Terroralarm in Belgien

Zwei Polizistinnen mit Dienstwaffe erschossen

Ausland
29.05.2018 17:57

Ein möglicher Terrorangriff hat am Dienstagvormittag die belgische Großstadt Lüttich in Atem gehalten: Ein Unbekannter attackierte in der Innenstadt zwei Polizistinnen mit einem Messer, nahm ihnen die Dienstwaffen weg und erschoss damit die Beamtinnen sowie einen Unbeteiligten. Der Täter selbst wurde wenig später bei einem Schußwechsel von einer Spezialeinheit „eliminiert“, wie in einem Amateurvideo zu sehen ist (siehe unten). Terror als Hintergrund für die Bluttat könne nicht ausgeschlossen werden, ermittelt werde aber in alle Richtungen, hieß es. Unbestätigten Medienberichten zufolge soll der Angreifer, der erst tags zuvor aus der Haft entlassen worden war, mehrmals „Allahu Akbar“ geschrien haben.

Gegen 10.30 Uhr fielen in der Innenstadt der nahe der Grenze zu den Niederlanden und Deutschland gelegenen Stadt Schüsse. Zwei Polizistinnen und ein unbeteiligter 22-Jähriger, der als Beifahrer in einem Auto zur falschen Zeit am falschen Ort war, wurden tödlich getroffen, bestätigte die belgische Bundesstaatsanwaltschaft entsprechende Medienberichte.

Staatsanwalt Philippe Dulieu zufolge griff der Mann die städtischen Polizeibeamtinnen hinterrücks mit einem Messer an, verletzte sie und tötete sie mit ihren eigenen Dienstwaffen. „Dann eröffnete er das Feuer auf ein geparktes Auto und tötete einen 22-jährigen Mann auf dem Beifahrersitz“, sagte Dulieu. Auf Twitter gepostete Videoaufnahmen von Augenzeugen zeigen den dramatischen Einsatz in Lüttich aus nächster Nähe:

Schütze floh in Schule und nahm dort Geisel
Der Schütze sei anschließend geflohen und habe in einem Gymnasium eine Reinigungskraft als Geisel genommen. Als eine Spezialeinheit der Polizei anrückte, „verließ er das Gebäude, eröffnete das Feuer auf die Beamten und verletzte einige von ihnen, bevor er erschossen wurde“, sagte Dulieu. Die Geisel wurde nicht verletzt. Der Ort des Geschehens in der Lütticher Innenstadt wurde weiträumig abgesperrt. Die Schüler der Bildungseinrichtung seien von den Ereignissen nicht direkt betroffen gewesen, das Gebäude sei umgehend evakuiert worden, sagte die Mutter eines siebenjährigen Kindes der Nachrichtenagentur AFP. Die Schule soll am Mittwoch zunächst geschlossen bleiben.

Eine Spezialeinheit habe den Mann letztlich erschossen, zuvor habe der Täter aber einige Polizisten mit Schüssen an den Beinen verletzt. Videoaufnahmen einer Augenzeugin zeigen den Schusswechsel der Beamten mit dem Angreifer, der dann von einer Kugel getroffen zu Boden geht.

Die Schüler des Lütticher Gymnasiums seien in Sicherheit, sagte Bürgermeister Willy Demeyer. Zwei weitere Polizisten seien verletzt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Belga.

Angreifer im Gefägnis zum Islam konvertiert?
Belgische Medien berichteten unter Berufung auf die Polizei, der Angreifer habe „Allahu Akbar“ gerufen. Die Polizei hat das offiziell bisher nicht bestätigt. Nach Informationen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders RTBF war der 36-jährige Angreifer aus Rochefort im Süden Belgiens erst tags zuvor aus der Haft entlassen worden. Die Ermittler prüften nun, ob der Mann im Gefängnis zum Islam konvertiert sei und sich radikalisiert habe.

Benjamin H., geboren 1982, sei der Polizei als kriminell und gewaltbereit, jedoch nicht als „radikalisiert“ bekannt gewesen, berichtete der Sender. Er sei wegen kleinerer Vergehen wie Diebstahl und Drogenhandels im Gefängnis gesessen. Nach mehreren Gefängnisstrafen soll er zur Vorbereitung auf seine Resozialisierung aus dem Gefängnis entlassen worden sein.

Der belgische Innenminister Jan Jambon schrieb auf Twitter, das nationale Krisenzentrum prüfe die Situation. Es handle sich um einen ernsten Vorfall, sagte Ministerpräsident Charles Michel dem Sender RTL Info. Er beobachte mit dem Innenminister die Lage.

Die Terrorexperten verfolgten laut Jambon die Entwicklung in dem Fall. Terror als Hintergrund könne noch nicht ausgeschlossen werden, ermittelt werde aber in alle Richtungen, hieß es. Die belgische Bundesstaatsanwaltschaft sei mit den Ermittlungen betraut worden, da es Elemente gebe, „die in die Richtung eines Terroranschlags gehen“, sagte ein Sprecher.

Ermittler: Attentäter wollte Staat schaden
Der Attentäter hatte es nach Angaben von Ermittlern darauf abgesehen, dem belgischen Staat zu schaden. Der Mann habe keinen Amoklauf begehen wollen, „sondern Polizisten treffen wollen, also die Institution, den belgischen Staat“, sagte der Chef der Lütticher Polizei, Christian Beaupere, am Dienstagabend.

Der belgische Premierminister Charles Michel bezeichnete den Angriff als „feige und blinde Gewalt“. „Unsere Gedanken sind bei den Opfern dieser abscheulichen Tat in Lüttich“, so Innenminister Jambon auf Twitter. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte die „schreckliche Attacke“ von Lüttich. Er sicherte den Belgiern die Solidarität der Franzosen zu.

Belgien mehrfach Ziel von Terrorattacken
Belgien war in der Vergangenheit das Ziel mehrerer terroristischer Attacken. Bei der schwersten davon töteten islamistische Extremisten in Brüssel am 22. März 2016 in der Metro sowie am Flughafen 32 Menschen. Die Brüsseler IS-Zelle hatte Kontakte zu Extremisten in Verviers, einer Industriestadt nahe Lüttich.

Die Terrorwarnstufe wurde erst vor einiger Zeit wieder auf Stufe zwei herabgesetzt, ein Anschlag gilt demnach als „wenig wahrscheinlich“. Behörden, Medien und Bürger sind jedoch nach wie vor sensibilisiert. Die höchste Terrorstufe liegt bei vier.

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