Frontex, Brexit etc.

Worum es beim großen EU-Gipfel in Salzburg geht

Österreich
19.09.2018 06:00

In Salzburg findet am Mittwoch und Donnerstag ein informeller EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs statt. Im Mittelpunkt wird das Thema Sicherheit stehen. Doch das ist nicht alles, die „Krone“ liefert einen Überblick über die wichtigsten Gesprächspunkte.

Vorab: Das ist kein EU-Gipfel der Beschlüsse. Das ist ein inoffizieller Gipfel der dringend notwendigen Generalaussprache über alle anstehenden Themen. Und diese gibt es im Übermaß. In den letzten Jahren ging in der zerstrittenen EU überhaupt nichts mehr weiter. Schlimmer noch: Sie ist im Krebsgang, der gestoppt werden muss! Ziel des Salzburg-Gipfels ist, zu den Krisen der EU eine gemeinsame Linie zu finden. Die Zeit drängt. Als Brennpunkte des Salzburger Gipfels zeichnen sich ab:

Die Frontex-Frage
Dem Vorschlag von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und dem EU-Ratsvorsitzenden Sebastian Kurz, die EU-Grenzschutzagentur auf 10.000 Mann aufzustocken, und zwar rasch bis 2020, werden letztlich alle mit Ach und Krach zustimmen. Frontex-Neu soll auch die Mitgliedsstaaten bei rascheren Abschiebungen unterstützen.

Streitpunkt ist das ausgeweitete Mandat, mit dem die Frontex an den EU-Außengrenzen ausgestattet werden soll. Mehrere Länder befürchten eine Einschränkung ihrer Souveränität, wenn etwa Frontex-Beamte (Orban: „Söldner der EU“) Registrierungen vornehmen können. Sie befürchten eine Entmachtung ihrer eigenen Grenzbehörden und Grenztruppen. Auch befürchten sie ihren Kontrollverlust über die (Nicht-)Registrierung von Flüchtlingen/Migranten. Und: Die Flüchtlingsverteilung wird, wenn überhaupt, nur auf freiwilliger Basis funktionieren. Mitgliedsstaaten, die die Aufnahme aus prinzipiellen Gründen verweigern, sollen Kompensation auf anderen Gebieten leisten.

Der Brexit
Es ging bisher bei den Austrittsverhandlungen so gut wie gar nichts weiter. Die Ursache liegt in London, wo Theresa May zwischen Hü und Hott zerrissen ist. Das Einzige, was London bisher liefern konnte, ist die Kündigung: März 2019. Schon jetzt ist es zweifelhaft, ob selbst bei einer Blitz-Einigung über die Prozeduren der Austritts-Fahrplan bis März eingehalten werden könnte. Es geht nun darum, wie das künftige Verhältnis zwischen Großbritannien und EU gestaltet werden sollte. Darüber herrscht in London das totale politische Chaos. Nun soll auf einem Brexit-Sondergipfel der EU der Gordische Knoten durchschlagen werden.

Ein Brexit ohne Austrittsvertrag hätte verheerende Folgen - für beide Seiten. Der Status Großbritanniens zu Europa wäre dann etwa jener Pakistans zu Europa. In höchster Not hat Londons Labour-Bürgermeister Sadiq Khan am Wochenende ein neues Brexit-Referendum ins Gespräch gebracht, hoffend, dass die britischen Wähler ihren Fehler einsehen und den Austritt aus der EU abblasen. Die EU wäre dazu mehr als bereit.

Das EU-Budget
Für den Zeitraum 2021 bis 2027 ist ein neuer Finanzrahmen (mit oder ohne Großbritannien) fällig. Die Zeit drängt wegen der nötigen parlamentarischen Prozeduren. Die Meinungsverschiedenheiten über das nächste EU-Budget könnten nicht größer sein. Die Nettozahler wollen weniger Belastung, die Nettoempfänger wollen keine Abstriche machen.

Die Festlegung von Kanzler Kurz, dass eine durch den Brexit verkleinerte EU nicht mehr kosten dürfe, wird sich nicht halten lassen. Die EU-Kommission hat eine leichte Beitragserhöhung von 1,03 auf 1,13 Prozent der Wirtschaftsleistung aller Mitgliedsstaaten vorgeschlagen, zumal die Gemeinschaftsausgaben wie der Außengrenzschutz und andere Maßnahmen im Sinne aller steigen werden. Das EU-Budget muss einstimmig beschlossen werden, letztlich in einer „Nacht der langen Messer“.

Ungarn, Polen, Italien
Was tun mit Mitgliedsstaaten, die Demokratieabbau betreiben und vorsätzlich EU- und Völkerrecht verletzen - und dafür aber einen Großteil der Bevölkerung in ihrem Land hinter sich haben? Die EU ist im Gegensatz zur UNO eine Wertegemeinschaft, die auf ihre Grundwerte nicht verzichten kann. Der Wiener Schlagabtausch zwischen Italiens Innenminister Matteo Salvini und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn lieferte einen Vorgeschmack auf die Sprengkraft des Populismus. Ungarns Orban ist ein machtpolitischer Zyniker, Polens Regent Kaczynski ein nationalreaktionärer Ideologe, Salvini laut Asselborn ein „Faschist“. So ist eine Führung der EU unmöglich.

Donald Trump
US-Präsident Donald Trump, der Zerstörer der internationalen Ordnung, hat das Damoklesschwert eines Handelskrieges über die EU gehängt. Ab November drohen US-Sanktionen gegen alle Firmen, die mit dem Iran Handel betreiben. Dagegen muss sich die EU wappnen. Der Krach ist vorprogrammiert. Trump verachtet die EU. Er hasst und verachtet die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Am Ende des Salzburger EU-Gipfeltreffens Donnerstagnachmittag werden dann alle an alle den Appell richten, es sei nun wirklich höchste Zeit, dass Europa aufwacht und sich auf eigene Beine stellt. Schön gesagt. Aufwachen mag ja möglich sein, aber es könnte sich dann auch herausstellen, dass Europa mittlerweile so schwach geworden ist, dass es sich gar nicht mehr erheben kann.

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung/krone.at

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