Während Corona-Krise

Britische „Fussach-Affäre“ treibt seltsame Blüten

Ausland
07.06.2020 13:25

Die „Fussach-Affäre“ aus dem Jahr 1964 gilt als Symbol des Kampfes der Länder (im damaligen Fall: Vorarlberg) gegen den Wiener Zentralismus. In Großbritannien widersetzen sich Schottland, Wales und teilweise Nordirland den Lockerungsmaßnahmen von Premierminister Boris Johnson. Ausdruck findet das in der Namensgebung von Krankenhäusern. Die britische „Fussach-Affäre“ treibt aber noch weitere seltsame Blüten.

Zehntausend Vorarlberger vertrieben 1964 den „Wasserkopf Wien“ in Person von Verkehrsminister Otto Probst, als dieser im kleinen Ort Fussach ein Bodensee-Schiff auf den Namen des Wiener Republikgründers „Karl Renner“ taufen wollte. Die Sicherheit des Ministers könne nicht garantiert werden, kabelte man von West nach Ost. Wien gab nach. Bis heute heißt das Schiff „Vorarlberg“.

Covid-19 hat Probleme weiter manifestiert
Was der Vorarlberger für den Ostösterreicher, ist der Schotte und Waliser für den Engländer. In sprachlicher, als auch renitenter Form. Boris Johnson mochte zwar das Kingdom nicht in der Europäischen Union, aber er hat es gern united. In Corona-Zeiten jedoch bröckelt der Zusammenhalt. „Die Krise hat die Probleme zwischen England und insbesondere Schottland noch weiter manifestiert“, sagt die Politologin Melanie Sully zur „Krone“. „Schottland war schlecht vorbereitet, weil man sich auf ein zweites Referendum konzentriert hat. Dort ist die Sterberate am höchsten und man ist deswegen nun sehr vorsichtig.“

Johnson hat keine Befugnisse in regionaler Gesundheitspolitik
Der britische Premierminister hat nämlich keine Befugnisse in der regionalen Gesundheitspolitik. Die obliegt Nordirland, Schottland und Wales selbst. Stolz verkündete Johnson nach Ausbruch der Krise, es werden neue Notfallkrankenhäuser für Covid-19-Erkrankte gebaut, genannt „Nightingale Hospitals“, benannt nach Florence Nightingale, der englischen Krankenschwester aus dem Krim-Krieg.

Nix da, sagt Edinburgh. „Zu englisch“, so die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon. Das Hospital in Glasgow ist nach „Louisa Jordan“ benannt, einer schottischen Krankenschwester im 1. Weltkrieg. Die Eröffnung erledigte Prinzessin Anne via Skype.

Nix da, heißt es aus Cardiff. Ihr Krankenhaus heißt „Dragon Heart“, angelehnt an das walisische Wappentier. Wales sei ja nicht einmal auf dem Union Jack vertreten, da werde man sich erst recht nicht das Krankenhaus nehmen lassen. Thronfolger Prinz Charles meldete sich bei der Eröffnung per Videobotschaft. Somit hatte zumindest die Monarchie ihre integrative Funktion erfüllt.

Wirbel im Parlament
Großen Wirbel gab es selbstverständlich im Parlament. Machen konnte Premierminister Boris Johnson dagegen nichts. Wie übrigens auch nicht gegen die Weigerung der Schotten, Nordiren und Waliser, seine Corona-Lockerungen zunächst mitzutragen. In England sind seit Montag Zusammenkünfte von sechs Personen im Freien wieder erlaubt, zudem durften Autohäuser und Märkte öffnen. Die Regierungen von Schottland, Wales sowie Nordirland haben einen vorsichtigeren Zeitplan für die Lockerungen beschlossen.

Grenzen innerhalb Großbritanniens
Was unter anderem zu dem Kuriosum führt, dass es innerhalb von Großbritannien somit de facto Grenzen gibt. Reisen sind nicht erwünscht, wer erwischt wird, zahlt Strafe. Ausnahmen gibt es für pendelnde Arbeitnehmer.

Momentan ist es für Engländer tatsächlich einfacher, nach Frankreich zu reisen - da hat Johnson mit Macron einen Deal gemacht - als nach Wales.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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