung anzeigte, dass ich sofort mit dem Heli in die Innsbrucker Klinik muss.

Wo es zur Not-OP kam...

Zuerst wurde eine Computertomographie gemacht. Danach war klar, dass meine Milz gerissen ist und entfernt werden muss. Zwar wurde mir noch gesagt, dass auch ohne Milz alles für mich möglich sei, dennoch kamen mir in dem Moment zum ersten Mal die Tränen. Gott sei Dank hatte ich einen sehr netten Anästhesisten, der mich beruhigte und mir versicherte, dass ich in den besten Händen sei.

Sie haben ihre Milz aber immer noch, oder?

Es gab während der OP zwei Meinungen. Ein Oberarzt wollte die Milz entfernen, da bereits sehr viel Blut in den Bauchraum geflossen war. Doktor Kafka-Ritsch, der Chef des operierenden Ärzteteams, setzte sich mit seiner Meinung, dass mein fitter, junger Körper das verkraften kann und die Milz in einem minimalinvasiven Eingriff geklebt werden soll, am Ende durch. Dafür war ich ihm sehr dankbar und wir haben noch auf der Intensivstation abgeklatscht.

Das klingt aber dennoch so, als wäre es bei der Operation Spitz auf Knopf gestanden?

Es war schon etwas mehr als ein Liter Blut im Bauchraum. Viel mehr kann eine gerissene Milz nicht ausbluten. Ist sie erst einmal ausgeblutet, stellt der Körper nach und nach die lebenserhaltenden Funktionen ein. Gott sei Dank sind bei mir auch die Tage nach der OP, in denen die Gefahr bestand, dass die Milz erneut reißt und dann hätte entfernt werden müssen, komplikationsfrei verlaufen.

Dachten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt ans Aufhören?

(lacht) Nein! Eher daran, wann ich wieder Skispringen kann. Eigentlich hatte ich die Saison abgehakt. Beim Thema Skispringen dachte ich auch nicht an Wettkämpfe. Ich wollte nur so schnell wie möglich wieder springen. Meine Physios Bernd Forschinger, Markus Rieger und Martin Hämmerle vom Olympiazentrum Vorarlberg haben nach der OP intensiv zusammengearbeitet. Bereits zwei Tage nach dem Sturz brachten mir meine Mama und meine Schwester einen Rucksack mit heilungsunterstützenden Lebensmitteln wie Kurkuma- und Ingwerwurzeln, sowie speziellen Tees in die Klinik. Da hat mein gesamtes Umfeld großartig für mich gearbeitet. Dafür bin ich ihnen allen sehr dankbar.

Schließlich gaben Sie im rumänischen Rasnov nur 77 Tagen nach dem Sturz mit Rang sieben ein Top-Comeback...

Ich wäre bereits für den Heimweltcup in Hinzenbach zwei Wochen davor bereit gewesen. Da bin ich im Training in Tschagguns um eine Klasse besser gesprungen als in Rasnov. Am Dienstag vor den Hinzenbach-Springen habe ich in der Innsbrucker Klinik nochmals ein MRT der Milz machen lassen. Da passte alles und mein operierender Arzt meinte in seinem Befund, dass Skispringen unbedenklich sei. Kurz danach kam jedoch der Anruf der ÖSV-Ärzte, die mir mitteilten, dass ich nicht springen darf. Zuerst hieß es, dass ich in vier Wochen ein MRT machen könne, um wieder mit dem Sport beginnen zu dürfen. Cheftrainer Harry Rodlauer setzte sich dann dafür ein, dass die Frist auf zwei Wochen reduziert wird. Ich musste mir die ärztliche Freigabe erkämpfen, musste den ÖSV-Ärzten beweisen, dass ich fit bin. Ganz ehrlich: Ich gebe nach so einer Verletzung, bei der es um ein wichtiges inneres Organ geht, ja kein Comeback ohne ärztliche Betreuung. Fakt ist, dass keiner der Ärzte, mit denen ich nach dem Milzriss zusammengearbeitet habe, um eine Meinung gefragt wurde. All das hat mich sehr viel Energie gekostet, die mir am Ende bei der Weltmeisterschaft in Oberstdorf fehlte. Es sind einfach Fehler passiert. Fehler meinerseits, aber auch Fehler, die andere gemacht haben. Das ist menschlich und gehört dazu. Das ist aber inzwischen ausgeredet und ich hoffe, dass so etwas nicht mehr passiert.

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Einerseits profitiere ich von der Leichtigkeit der Kinder und Jugendlichen und ihrem Spaß, andererseits kann ich ihnen einiges an Professionalität mitgeben

Ländle-Skispringerin Eva PINKELNIG

Darum Blick nach vorne: Sie werden zukünftig mehr in der Heimat trainieren...

Ja, jetzt steht ein spannender Sommer bevor, in dem es mein Ziel ist, wieder an die Weltspitze anzuknüpfen. In den Wochen zwischen den ÖSV-Kursen werde ich im Ländle trainieren. Ich bin hier perfekt aufgestellt. Egal ob das mein Athletiktraining im Olympiazentrum betrifft oder die Möglichkeit, in der wunderbaren Vorarlberger Berglandschaft unterwegs zu sein. Ich freue mich auch darauf, dass ich mit dem VSV-Landestrainer und den Sportlerinnen und Sportlern des Nachwuchskaders auf den Schanzen in Oberstdorf und Tschagguns springen kann. Das Training ist ideal, da ich gerne mit den Jugendlichen arbeite und eine sehr gute Beziehung zu ihnen habe. So habe ich das Skispringen gelernt, mit ihnen fühle ich mich wohl. Ich profitiere einerseits von der Leichtigkeit und dem Spaß, den sie haben, andererseits kann ich ihnen einiges an Professionalität mitgeben. Alt und Jung gibt Schwung, Jung und Alt gibt Halt.

Im Februar 2022 geht es in Peking um Olympiamedaillen. Ihr großes Saisonziel?

Um ehrlich zu sein: Peking ist für mich noch weit weg und es braucht sehr viel Arbeit, sowie die nötige Portion Glück dazu, um sich überhaupt erst zu qualifizieren. Aber: Natürlich! Wenn ich dort dabei sein sollte, will ich gewinnen. Sonst müsste ich gar nicht starten.

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