Verbale Entgleisungen

Dürfen sich unsere Politiker SO benehmen?

Österreich
13.06.2018 13:10

Rassistische Beschimpfungen, untergriffige Wortmeldungen und ständige Zwischenrufe - das Niveau im Nationalrat lässt aktuell mehr als zu wünschen übrig, wie nicht nur die jüngsten Verbalattacke gegen Alma Zadic (Liste Pilz) zeigt. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka erteilte Johann Rädler (beide ÖVP) und Wolfgang Zanger (FPÖ) dafür nachträglich Ordnungsrufe. Doch auch er selbst kam wegen seiner späten Reaktion in die Kritik. Was ist los im Hohen Haus und wo ist die Debattenkultur geblieben? Dürfen sich unsere Politiker so benehmen?

Lautstarke Unmutsbekundungen im Nationalrat sind an sich nichts Ungewöhnliches, die untergriffigen Zwischenrufe gegen die Liste-Pilz-Abgeordnete Alma Zadic in der BVT-Sondersitzung hatten aber noch am Dienstag ein Nachspiel. Die aus Bosnien stammende Zadic sprach in ihrer Rede über den Schutz der Geheimdienst-Beamten und wurde laut Protokoll vom Zwischenruf „Sie sind nicht in Bosnien! Verwechseln Sie das nicht!“ von ÖVP-Mandatar Johann Rädler unterbrochen. Er ließ im Nachinein ausrichten, dass dies nicht abwertend gemeint gewesen sei und er „viele positive Berührungspunkte mit Bosnien“ habe.

Für Aufregung sorgte aber noch ein zweiter Zwischenruf in der gleichen Debatte: „Alma, bei mir bist du sicher!“, sagte FPÖ-Mandatar Wolfgang Zanger, dies relativierte er auch nicht. Generalsekretär Christian Hafenecker sieht darin keinen Sexismus: „Was daran frauenfeindlich sein soll, weiß ich nicht.“ Hafenecker verwies auch auf den „Gesamtzusammenhang“, habe doch Zadic Innenminister Herbert Kickl „beschimpft“, da könne es schon zu emotionalen Zwischenrufen kommen. Überhaupt meinte der Generalsekretär: „Der Wiedereinzug (von Peter Pilz, Anm.) ist der eigentliche Skandal.“

SPÖ-Kritik an NR-Präsident Sobotka
NR-Präsident Sobotka erteilte nachträglich Ordnungsrufe. Die Debatte am Montag sei turbulent und untergriffig erfolgt, es seien Unwahrheiten in den Raum gestellt worden, kritisierte er (Video oben). SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder gab sich damit in der dann folgenden Geschäftsordnungsdebatte aber nicht zufrieden. Der Nationalratspräsident habe über die Würde des Hauses zu wachen und zu walten, reagiere aber nun mit zwei Tagen Verspätung; für Schieder „ein Zustand, den wir nicht dulden können“.

Seitens der SPÖ wurden auch Aussagen des Innenministers in der Sondersitzung thematisiert. Er habe dort Richtung SPÖ von „Unsinn, der hier verzapft wird“ oder auch von Angriffen unter dem Deckmantel der Immunität gesprochen. Auch hier, so meinte Schieder, hätte Sobotka im Sinne der Würde des Hauses einschreiten müssen.

Blümel attackiert Peter Pilz
Sobotka rechtfertigte sich damit, dass es ihm um die richtige Darstellung im Zusammenhang gehe, nicht um eine Reaktion in der ersten Emotion. Er wolle das Thema in der Präsidiale besprechen. Unterstützung erhielt Schieder von der Liste Pilz und den NEOS, FPÖ und ÖVP hielten dagegen. „Liebe Genossinnen und Genossen, wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück“, meinte etwa FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz. August Wöginger (ÖVP) betonte, es liege an den Abgeordneten, darauf zu achten, welches Bild in der Öffentlichkeit man abgebe.

Kaum war die Geschäftsordnungsdebatte erledigt, gingen in der Aktuellen Stunde am Mittwoch schon wieder die Wogen hoch. „Sehr geehrter Herr Abgeordneter Pilz, ich würde gerne sagen, herzlich willkommen zurück, aber meine Eltern haben immer gesagt, du sollst nicht lügen“, sagte dort Kanzleramtsminister Gernot Blümel. Laute Zwischenrufe folgten, Sobotka berief eine Stehpräsidiale ein. Danach folgte die Entschuldigung Blümels, allerdings merkbar ironisch gebrochen: „Ich folge der Aufforderung des Präsidenten und nehme das Zitat meiner Eltern, ,du sollst nicht lügen‘, gerne zurück.“

Wirbel um Rückkehr von Peter Pilz
Die Rückkehr von Peter Pilz ins Parlament hatte für einige Aufregung gesorgt, nachdem er sich im November 2017 wegen eines Vorwurfs der sexuellen Belästigung aus der Politik zurückgezogen hatte. Nachdem die Staatsanwaltschaft Innsbruck die Ermittlungen gegen ihn eingestellt hatte, verzichtete Maria Stern auf ihr Mandat und ermöglichte Peter Pilz eine Rückkehr in den Nationalrat. Die Mehrheit der weiblichen Abgeordneten verließ daraufhin bei Pilz‘ Angelobung den Plenarsaal.

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