Für vier Monate

Psychisch Kranker (28) in Zehn-Mann-Zelle gesperrt

Österreich
03.10.2016 15:53

Ein 28-Jähriger, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet und deshalb in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen werden sollte, saß vier Monate unter fragwürdigen Bedingungen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, wo Anfang Juni über ihn die U-Haft verhängt wurde. Der psychisch Kranke war wie ein "normaler" Strafgefangener in einer Zehn-Mann-Zelle untergebracht. Der 28-Jährige habe geradezu um eine Einweisung gebettelt: "Machen Sie, dass ich in eine Anstalt komme", sagte er zum Schöffensenat. Am Montag leistete das Gericht diesem Wunsch nun Folge.

Der von der Haft gezeichnete 28-Jährige könne laut eigenen Angaben in der Zelle, die er mit neun Mitgefangenen teilt, nicht schlafen und kaum essen. Einen Psychiater hat der Mann zuletzt am 23. Juni gesehen, so sein Rechtsbeistand Sven Thorstensen. Ob die Medikamente, die der 28-Jährige verabreicht bekommt, die optimale Wahl sind, ist unklar.

Dem Schöffensenat, der am Montag im Straflandesgericht über den Unterbringungsantrag zu entscheiden hatte, wurde seitens der Justizanstalt keine psychiatrische Stellungnahme zum aktuellen Befinden des Mannes übermittelt. Dabei hatte die vorsitzende Richterin Eva Brandstetter eine solche am 22. September von der Anstaltsleitung erbeten. Die Übernahme des entsprechenden Schreibens wurde zwar bestätigt, die Stellungnahme langte bis zuletzt jedoch nicht ein, obwohl sich Brandstetter noch während der Verhandlung darum bemühte. Diese wurde insgesamt dreimal unterbrochen, weil die Richterin dem Dokument "hinterhertelefonierte".

"Da ist einiges schiefgelaufen"
"Da ist einiges schiefgelaufen. Sie waren ein bisserl benachteiligt", sagte die Richterin zum Betroffenen, der seit vier Monaten in der Justizanstalt Josefstadt sitzt, obwohl am 5. August seine vorläufige Anhaltung in der Psychiatrie verfügt wurde.

Gerichtspsychiater Peter Hofmann hatte zuvor dargelegt, dass bei dem Mann eine schwerwiegende psychische Erkrankung vorliegt, die die Aufhebung der Dispositions- und Diskretionsfähigkeit zur Folge hatte. Er stufte den 28-Jährigen als gefährlich ein. Ohne entsprechende therapeutische, im Maßnahmenvollzug gewährleistete Behandlung sei davon auszugehen, "dass es zukünftig mit großer Wahrscheinlichkeit zu absichtlichen schweren Körperverletzungen oder Ähnlichem kommt". Der Betroffene benötige eine Tagesstruktur und geeignete Medikamente, "um eine ausreichende Stabilisierung zu erreichen", sagte der Sachverständige.

"Wir werden da boykottiert"
Auf Basis dieser Ausführungen verzichtete der Schöffensenat auf die Stellungnahme der Justizanstalt, die bis zum Schluss der Verhandlung nicht übermittelt werden konnte. "Ich würde mir davon keine weitere Befunderweiterung erwarten, dass ich meine Prognose revidieren müsste", hatte Hofmann auf die Frage nach dem Stellenwert dieser Stellungnahme geantwortet. Richterin Brandstetter merkte allerdings noch an, dass ihr die Anstalt die gesetzlich vorgesehenen psychiatrischen Stellungnahmen allein im heurigen Jahr in vier Unterbringungsverhandlungen nicht vorgelegt hätte: "Wir werden da boykottiert."

Die Einweisung - als dafür erforderliche Anlasstaten wurden die gegen die Mutter gerichtete gefährliche Drohung und der Widerstand gegen die Staatsgewalt angenommen - ist bereits rechtskräftig. Verteidiger Sven Thorstensen war damit ebenso einverstanden wie Staatsanwältin Gabriele Müller-Dachler. "Komme ich jetzt in ein Krankenhaus?", wollte der 28-Jährige wissen. "Wir werden so schnell wie möglich schauen, dass Sie aus der Justizanstalt wegkommen", sicherte ihm Richterin Brandstetter zu.

28-Jähriger leidet unter Wahnvorstellungen
Die Erkrankung des 28-Jährigen dürfte vor rund fünf Jahren ausgebrochen sein. 2012 wurde er erstmals nach dem Unterbringungsgesetz in der Psychiatrie behandelt, nachdem er auf seine Mutter losgegangen war. Diese hatte zuvor einen Molotow-Cocktail weggeräumt, den ihr Sohn unter dem Einfluss seiner paranoiden Schizophrenie gebastelt hatte. Der Mann leidet unter Wahnvorstellungen, fühlt sich verfolgt, meint, in der Wohnung, in der er gemeinsam mit seiner Mutter lebt, seien zu seiner Überwachung Kameras angebracht.

Freundin krankenhausreif geprügelt
Als er im Oktober 2012 aus der Psychiatrie entlassen wurde, ging es ihm zunächst besser. Dann wurde er allerdings von seiner Freundin verlassen, was ihn dazu brachte, seine Medikamente abzusetzen. Seine Aggression richtete sich nun primär gegen die Mutter, der er vorwarf, sie würde die Exfreundin von ihm fernhalten. Der Frau, die der Sohn in der Vergangenheit krankenhausreif geprügelt hatte und schon einmal erdrosseln wollte, wurde angst und bang, als er ihr telefonisch drohte, er werde sie "entweder durch mich oder meine Leute von der Mafia umbringen". Sie erwirkte ein Betretungsverbot.

Als der 28-Jährige am 9. Juni vor ihrer Wohnung in Floridsdorf auftauchte, rief sie aus Angst die Polizei um Hilfe. Eine Funkstreife und zwei WEGA-Beamte bemerkten den Mann vor dem Stiegenhaus und forderten ihn zur Ausweisleistung auf. Daraufhin beschimpfte er die Beamten, kündigte ihnen Tod und Verderben an und soll versucht haben, einem einen Faustschlag zu verpassen.

"Sie waren gemein"
"Sie waren gemein. Sie haben schlecht über mich geredet", rechtfertigte sich der Mann im Straflandesgericht. Hingeschlagen habe er "mit der Hand, nicht mit der Faust. Leicht, nicht fest." Gegen die von den Beamten ausgesprochene Festnahme setzte er sich zur Wehr, wurde von den WEGA-Beamten aber im Nu überwältigt und auf eine Polizeiinspektion gebracht.

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