Kritik aus Türkei

Papst: Massaker an Armeniern war “Genozid”

Ausland
12.04.2015 13:09
Papst Franziskus hat erneut vom "Völkermord" an den Armeniern gesprochen. In einer Messe zum Gedenken an den Massenmord durch die osmanische Regierung vor 100 Jahren sagte er am Sonntag im Petersdom, im vergangenen Jahrhundert habe es "drei gewaltige und beispiellose Tragödien" gegeben, die erste, die "weithin als 'erster Völkermord des 20. Jahrhunderts' gilt", habe das armenische Volk getroffen. Das türkische Außenministerium kritisierte die Worte des Papstes und bezeichnete sie als "inakzeptabel".

Am 24. April 1915 begann die damalige Regierung des Osmanischen Reiches mit der Verhaftung der Armenier. In der Folgezeit fielen nach armenischen Angaben bis zu 1,5 Millionen Angehörige der Minderheit einem Völkermord zum Opfer. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches weist diesen Begriff zurück und setzt die Zahl der Opfer deutlich niedriger an.

Bei der Messe im Petersdom, an der auch der armenische Patriarch Nerses Bedros XIX. (Tarmouni) und der armenische Präsident Serzh Sarksyan teilnahmen, sagte der Papst, für die beiden anderen Völkermorde des 20. Jahrhunderts seien der "Nazismus und Stalinismus" verantwortlich. In jüngerer Vergangenheit habe es aber noch weitere Massenmorde gegeben, etwa in Kambodscha, Ruanda, Burundi und Bosnien. Die Menschheit sei offenbar nicht dazu in der Lage, "dem Vergießen von unschuldigem Blut ein Ende zu setzen", so Franziskus.

Türkei warnt vor "irreparablen Konsequenzen"
Das türkische Außenministerium warnte den Vatikan davor, "Schritte vorzunehmen, die irreparable Konsequenzen für unsere Beziehungen haben könnten". Vom Pontifikat werde erwartet, zum Weltfrieden beizutragen, statt Feindseligkeiten über historische Ereignisse zu schüren, hieß es weiter. Der Apostolische Nuntius wurde ins Außenministerium in Ankara zitiert. Die Nachrichtensender NTV und CNN-Türk berichteten übereinstimmend, der Vatikan-Vertreter sei zu einer "Erklärung" der Äußerungen gerufen worden.

Jorge Mario Bergoglio hatte am Sonntag nicht das erste Mal von Genozid gesprochen. Im Jahr 2006, als er noch Erzbischof von Buenos Aires war, hatte er die Türkei aufgefordert, die Massaker als "das größte jemals von der ottomanischen Türkei begangene Verbrechen gegen das armenische Volk und die Menschheit insgesamt" anzuerkennen. Ankara legte daraufhin Beschwerde ein - und zitierte den Apostolischen Nuntius auch damals ins Außenministerium.

Als Franziskus die Gräueltaten an den Armeniern knapp drei Monate nach seinem Amtsantritt als Papst, Anfang Juni 2013, schon einmal als "ersten Genozid des 20. Jahrhunderts" bezeichnete, protestierte die Türkei ebenfalls offiziell. "Absolut inakzeptabel" sei diese Äußerung, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Ankara. Wieder wurde der vatikanische Botschafter zu einem Gespräch zitiert.

Der Begriff war nicht in einer offiziellen Stellungnahme gefallen, sondern im persönlichen Gespräch mit Nachfahren von Opfern der Vertreibung am Rande einer Privataudienz für Nerses Bedros XIX. (Tarmouni) im Vatikan. Bekannt wurde die Äußerung durch einen Mitschnitt des vatikanischen Fernsehens.

Während der Gedenkmesse erhob der Papst den armenischen Heiligen Gregor von Narek zum Kirchenlehrer. Mit diesem Ehrentitel seien bisher nur 36 Heilige gewürdigt worden, darunter der italienische Theologe Thomas von Aquin. Der mittelalterliche Mönch Gregor von Narek gilt als Armeniens größter Poet und Mystiker. Sein Kloster soll während der Angriffe auf die Armenier zerstört worden sein.

Auch Österreichs Kirchen gedenken der Opfer des Völkermords
Vertreter der Kirchen in Österreich werden am 24. April gemeinsam mit Kardinal Christoph Schönborn im Wiener Stephansdom bei einem ökumenischen Gottesdienst der Opfer des Völkermords gedenken.

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