Grenzkontrollen?

Brenner-Streit: Italien droht uns mit EU-Verfahren

Österreich
04.07.2017 20:16

Die österreichische Politik verstärkt wieder die Drohungen bezüglich einer Schließung der Brenner-Grenze - und lässt damit die Wogen hochgehen. Laut Außenminister Sebastian Kurz sind die Vorbereitungen für mögliche Grenzkontrollen aber nicht auf den Wahlkampf zurückzuführen. "Ich halte es für höchst verantwortungsvoll, wenn man sich vorbereitet", erklärte der ÖVP-Chef am Dienstag. Aus Italien kam indessen scharfe Kritik, die regierende Demokratische Partei in Rom forderte gar die Einleitung eines EU-Verfahrens gegen Österreich.

Die Entscheidung, was es für die Kontrollen braucht, obliege allein dem Verteidigungs- und dem Innenminister sagte Kurz zu den vom Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zur Verfügung gestellten 750 Soldaten und vier Pandur-Radpanzern. Man brauche ein gewisses Personal, um den Job zu machen. Der Kontakt zu Italien sei jedenfalls trotzdem weiterhin gut, betonte der Außenminister.

Wenn der Ansturm wieder zunehme, sei es aber wichtig, darauf vorbereitet zu sein, so Kurz. Denn das Problem bei der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 sei vor allem das der Überforderung gewesen. Der Druck in Italien sei bereits groß und die Masse der Menschen, die derzeit über das Mittelmeer nach Italien kommen, würde sicher nicht dort bleiben. Er sei jedenfalls dankbar, dass der Innen- und der Verteidigungsminister in dieser Sache "so gut zusammenarbeiten".

Italiens Innenminister empört: "Ungerechtfertigt und präzedenzlos"
Was den Kurz zufolge weiterhin guten Kontakt mit Italien betrifft, gab es allerdings noch am Dienstagabend einen Dämpfer: Der italienische Innenminister Marco Minniti kritisierte Österreich angesichts der Vorbereitungen für Grenzkontrollen am Brenner scharf. Er sei über Doskozils Aussagen "zutiefst überrascht", so Minniti laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Österreichs Initiative sei "ungerechtfertigt und präzedenzlos". Sie werde unvermeidbare negative Auswirkungen bei der Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zwischen zwei befreundeten Ländern haben, für die grenzüberschreitende Kooperation besonders wichtig sei.

Kritik an den Brenner-Vorbereitungen kam auch von Italiens Außenminister Angelino Alfano. Er nannte Österreichs Vorgehen am Dienstag "ungerechtfertigt". Es gebe keine Probleme am Brenner. Österreich verhalte sich wie schon im Vorjahr. "Damals war von einer Brenner-Mauer die Rede. Danach haben wir festgestellt, dass kein einziger Migrant die Brenner-Grenze überschritten hat. Österreichs Verhalten ist ungerechtfertigt", sagte Alfano nach Angaben italienischer Medien.

Erste Rufe nach EU-Verfahren gegen Österreich in Rom
Auch die in Rom regierende Demokratische Partei (PD) von Ex-Premier Matteo Renzi reagierte mit Kritik auf die Vorbereitungen für Grenzkontrollen am Brenner und forderte die Einleitung eines EU-Verfahrens gegen Österreich. "Die EU-Kommission soll sich sofort melden", zitierte der ORF ein Facebook-Posting der für EU-Fragen verantwortlichen PD-Abgeordnete Marina Berlinghieri.

In dem Posting wetterte Berlinghieri weiter: "Österreich hat noch keinen einzigen Flüchtling im Rahmen des Relocation-Programms aufgenommen, genau wie Polen, Ungarn und die Tschechische Republik, gegen die bereits ein EU-Verfahren läuft. Das Land verletzt jegliche europäische Solidaritätsregel und schließt seine Grenzen", empörte sich die Abgeordnete.

Auch Platter betont: "Kein Wahlkampfthema"
Das Thema sei zu ernst, um es als Wahlkampfthema zu sehen, stieß hingegen Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) ins selbe Horn wie der Außenminister. In Tirol sei man sehr verunsichert, was die Anlandungen in Italien betreffe. Obwohl die Situation derzeit noch "überschaubar" sei, dürfe es auf keinen Fall ein Durchwinken geben. "Wenn die EU-Außengrenzen nicht gesichert werden, wird das Fass überlaufen", so Platter. Man würde am Mittelmeer immer noch tatenlos zuschauen. Romantik sei hier aber fehl am Platz, sagte der Tiroler Landeschef.

Ginge es nach FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, sollte man ohnehin nicht weiter zuwarten sondern sofort mit den Kontrollen beginnen. Er sprach von "unverzüglichen" Maßnahmen, um auf einen "Flüchtlingsansturm" von Italien aus vorbereitet zu sein. Abgelehnt werden die Maßnahmen am Brenner somit vorerst nur von den Grünen. Die grüne Migrationssprecherin Alev Korun kritisierte Doskozils Pläne und fordert stattdessen eine Bekämpfung der Fluchtursachen.

Brenner-Kontrollen für Tiroler Polizeichef "kein Thema"
"Kein Thema" sind die Grenzkontrollen am Brenner derzeit für den Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac. Die Vorbereitungen des Verteidigungsministeriums seien "aufgrund der Entwicklung auf der Brenner-Route in keiner Weise nachvollziehbar", sagte Tomac im Gespräch mit der APA. Selbstverständlich sei es aber "Angelegenheit des Bundesheers, auch allfällige Vorlaufzeiten" zu berücksichtigen.

Derzeit sei für die Schengen-gemäßen Hinterlandkontrollen eine Gruppe von rund 100 Mann im Einsatz. Die Aufgriffszahlen würden sich dabei im langfristigen Trend bewegen, also zwischen 15 bis 25 illegale Migranten pro Tag. Am Wochenende würden bis zu 40 registriert. "Derzeit gibt es auf der Brenner-Route keine Auffälligkeiten", betonte Tomac. Beispielsweise seien in der Kalenderwoche 25 im vergangenen Jahr 168 Aufgriffe verzeichnet worden, heuer waren es in derselben Woche 86.

Freilich sei die gestiegene Zahl der Anlandungen in Italien ein Alarmsignal. Es gebe zurzeit aber keine Informationen von den italienischen Verbindungsbeamten, dass sich eine große Zahl von Menschen vom süditalienischen in den norditalienischen Raum bewege, so der Landespolizeidirektor.

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