Ihre Vergangenheit holt nun Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) ein: Wie eine interne Expertise der staatlichen Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) zeigt, flossen Fördermillionen des Steuerzahlers an offenbar kaum geprüfte Firmen, die nur Wochen später Konkurs anmeldeten. Hammerschmid leitete in der aws vor ihrem Einstieg in die Politik die Innovations-Abteilung und war Gesamtprokuristin. Die Ministerin lässt über ihre Sprecherin die Rechercheergebnisse der Investigativ-Plattform "Fass ohne Boden" und von krone.at abschwächen.
Jungunternehmer zu fördern und noch mehr Start-ups zu finanzieren ist natürlich eine gute und wichtige Aufgabe. Auch im "Plan A" des Kanzlers ist diesem Subventionsmodell viel Text gewidmet. Die österreichische Realität hat dann etwas weniger Glanz und Gloria, als sich Christian Kern und andere Start-up-Fans das bisher so vorstellen wollten.
Gleich mehrere Beispiele dieser dunklen Seite der staatlichen Unternehmensförderung legen etwa die Investigativjournalisten der Gruppe "Fass ohne Boden" in einem interessanten Papier auf den Tisch: Es ist ein Tätigkeitsbericht der Austria Wirtschaftsservice GmbH aus der Zeit, als Bildungsministerin Hammerschmid die aws-Innovations-Abteilung führte. Diese Expertise wurde im August 2007 vom damaligen ÖVP-nahen Geschäftsführer Peter T. in Auftrag gegeben, der nur zwei Jahre später nach einem mutmaßlichen Spesenskandal die aws verlassen musste.
Prüfer: Jetzige Ministerin verweigerte Akteneinsicht
Der Verfasser dieses Tätigkeitsberichts war Mitarbeiter der Bundeswettbewerbsbehörde und der aws nur dienstzugeteilt - er nahm seinen Auftrag jedenfalls ernst und wollte sofort zwölf Förderfälle der aws genau überprüfen. Unter "Ergebnisse der Tätigkeit" hält der Prüfer dazu fest: "Aus dem Bereich Technologie und Innovation 'High Tech Double Equity' von Frau Dr. Sonja Hammerschmid wurden von den angeforderten zwölf Fällen sechs Fälle verweigert."
Nur Wochen nach Erhalt der Darlehen in Konkurs
Aber selbst bei den ausgehändigten sechs Akten fand sich ein auffälliges Muster, ist in dem bisher vertraulich gehaltenen Tätigkeitsbericht beschrieben: Firmen, die von der aws Steuergeld in der Höhe von bis zu 500.000 Euro kassiert haben, gingen nur Wochen nach der Überweisung in Konkurs.
Und ein weiterer Trick wurde aufgedeckt: Die Seed-Darlehen der aws wurden von gewissen Unternehmen als Eigenkapital ausgegeben, um damit kurz vor der Pleite von Banken noch zusätzlich hohe Beträge zu erhalten.
In der Expertise wird dazu festgestellt, dass alleine durch die wenigen sechs überprüften Fälle "ein Schaden von 3,7 Millionen Euro ableitbar" sei. Aktuell betreut die aws 30.698 Unternehmensgründungen ...
Dazu können drei Beispielfälle aus der Zeit Hammerschmids bei der aws konkret genannt werden:
Keine Strafanzeige trotz Millionenschaden
Der Verfasser der Studie der aws zieht dementsprechend hart Bilanz: "In der Abteilung 'Technologie und Innovation' (Frau Dr. Hammerschmid) wird offensichtlich richtlinienwidrig Seedfinancing und 'High Tech Double Equity' kombiniert. Weiters sind somit die gesetzten Handlungen nicht beihilfenkonform."
Außerdem sei "keine positive Hebelwirkung" erkennbar, mit den öffentlichen Beteiligungen werde "das öffentliche Risiko verdoppelt", also für den Steuerzahler noch viel teurer. Das Fazit des Prüfers: "Von mindestens einem Mitarbeiter des aws liegt rechtswidriges Verhalten vor."
Trotz all dieser Vorwürfe wurde die Expertise typisch österreichisch behandelt: Es gab eine Krisensitzung im Beisein des zuständigen Sektionschefs des Wirtschaftsministeriums und des Abteilungsleiters für Controlling. Danach nichts, keine weitere Reaktion. Und auch keine Strafanzeigen, obwohl der Verdacht keineswegs absurd ist, dass nicht wenige Firmenchefs ganz bewusst die Republik Österreich sowie auch mehrere Geldinstitute mit dem "System aws" und falschen Angaben um Millionen betrogen haben könnten. Oder dies mit anderen Unternehmen noch immer machen.
Konter: "Studie ist keine wissenschaftliche Arbeit"
"Der Tätigkeitsbericht, auf dem diese Vorwürfe basieren, ist keine wissenschaftliche Arbeit", weist eine Sprecherin von Bildungsministerin Hammerschmid die Vorwürfe zurück. Und auf die Frage, wer denn dieser Expertise jede Wissenschaftlichkeit absprechen würde, kommt die Antwort: "Ich."
Der Prüfbericht wird von der Ministerin also nicht ernst genommen, selbst wenn sich damals (am 6. Dezember 2007) der Sektionschef des Wirtschaftsministeriums mit drei Abteilungsleitern in einer Sitzung damit beschäftigte und der jetzige Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als zuständiger Wirtschaftsminister dazu im Jahr 2009 eine 18-seitige Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage erarbeiten ließ. Im Büro der Bildungsministerin wird jedenfalls betont: "Alle Entscheidungen wurden stets im Vier-Augen-Prinzip getroffen."
aws-Führung gibt Hammerschmid Rückendeckung
Von der aws-Führung erhält Hammerschmid Rückendeckung: Die belastende Expertise hatte 2008 die interne Revision mobilisiert, die in ihrem Bericht "nichts, das den Richtlinien nicht entsprach", gefunden hätte, sagte der Pressesprecher der Austria Wirtschaftsservice GmbH zu krone.at. Dieser Bericht der aws-Revision sei allerdings "nicht einsehbar". Übrigens hätte die aws laut ihrem Unternehmenssprecher "bisher noch nie eine Anzeige bei den Behörden einbringen müssen": Man habe "ein sehr engmaschiges Netz der Kontrolle" ...
PS: Der interne Tätigkeitbericht aus der aws wurde den Investigativjournalisten der Digital-Zeitung "Fass ohne Boden" zugespielt. krone.at wird in Zukunft noch öfter sehr gerne mit diesen Kollegen bei der Recherche zusammenarbeiten.
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