"Geheimniskrämerei"

ACTA laut Präsident des EU-Parlaments “unausgewogen”

Web
13.02.2012 10:35
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat das geplante internationale Urheberrechtsabkommen ACTA als "unausgewogen" bezeichnet. "Das notwendige Verhältnis von beidem - Schutz des Urheberrechts einerseits, individuelle Grundrechte der Nutzer andererseits - ist in diesem Abkommen nur sehr unzureichend verankert", sagte Schulz am Sonntagabend im ARD-"Bericht aus Berlin". In seiner jetzigen Form sei es "nicht gut".

Schulz kritisierte den Umgang mit dem Vertragsentwurf als "Geheimniskrämerei". In seiner früheren Funktion als Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas habe er schon 2010 die "Kommission aufgefordert, ihre Geheimniskrämerei sein zu lassen und alle Verträge vorzulegen". Das habe die Kommission nicht gemacht und erntet dafür nun zu Recht "harte Kritik".

"Ich glaube nicht, dass man mit dem jetzigen Vertragsentwurf - auch mit diesen Nebenklauseln, die vermutet werden, von denen keiner weiß, was drin steht - dass man damit weiter kommt", sagte Schulz. Er kündigte an, dass die Beratungen über den ACTA-Vertragsentwurf im Europaparlament am 27. Februar beginnen werden.

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen) hatten 2010 mehrere Staaten ausgehandelt. Am 26. Jänner dieses Jahres war das Abkommen dann von der EU sowie von 22 der 27 Mitgliedsstaaten unterzeichnet worden - darunter auch Österreich.

Kritiker befürchten Einschnitte in Privatsphäre
Der ACTA-Vertrag sieht unter anderem vor, dass Internet-Provider den Behörden Daten wie die IP-Adresse bekannt geben sollen, um bei Verstößen gegen das Urheberrecht eine Identifizierung von Personen zu ermöglichen. Die ACTA-Gegner befürchten, dass das Abkommen die Meinungsfreiheit im Internet massiv einschränken würde.

Deutschland, Estland, Niederlande, Zypern, Slowakei zögern bisher bei der Unterschrift. Polen, Tschechien und Lettland haben die Ratifizierung durch das Parlament vorerst gestopptt. Auch in Bulgarien gibt es Zweifel an der Ratifizierung.

Europaweite Proteste gegen Anti-Piraterie-Abkommen
Am Samstag waren in mehreren europäischen Ländern Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen das Abkommen zu demonstrieren. In Wien fanden sich nach Angaben von Polizei und Veranstaltern zwischen 3.000 und 4.500 Menschen auf dem Stephansplatz zusammen, um von dort aus vor das Parlament zu ziehen. An einer Kundgebung in Graz, die bei starkem Schneefall stattfand, beteiligten sich laut Polizei rund 1.000 Personen. In Innsbruck demonstrierten 800, in Linz 400, in Salzburg rund 1.000 Menschen bei teils zweistelligen Minusgraden.

Die Aktivisten-Gruppe Anonymous, die Grünen und die Piratenpartei hatten zu der Demonstration in Wien aufgerufen. Auch das BZÖ war bei der Demonstration vertreten und erklärte, ACTA abzulehnen. Am Montag reihte sich schließlich die FPÖ in die Reihe der Kritiker ein. Der vorliegende Entwurf bedeute "weniger einen verbesserten Schutz des Urheberrechts, sondern vielmehr eine Kontrolle und Überwachung der Internetnutzer", erklärte der freiheitliche EU-Abgeordnete Andreas Mölzer in einer Aussendung und sprach von einem "Rückschritt in den Vormärz".

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