Umstrittenes Abkommen

Mercosur: Ökonomen raten Regierung zu Ja

Wirtschaft
03.12.2025 14:20

Zuletzt sorgte die deutsche Regierung für Irritationen, als sie behauptete, es gebe eine Mehrheit der EU-Staaten für das Mercosur-Handelsabkommen. Bundeskanzler Christian Stocker rückte aus und betonte, er sei an einen nach wie vor aufrechten Parlamentsbeschluss gebunden. Daher könne er nicht anders als mit Nein stimmen. Die Industrie und mittlerweile immer mehr Ökonomen fordern ein Überdenken dieser Position.

Der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Gabriel Felbermayr, verwies am Dienstag auf die schwierige wirtschaftliche Lage der EU, die durch die US-Handelspolitik, das aufstrebende China sowie aufgrund genereller protektionistischer Tendenzen zusätzlich unter Druck gerate. Besonders die Situation der Austro- und EU-Industrie sowie der Exporteure sei angespannt. „Die Exportperformance war in den letzten Jahren sehr schlecht. Und wenn die Exportperformance schlecht ist, leidet auch die Industrieproduktion. Deswegen ist jetzt ein guter Zeitpunkt, handelspolitische Impulse zu setzen, sich nicht abzuschotten und Zölle abzubauen“, sagte der Ökonom in Richtung Bundesregierung und EU.

Könnten einen Teil der Schäden durch US-Zölle kompensieren
Wie Handelsökonom Harald Oberhofer vorrechnete, würde das Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay das BIP-Wachstum Österreichs um 0,1 Prozent erhöhen. „Das mag zwar nach nicht viel klingen, setzt man es aber in das Verhältnis zu den Schäden, die die US-Zölle anrichten, kommt man zu dem Schluss, dass das Mercosur-Abkommen bis zur Hälfte davon kompensieren könnte.“

Wifo warnt vor „Mythen“ rund um das Abkommen
Wifo-Agrarökonom Franz Sinabell warnte davor, „Mythen“ um das Abkommen zu viel Raum zu geben: Etwa stimme es nicht, dass von einer starken Zunahme der Rindfleischimporte auszugehen sei, ebenso sei die Umweltsituation anders als von vielen vermutet in Südamerika nicht wesentlich schlechter als bei uns.

Fiskalratspräsident Christoph Badelt warb am Mittwoch ebenfalls für ein rot-weiß-rotes Ja. Österreichs Industrie leide unter den US-Zöllen und brauche dringend neue Absatzmärkte, sagte Badelt bei der Vorstellung des Produktivitätsberichts 2025, der „Anzeichen für eine Deindustrialisierung“ sieht. In der Produktion gingen seit zwei, drei Jahren Arbeitsplätze verloren. „Wir können uns einfach nicht erlauben, auf Mercosur zu verzichten“, sagte Badelt. Sein Eindruck sei, dass die österreichischen Politiker möchten, dass das Handelsabkommen beschlossen wird, aber ohne Ja aus Österreich. „Das Unangenehme dabei könnte sein, dass doch relevant ist, wie Österreich abstimmt.“

Fiskalratschef Christoph Badelt
Fiskalratschef Christoph Badelt(Bild: APA/Roland Schlager)

Österreich könnte zum Zünglein an der Waage werden
Es ist nach wie vor unsicher, ob das Handelsabkommen tatsächlich die notwendige Zustimmung finden wird. In Europa sind unter den großen Ländern Frankreich und Polen kritisch bis ablehnend. Fragezeichen gibt es auch hinter Belgien, den Niederlanden, Rumänien und Ungarn. Aufgrund der nach wie vor unklaren Verhältnisse – im Rat der EU braucht es eine qualifizierte Mehrheit – könnte Österreich bei den Abstimmungen also durchaus zum Zünglein an der Waage werden.

Um in Brüssel doch noch ein Ja zu geben, ist für Österreich allerdings ein neuer Beschluss im Ständigen EU-Unterausschuss im Parlament notwendig. 2019 hatte sich Österreich parlamentarisch dazu verpflichtet, gegen das Mercosur-Handelsabkommen in der EU zu stimmen. Die Zeit für einen möglichen neuen Beschluss drängt jedenfalls, weil der Rat den Vertrag noch vor dem 20. Dezember absegnen will.

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