Pintxos und Kunst

Bilbao: Städtetrip im Baskenland

Reisen & Urlaub
05.07.2018 17:42

Spricht man von Bilbao, spricht man heute vom Guggenheim-Effekt. Neben Kunst und spektakulärer Architektur bietet die größte baskische Stadt aber auch ein ganz besonderes Lebensgefühl.

Dass ehemalige Industriestädte heute erfolgreich auf Kultur setzen, kommt öfter vor: Man denke an Liverpool und Manchester oder ans deutsche Ruhrgebiet. Doch es gibt keine andere Stadt, die sich mit einem einzigen neuen und zugegeben spektakulären Bauwerk derart ins touristische Interesse katapultiert hat wie das baskische Bilbao. Mit dem 1997 eröffneten Guggenheim-Museum, geplant vom architektonischen Querdenker Frank O. Gehry, hat sich nicht nur das Stadtbild verändert, seitdem strömen, dem Guggenheim-Effekt folgend, auch Millionen von Menschen in die Stadt.

Der eindrucksvolle Museumsbau liegt am Ufer des Flusses Nervión. Bei schönem Wetter reflektieren die silbernen Titanplatten seiner Außenhaut die Sonne. Alle Stunden zieht dennoch Nebel auf, wenn eine Installation der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya dem Prachtbau etwas Unwirkliches verleiht. Da wird auch „Maman“, die riesige Spinne von Louise Bourgeois, vor dem Museum etwas weniger gruselig. Jeff Koons „Puppy“, ein riesiger bepflanzter Hundewelpe, ist mittlerweile ohnehin zum Liebling der Einwohner von Bilbao geworden. Gegen seinen Abbau haben sie sich massiv zur Wehr gesetzt.

Neben weiteren großen Skulpturen von Koons und Anish Kapoor vor dem Museum ist auch das Innere atemberaubend. Nicht nur das Zusammenspiel von Kalkstein, Titan und Glas der keine geraden Wände erlaubenden Architektur, sondern auch die vielen gezeigten Kunstwerke. Da finden sich Meisterwerke von Yves Klein, von Mark Rothko oder Willem de Kooning, da sind aber auch schwindelerregende Installationen von Richard Serra oder Jenny Holzer zu erleben. Ein horizonterweiterndes Erlebnis.

Natürlich ist das Guggenheim nicht das einzige Museum in Bilbao. Sehenswert ist jenes der schönen Künste mit baskischen Malern und Werken von Francisco de Goya, El Greco, Lukas Cranach dem Älteren, Francis Bacon und vielen anderen klingenden Namen. In weiteren Museen kann man sich der Archäologie, der Geschichte der Stadt, der Seefahrt und anderem mehr widmen.

Bilbao, übrigens die Hauptstadt der baskischen Region Bizkaia und mit gut 350.000 Einwohnern die größte baskische Stadt, lag lange abseits der Urlauberströme. Sie galt ob der Industriebauten in der Altstadt - lange war Bilbao ein Zentrum des Eisenabbaus und der -verarbeitung - als nicht besonders attraktiv. Das hat sich aber in den vergangenen 20 bis 30 Jahren massiv geändert. Nicht nur der Bau des Guggenheim-Museums, das sich Bilbao in einer Zeit der hohen Arbeitslosigkeit viel Geld kosten ließ, auch ein kluges Verkehrskonzept mit U-Bahn und Straßenbahn hat dafür gesorgt, dass aus der Krisenstadt eine Zukunftsmetropole geworden ist. Die U-Bahn wurde übrigens von keinem Geringeren als dem englischen Stararchitekten Sir Norman Foster entworfen, und die Bewohner der Stadt nennen die geschwungenen Zugänge liebevoll „Fosterias“.

Wer jetzt glaubt, die Basken haben sich vom boomenden Tourismus ihr entspanntes Lebensgefühl nehmen lassen, der liegt grundfalsch. Das beweist sich jeden Abend aufs Neue, wenn sich die vielen schönen Bars und Lokale füllen und man zur Pintxos-Tour aufbricht. Pintxos sind mit Fisch, Fleisch, Käse, Wurst, Schinken oder Gemüse belegte Brötchen, die in einer unglaublichen Vielfalt angeboten werden. Jedes Lokal hat seine eigenen Spezialitäten. Meist sucht man sich eines der farbenfrohen Kunstwerke aus und kombiniert es mit einem Glas Bier oder Wein, bevorzugt Txakoli, der fruchtige Weißwein aus der Region. Hartgesottene lassen die Pintxos weg und frönen dem Txikiteo, einer Tour von Bar zu Bar, wo man sich das eine und meistens noch das andere Gläschen Wein gönnt. Man beginnt so gegen acht oder neun Uhr abends, und am Wochenende erlebt man nicht selten den Sonnenaufgang. Unter der Woche ist meist um Mitternacht oder etwas danach Schluss.

Die Basken ziehen übrigens nicht alleine oder in kleinen Gruppen los, sie sind in so genannten Quadrillas anzutreffen, das sind große Cliquen, die auch Einfluss auf wichtige Lebensentscheidungen haben. Heiraten sollte man jedenfalls nur denjenigen, den die Quadrilla akzeptiert. Diese eingeschworenen Gruppen sind aber nicht nur der Jugend vorbehalten, es gibt auch beeindruckende Senioren-Quadrillas, denen man gerne Platz macht. Und die männlichen Gourmets finden sich in eigenen Gemeinschaften, den Txokos, zusammen. Das sind Männerkochklubs, in denen gemeinsam gekocht, gegessen, getrunken und natürlich philosophiert wird.

Essen kann man übrigens ganz hervorragend in dieser Gegend. Die erstklassigen Produkte werden mit viel Feingespür verarbeitet, ob nun Fisch wie der Bonito del Norte (eine hier ansässige, schonend gefangene Thunfischart), der Kabeljau mit Pil-Pil-Sauce oder Seehecht, ob Meeresfrüchte oder erstklassiges Fleisch, das oft zu noch besseren Würsten oder dem legendären Jamón Ibérico verarbeitet wird, dazu herrlich frisches Gemüse - hier wird jeder verwöhnt. Nicht umsonst zeichnet die Basken eine hohe Dichte an Sterneköchen aus.

Ein Erlebnis ist auch der Besuch der Markthalle in der Altstadt von Bilbao, in der man das Beste aus der Region zu sehr moderaten Preisen bekommt - auf Wunsch auch vakuumverpackt zum Mitnehmen im Koffer. Die pittoreske Altstadt zeichnet sich überhaupt durch eine Vielzahl von feinen kleinen Läden aus. Einen Abstecher wert ist da etwa das 1857 gegründete und bis heute kaum veränderte Geschäft „Gorostiaga Sombreros“, wo man die Original-Baskenmützen erstehen kann. In Sachen Mode, Schuhe und Kosmetik ist Bilbao ohnehin eine sichere Bank: Die Teile sind schön, originell, in guter Qualität und günstig - was will man mehr.

Wenn man genug vom Stadtleben hat, liegen Natur und Meer nicht weit entfernt. Ein kurzer Trip mit der Standseilbahn führt auf den Hügel (die Basken nennen ihn Berg) Artxanda, wo man ein Picknick und die herrliche Aussicht über die Stadt genießen kann. Mit der U-Bahn fährt man in 20 Minuten bis Getxo, wo man die älteste Schwebefähre der Welt bewundern kann. Die an den Eiffelturm erinnernde Konstruktion der Bizkaia-Brücke wurde 2006 zum Weltkulturerbe ernannt.

Scheut man nicht vor einer kurzen Autofahrt zurück, locken Mundaka und der schöne Ort Bermeo, die am Atlantik liegen und im Sommer mit einer fast angenehmen Wassertemperatur zum Baden einladen.

Auf dem Weg dorthin empfiehlt sich ein Stopp in Gernika, immer noch Sitz des baskischen Regionalparlaments. Seine berühmte Eiche, mittlerweile in dritter Generation, ist zentraler Bestandteil des Wappens von Bizkaia. International bekannt geworden ist Gernika im Jahr 1936 durch die erste flächendeckende Bombardierung. Die vielen zivilen Opfer haben Pablo Picasso zu seinem berühmten Gemälde inspiriert, dessen Kopie aus Fliesen in Gernika zu bewundern ist.

Michaela Reichart, Kronen Zeitung

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