Zweiter Weltkrieg

Vor 80 Jahren begann das „dunkle Kapitel Europas“

Ausland
01.09.2019 12:15

80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs haben EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und seine designierte Nachfolgerin Ursula von der Leyen den Wert eines geeinten und friedlichen Europas betont. „Heute werde ich daran erinnert, wie dankbar ich dafür bin, auf einem friedlichen Kontinent zu leben“, schrieb Juncker am Sonntag auf Twitter. Es bleibe die ewige Pflicht der Europäer, sich dafür einzusetzen, dass es nie wieder Krieg gebe. „Europa, das ist Frieden.“

„Dunkles Kapitel europäischer Geschichte“
Von der Leyen, die dem Luxemburger Anfang November an der Spitze der EU-Kommission folgen soll, schrieb auf Twitter: „Wir sollten uns gemeinsam erinnern, persönlich daraus lernen und zusammen für die Zukunft handeln. Für Frieden. Für Würde. Für Menschlichkeit. Das ist unsere Pflicht. Für immer.“ Sie sprach von einem „dunklen Kapitel europäischer Geschichte, dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Polen, verursacht von Nazi-Deutschland“.

Deutscher Bundespräsident bat Polen um Vergebung
Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bat indes am Sonntag bei einer Gedenkfeier in der polnischen Kleinstadt Wielun, die am 1. September 1939 als erstes Ziel von der Wehrmacht angegriffen worden war, die Menschen in Polen um Vergebung für den deutschen Vernichtungskrieg mit Millionen Toten (siehe auch Video oben). „Es waren Deutsche, die in Polen ein Menschheitsverbrechen verübt haben“, sagte er. „Ich verneige mich vor den Opfern des Überfalls auf Wielun. Ich verneige mich vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft. Und ich bitte um Vergebung.“

„Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“
Mit dem Heulen deutscher Sturzkampfbomber über Wielun hatte vor 80 Jahren das Unheil seinen Lauf genommen. Sie jagten aus dem Himmel auf die Stadt hinunter und lösten ihre todbringende Bombenlast aus. „Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!“, verkündete Adolf Hitler am Vormittag des 1. September 1939 in einer im Rundfunk übertragenen Rede.Der sechs Jahre dauernde Zweite Weltkrieg mit etwa 55 Millionen Toten, 35 Millionen Verwundeten und nicht abzuschätzenden materiellen Verlusten hatte begonnen.

Einmarsch minutiös vorbereitet
Der Überfall auf Polen mit dem anschließenden deutschen Einmarsch ohne vorherige Kriegserklärung war minutiös vorbereitet worden. Hitler begründete ihn um 10 Uhr in seiner Rede vor dem Reichstag mit fortgesetzten Grenzverletzungen und verkündete die Wiedereingliederung der „Freien Stadt Danzig“, nach dem Ersten Weltkrieg ein selbstständiger Freistaat unter dem Schutz des Völkerbunds, in das Deutsche Reich. Tatsächlich waren die Grenzzwischenfälle gründlich vorbereitete Aktionen der SS. Sie sollten den Einmarsch der Wehrmacht in Polen als berechtigte Verteidigungsmaßnahme begründen.

Beschränkungen des Vertrags von Versailles abgebaut
Von Anfang an war die Außenpolitik der Nationalsozialisten unter dem Zeichen der Revision des Versailler Friedensvertrages gestanden, der den unterlegenen Mittelmächten harte Friedensbedingungen mit Reparationsforderungen in astronomischer Höhe diktierte. Die Lage wurde durch die Weltwirtschaftskrise verschärft. Schon in seiner programmatischen Schrift „Mein Kampf“ hatte Hitler zudem die Eroberung von „Lebensraum im Osten“ zu seinem Ziel erklärt.

„Anschluss“ Österreichs
Im Bund mit dem faschistischen Italien und im Windschatten der Appeasement-Politik der Westmächte baute Hitler die auferlegten Beschränkungen des Vertrags von Versailles in Wirtschaft und Verteidigung ab: 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, 1936 das entmilitarisierte Rheinland besetzt. 1938 erfolgte der „Anschluss“ Österreichs, die Besetzung und erzwungene Abtrennung der Sudetengebiete, im März 1939 schließlich die völlige Zerschlagung der Tschechoslowakei und die Errichtung des „Reichsprotektorats Böhmen und Mähren“, nachdem sich die Slowakei unter deutschem Druck für selbstständig erklärt hatte und zu einem klerikal-faschistischen Marionettenstaat wurde. Erst jetzt begannen auch die Westmächte aufzurüsten.

Seit dem Frühjahr 1939 führten die Westmächte mit der Sowjetunion Verhandlungen über einen Beistandspakt gegen Nazi-Deutschland, die wegen gegenseitigen Misstrauens und sachlicher Differenzen aber nicht vorwärtskamen. Zudem erkundete Sowjetdiktator Josef Stalin mögliche Vorteile eines Zusammengehens mit Deutschland und erhielt Zusicherungen. Am 24. August wurde die Weltöffentlichkeit schließlich durch den Abschluss eines deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes (Ribbentrop-Molotow-Abkommen, auch: Hitler-Stalin-Pakt) überrascht.

Geheimes Zusatzprotokoll
In einem erst nach dem Krieg bekannt gewordenen geheimen Zusatzprotokoll wurden die beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa „für den Fall einer territorialpolitischen Umgestaltung“ abgesteckt: Finnland, Estland, Lettland und Bessarabien (heute Republik Moldau, damals Teil Rumäniens) sowie Polen östlich der Flüsse Narew, Weichsel und Sann sollten sowjetisches, alle westlich dieser Demarkationslinie gelegenen Gebiete deutsches Einflussgebiet sein.

Hitler hatte bis zuletzt vergeblich versucht, Polen durch massive Propaganda von den Westmächten zu isolieren, um den beabsichtigten Krieg auf die Ostfront zu beschränken. Die deutschen Forderungen an Polen - die Abtretung Danzigs und eine exterritoriale Straßen- und Bahnverbindung nach dem vom Reichsgebiet getrennten Ostpreußen - hatten Großbritannien bereits am 31. März 1939 zu einer Garantieerklärung für Polen bewogen, der sich Frankreich anschloss. Polen lehnte daraufhin die deutschen Ansprüche und in Selbstüberschätzung auch eine sowjetrussische Garantieerklärung ab. Hitler wiederum kündigte den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt von 1934.

Politisches Todesurteil
Den diplomatischen Wettlauf mit den Westmächten um die Gunst Stalins gewann Hitler. Für Polen bedeutete dies das politische Todesurteil. Zwei Tage nach Unterzeichnung des Ribbentrop-Molotow-Abkommens schloss der britische Premier Neville Chamberlain mit Polen noch ein förmliches Beistandsbündnis für den Kriegsfall ab. Der „Führer“ verschob dann den für 26. August gegebenen Angriffsbefehl. Am 1. September, einen Tag nachdem ein Angriff auf den deutschen Sender in der damaligen Grenzstadt Gleiwitz (heute Gliwice in Polen) fingiert worden war, war es aber dann so weit.

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