90-jährig gestorben

Polens Ex-KP-Chef Wojciech Jaruzelski ist tot

Ausland
25.05.2014 17:44
Der letzte kommunistische Staatschef Polens, Wojciech Jaruzelski, ist am Sonntag im Alter von 90 Jahren gestorben. Jaruzelski lenkte von 1981 bis 1989 die Geschicke des Landes und stand auch danach noch lange in der Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft wollte den Ex-General für die Verhängung des Kriegsrechts 1981 im Kampf gegen die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc vor Gericht bringen, was sein schlechter Gesundheitszustand zuletzt jedoch nicht mehr zuließ.

Jaruzelski hatte keineswegs die - aus damaliger Sicht - idealen Voraussetzungen für einen Staatsmann der Volksrepublik Polen, denn er stammte aus dem Kleinadel. Außerdem machte er früh negative Erfahrungen mit der Sowjetunion. Denn nachdem die Familie vor dem Einmarsch der Wehrmacht 1939 nach Litauen geflohen war, wurde sie dort 1940 von den Sowjettruppen verhaftet und ins südliche Sibirien deportiert. Beim Holzfällen in der Taiga erkrankte er an Schneeblindheit. Deshalb musste er bis an sein Lebensende eine getönte Brille tragen. Sein Vater war während der Strapazen der Zwangsarbeit gestorben.

Trotzdem trat Wojciech Jaruzelski als 20-Jähriger in die "Polnische Armee in der Sowjetunion" ein, die unter der Führung der Roten Armee stand. Er nahm an der Eroberung von Warschau teil und erlebte das Kriegsende in der Nähe von Berlin. Als Berufssoldat machte Jaruzelski dann eine Blitzkarriere. Er arbeitete in der Zentralverwaltung der Offiziersschulung und wurde schon 1956, mit 33 Jahren, zu einem der jüngsten Generäle in Polen befördert. Dazu trug wohl auch bei, dass er seit ihrer Gründung 1948 Mitglied der Vereinigten Polnischen Arbeiter-Partei PZPR war.

Kriegsrecht verhängt, Gewerkschaft Solidarnosc verboten
Seine politische Karriere begann Jaruzelski 1960 als Leiter der Politischen Hauptverwaltung in der Armee - der verlängerte Arm der Staatspartei bei den Streitkräften. Wenige Jahre später wurde der General Mitglied im Zentralkomitee der PZPR und 1968 Verteidigungsminister. Am 18. Oktober 1981 schließlich wählte ihn das Zentralkomitee zum Ersten Sekretär. Nur zwei Monate später rief er den Kriegszustand aus und setzte sich an die Spitze des "Militärrats zur Rettung der Nation", der die Regierung übernahm. Damit einher ging das Verbot der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc. Der Kriegszustand endete offiziell am 22. Juli 1983.

Anfang 1989 initiierte Jaruzelski die Gespräche am Runden Tisch, bei denen die Regierung mit Vertretern der Kirche und der Opposition verhandelte. Das Ergebnis waren die ersten teilweise freien Parlamentswahlen im Juni. Jaruzelski übernahm das neu geschaffene Amt des Präsidenten, bei der ersten freien Präsidentenwahl 1990 trat er jedoch nicht mehr an. Trotz seines Rückzuges aus der aktiven Politik nahm er weiter an gesellschaftlichen und politischen Debatten teil.

Verfahren wegen schlechten Gesundheitszustands gestoppt
Im April 2007 leitete die Staatsanwaltschaft des Instituts für das nationale Gedächtnis wegen der Verhängung des Kriegszustandes ein Strafverfahren gegen Jaruzelski und andere Ex-Funktionäre ein. Dem Ex-KP-Chef wurde unter anderem vorgeworfen, mit dem "Militärrat zur Rettung der Nation" eine "verbrecherische Organisation" geschaffen zu haben. Zudem soll er bereits 1970 für den Tod von protestierenden Arbeitern mitverantwortlich gewesen sein. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes wurde das Verfahren jedoch eingestellt.

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