Basis-Track-Tool

Mercedes-AMG A35: Nur die Harten dürfen starten

Motor
15.03.2020 11:48

„Was? A35 statt A45? Nicht die Version mit 421 PS? Nur 306 PS? Pffff!“ Wer so über den Mercedes-AMG A35 spricht, sollte sich hier mal eine Probefahrt machen, wenn er sich traut. Denn das Ding ist nicht zufällig gelb, sondern weil hier die Post abgeht. Es ist zwar viel von dem, was hier so böse ausschaut, reine Show, aber diese Pocket Rocket ist mehr ein Track Tool als ein Blender.

Schon die ersten Meter auf der Autobahn schreiben Fragezeichen auf die Stirn: Seit wann haben wir hier in Österreich Wellblechpisten? Denn genau so fühlt es sich an. Das Sportfahrwerk ist derart hart, dass man bald jeden Kieselstein beim Namen kennt. Verstärkt wird der Effekt noch durch die ebenfalls sehr harten AMG-Performance-Sportsitze (im Paket um 2600 Euro).

Dementsprechend solide liegt der Baby-AMG in der Kurve, die 235er-Winter-Contis auf den 19-Zoll-Alus krallen sich in den kalten, trockenen Asphalt und verlegen imaginäre Schienen. Man sollte genau wissen, was man tut und perfekte feinmotorische Fähigkeiten in den Händen respektive Armen haben, denn die Lenkung ist meganervös und extrem präzise. Gefühlt jeder Millimeter führt zu einer Richtungsänderung. Das ist perfekt, wenn man es wirklich wissen will, nervt aber, wenn man einfach nur entspannt von A nach B möchte.

Entspannung ist hier ein Fremdwort, alles ist immer angespannt. Auch das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, da auch beim Dahingleiten gerne ein wenig hin und her schaltet, wenn man das Gaspedal etwas bewegt. Es ist generell kein Feingeist, knallt die Gänge gerne mal hart rein und macht sich immer wieder mit einem Klonk aus dem Antriebsstrang bemerkbar. 

Volle Attacke aus vier Zylindern
Zwei Liter Hubraum, verteilt auf vier Zylinder, per Twinscroll-Turbolader zwangsbefüllt - der schwächste AMG-Motor bringt es auf 306 PS (bei 5800/min.) und ein maximales Drehmoment von 400 Nm, das zwischen 3000 und 4000/min. anliegt. Ein bisschen Drehzahl braucht es also und oben herum geht dem Triebwerk etwas die Luft aus, bevor man bei 6500/min. im Begrenzer landet. Könnte man sagen, wenn man sehr kritisch ist. Spaß macht das allemal, und mit dieser Giftspritze ist es leichter ins Radar zu rasen, als sich vornehm zurückzuhalten.

Mess-Diener an Bord
Konsequenterweise kann man sich um 350 Euro „AMG Track Pace“ mitbestellen. Dieses Messtool erkennt Rennstrecken und bietet Rundenzeitaufzeichnung & Co an. Ist gerade kein Track in der Nähe, schaltet man einfach auf Viertelmeile oder Beschleunigung und aktiviert die Launch Control. Das heißt: Auf Sport oder Sport+ schalten, linken Fuß auf die Bremse, rechten Fuß aufs Gas, Bremse lösen - und los! Die vier Gummis versuchen die Kraft auf die Straße zu bringen, dann wird automatisch mitgemessen. 

Hundertprozentig sinnvoll ist das nicht, denn die Beschleunigungswerte werden nach Tachoanzeige genommen - und die eilt ein paar km/h vor. So kam es zustande, dass für den Sprint von null auf 100 km/h plötzlich 4,4 Sekunden auf dem Display standen. Der offizielle Wert dafür ist 4,7 Sekunden. Mit Sommerreifen.

Eskalationsstufen am Lenkrad
Schon im Comfort-Modus ist der A35 ein bedingungsloser Sportler. Das lässt sich aber noch verschärfen: mit drei Tasten am Lenkrad. Ganz links sitzt der DSC-Knopf, mit dem man den Schleuderschutz versportlichen oder ganz abschalten kann. Daneben schaltet man die Automatik auf manuell um, damit die Alu-Schaltpaddles sinnvoll ihrer Bestimmung folgen können. Und auf der rechten Seite sitzt das, was anderswo Manettino heißt: der Fahrmodus-Wahlschalter. Der hat allerdings ein Eigenleben: Wenn man zwei Stufen auf einmal weiterschaltet, zeigt das kleine Display zuerst den gewünschten Modus an. Einige Sekunden später springt es aber wieder eine Stufe zurück.

Angenehmer Motorklang
Im Gegensatz zum ausgelaufenen AMG A45 ist der A35 beinahe ein Leisetreter. Wo der Alte ein akustisches Feuerwerk aus Auspuffspotzeln und -poppen abgebrannt hat, spielt der A35 vergleichsweise beinahe stille Post. Dabei klingt er authentischer als etwa ein BMW M135i. Auspuffpoppen lässt sich nur auf Sport+ provozieren, und dann nur dezent. Das ist eigentlich angenehm, ist aber angesichts der Performance eher überraschend.

Interessantes Detail am Rande: Auch die Scheibenwischer schließen sich der ganzen Rennorientiertheit nicht an - sie sind in ihrer höchsten Stufe zu langsam.

Und noch etwas ist ungewöhnlich: Fährt man mit aktiviertem Tempomat, fährt der AMG meistens einen km/h weniger, als eingestellt ist.

Unterm Strich
Ein echter Hot Hatch, der AMG A35. In Affalterbach wissen sie, was es heißt, Sportwagen zu bauen. Und es kann ja nicht immerAMG GT draufstehen. Der Mercedes-AMG A35 soll als günstigstes Einstiegsmodell in die AMG-Welt junge Leute ansprechen. Blöd nur, dass diejenigen, die sich 75.000 Euro (Testwagenpreis inkl. Extras, Basispreis 57.560 Euro) leisten können, in der Regel nicht mehr jung sind und spätestens hier lernen, was es heißt, Rückenschmerzen zu haben.

Warum?
Ziemlich konsequent auf Sport getrimmt
Mehr Track Tool als ein sportlicher Kompakter

Warum nicht?
Wenn er einem zu konsequent sportlich ist

Oder vielleicht …
… BMW M135i, Mini Clubman John Cooper Works, Hyundai i30 N, Audi RS 3 Sportback, Honda Civic Type R - oder AMG A45

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(Bild: KMM)
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