Schuldendrama

USA befürchten Verlust Griechenlands an Russland

Ausland
22.06.2015 12:06
Während in Brüssel wohl das letzte Ringen um eine Lösung im griechischen Schuldendrama über die Bühne geht, schrillen seit geraumer Zeit auch in Washington die Alarmglocken. Wie die "Financial Times" am Sonntag berichtete, befürchtet die US-Regierung eine Entfernung Griechenlands aus dem Einflussbereich der EU und den Vereinigten Staaten und ein Heranrücken an Russland. Vor dem heutigen Euro-Krisengipfel hat Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras seine Vorschläge für eine "endgültige Lösung" der Schuldenkrise präsentiert. Die EU-Kommission bezeichnete das Papier als "gute Grundlage".

Vor dem Hintergrund der drohenden Pleite Griechenlands geraten laut der "Financial Times" die nach wie vor sehr freundschaftlichen Beziehungen zwischen Athen und Moskau zu mehr als einem Dorn im Auge des Weißen Hauses, das seit Ausbruch der Ukraine-Krise auf den Spuren des Kalten Krieges mit Russland wandelt. Nicht nur das Verhältnis zwischen Russland und den USA könnte sich laut Beobachtern enorm verschlechtern, auch innerhalb Europas könnte eine tiefe Spaltung entstehen, wenn das NATO-Mitglied Griechenland zum Beispiel die Sanktionen gegen Russland nicht mehr mitträgt.

Tsipras sieht Sanktionen gegen Russland kritisch
Erst in der Vorwoche äußerte sich Premier Tsipras bei seinem Besuch im russischen St. Petersburg kritisch zu den erneut verlängerten Sanktionen. Der Ministerpräsident drängte auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Athen und Moskau. "Russland ist einer der bedeutendsten Partner für uns", sagte er.

Während des Staatsbesuchs in Russland wurden auch konkrete wirtschaftliche Verträge abgeschlossen. So unterzeichneten die beiden Staaten eine Kooperation beim Bau einer Gas-Pipeline, die von Russland über die Türkei und Griechenland Erdgas nach Europa liefern soll.

Reichen Athens Pläne den Gläubigern?
Doch zunächst schielen alle Augen in Washington nach Brüssel, wo am Montag ein Sondergipfel zur Schuldenkrise abgehalten wird. Laut Informationen der Athener Finanzpresse hat Tsipras "ein schweres Paket nach Brüssel mitgenommen". Die vom griechischen Regierungschef vorgeschlagenen Maßnahmen sollen demnach in den kommenden eineinhalb Jahren fünf Milliarden Euro einbringen und unter anderem harte Steuererhöhungen und Einsparungen beinhalten.

Spar- und Reformmaßnahmen sind auch die entscheidenden Punkte in der Frage, ob Griechenland Mitglied der Euro-Zone bleibt oder es zum viel zitierten "Grexit" kommt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sprach nach einem Treffen mit Tsipras im Vorfeld des Euro-Finanzministertreffens von einem "Fortschritt". Allerdings wisse er noch nicht, ob am Montag eine Einigung erzielt werden könne, so Juncker.

Erste Details: Mehrwertsteuererhöhung, Frühpensions-Aus
Erste Details des Reformpapiers sind mittlerweile ebenfalls durchgesickert. Unter anderem soll der Mehrwertsteuersatz für Grundnahrungsmittel wie Reis und Nudeln von 13 auf 23 Prozent erhöht werden. Die Mehrwertsteuer im Hotelgewerbe solle von 6,5 auf 13 Prozent verdoppelt werden. Zudem sollen die Mehrwertsteuern in Tavernen, Restaurants und Cafés von 13 auf 23 Prozent steigen. Neu eingeführt werden soll zudem eine Sondersteuer auf Einkommen ab 30.000 Euro jährlich, die von einem Prozent stufenweise bis auf sieben Prozent steigen könnte. Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinne hatten, sollen bis zu sieben Prozent Sonder-Gewinnsteuer zahlen. Bleiben solle eine Immobiliensteuer, die die linke Regierung eigentlich abschaffen wollte.

Die meisten Frühpensionen sollen nach dem Tsipras-Angebot abgeschafft werden. Das war eine der Forderungen der Geldgeber zur Sanierung des Pensionssystems. Außerdem sollen die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge für die Pensions- und Krankenkassen um zwei Prozent erhöht werden.

Schäuble warnt vor Aufweichung der Regeln
Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte am Sonntagnachmittag einmal mehr Reformen im hoch verschuldeten Griechenland eingemahnt. Diese seien Voraussetzung für einen Erfolg der Stabilisierungspolitik, sagte Schäuble. "Wo in Europa Reformen nicht nur beschlossen, sondern auch umgesetzt worden sind, hat unsere Stabilisierungspolitik in den letzten Jahren funktioniert", so der Minister. Das sei in Irland geschehen, in Portugal, Zypern, Spanien "und in Griechenland auch, solange dort Reformen umgesetzt worden sind".

Zugleich warnte Schäuble vor einem Aufweichen der gemeinsamen europäischen Regeln. "Wenn wir uns auf das, was wir vereinbart haben, gar nicht verlassen können, dann wächst kein Vertrauen in Europa", so Schäuble. Er berät am Montag in Brüssel mit seinen Amtskollegen der Euro-Zone am 12.30 Uhr. Danach kommen um 19 Uhr die Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Staaten zusammen. Ziel ist es, doch noch eine Einigung mit Griechenland zu erreichen und eine Pleite des Euro-Landes abzuwenden, bevor Ende des Monats der Staatsbankrott droht.

Varoufakis sieht Merkel am Zug
Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wiederum sieht den Ball in Berlin - dort liege der Schlüssel über Erfolg und Misserfolg des Gipfels am Montag: "Die deutsche Kanzlerin steht vor einer entscheidenden Wahl", schrieb Varoufakis in einem Zeitungsbeitrag. Entweder sie trete in eine ehrenvolle Einigung mit seiner Regierung ein oder sie folge Sirenen aus ihrer Regierung, die sie ermutigten, die einzige griechische Regierung über Bord zu werfen, die das griechische Volk auf den Reformpfad mitnehmen könne. "Diese Wahl, fürchte ich sehr, muss sie treffen."

Varoufakis signalisierte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" aber auch Kompromissbereitschaft: "Wir von unserer Seite aus werden mit dem Entschluss nach Brüssel kommen, weiter Kompromisse einzugehen, solange wir nicht gefragt werden, das zu tun, was die vorherigen Regierungen taten: neue Schulden zu akzeptieren unter Bedingungen, die wenig Hoffnung bieten, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen kann." Details zu den neuen griechischen Vorschlägen nannte auch Varoufakis nicht.

Tausende bei Pro-Syriza-Kundgebung in Athen
Unterdessen kam es vor dem Parlament in Athen zu einer Kundgebung, in der laut Polizei mindestens 7.000 Menschen der linksgeführten Regierung ihre Unterstützung aussprachen und gegen weitere Einsparungen protestierten. Die Menschen sangen, schwenkten griechische Flaggen und Transparente mit Aufschriften wie "Nein zum Euro", "Das Volk lässt sich nicht erpressen" und "Das Land steht nicht zum Ausverkauf". In mehreren europäischen Städten gab es Solidaritätskundgebungen, darunter in Brüssel, wo rund 3.500 Menschen auf die Straße gingen.

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