Jahrelang kämpfte der deutsche DJ Levi Wijk aka Bunt. um Erfolge und Aufmerksamkeit. Vor zwei Jahren ging er durch die Decke und ist heute einer der gefragtesten seiner Zunft – den Wiener Gasometer füllt gleich dreimal bis oben hin. Wir haben mit dem 29-Jährigen über Karrierekurven, das Hochstapler-Syndrom und die Hamburger Electro-Götter Scooter gesprochen.
Im Alter von 15 Jahren entdeckt der junge Stuttgarter Levi Wijk im familiären Kinderzimmer die Swedish House Mafia – und plötzlich machte alles Sinn. Schon sein Vater war als DJ unterwegs, der Bub erkannte das Potenzial elektronischer Sounds auch. Er brachte sich selbst Programme und die Produktion bei, lud Songs auf verschiedenen Plattformen hoch und bekam mit 18 einen Vertrag bei Scooter-Label Kontor Records. Damals und Jahre darauf agiert er noch mit seinem besten Freund und Sidekick Nico Crispin. Als Bunt., den Namen wählte Levi für die Farbenfreude und Vielschichtigkeit seiner Songs, war er kurz vorm Karriereende, bis „Clouds“ in vor zwei Jahren in lichte Sphären schoss.
Mittlerweile wurde seine Songs knapp 400 Millionen Mal gestreamt, „Clouds“ nimmt dabei fast die Hälfte ein und der Song pulverisierte auch die renommierten „Billboard Electronic/Dance Chart“ in den USA. Seit zwei Jahren gehört Bunt. zu den populärsten DJs und tourt ohne Unterlass um die Welt. Drei ausverkaufte Abende en suite im Wiener Gasometer stehen nun an – das schaffen nur die wenigsten. Wie es so weit kommen konnte, was Levi auf dem Weg dorthin alles erleben und erdulden musste und warum ihm der große Erfolg alles andere als geheuer ist, das erzählt er uns im ausführlichen und sympathischen Gespräch.
„Krone“: Levi, deine Karriere kennt seit einigen Jahren nur mehr einen Weg – und zwar steil nach oben. Wie verarbeitest du diesen Hype, der dich gerade umweht?
Levi Wijk/Bunt.: Es fühlt sich alles sehr schnell an. Vor allem deshalb, weil ich das seit mehr als zehn Jahren mache und vor rund drei Jahren so einen Tiefpunkt im Leben hatte, wo es mit der Musik nach ein paar guten Jahren überhaupt nicht mehr lief. Ich arbeitete als Barkeeper, musste zurück in eine WG ziehen und habe beim Zustelldienst „Flink“ am Fahrrad Essen ausgeliefert. Ungefähr drei Monate später kam der Song „Clouds“ raus und mein Leben war plötzlich total verändert. Am Anfang lief auch das Touring noch nicht so gut, die Verkaufszahlen blieben hinter den Erwartungen. Mein Team hat mich beruhigt und meinte immer, das wird schon werden – nur ich hatte den Glauben nicht so ganz. Jetzt wird der Wiener Gasometer dreimal voll – das sind mehr als 10.000 Menschen – völlig absurd.
Richtig, da könnte man auch schon in die Wiener Stadthalle gehen.
Ich finde das immer surreal, denn bei jedem Konzert kann ich es kaum fassen, dass die Menschen spezifisch für mich Geld ausgeben. Wir sind ja nicht in einem Club oder auf einem Festival. Völlig verrückt.
Was hat das mit dir gemacht, dass der Erfolg dir gerade so einfährt?
Er hat mich auf jeden Fall in meinem Glauben bestätigt, weil ich selbst meine Musik immer toll fand, nur die anderen haben lange nicht damit räsoniert. Auf der anderen Seite fällt es mir immer noch schwer, das alles zu realisieren. So wie wir gerade innerhalb der letzten eineinhalb Jahre angezogen sind, passiert das bei anderen Künstlern in vier bis fünf Jahren.
Kommt mit dem Erfolg nun auch die Angst mit, dass es vielleicht auch wieder ein bisschen zurückgehen kann? Dass die Welle nicht ewig so zu reiten ist?
Das Gespräch hatte ich unlängst mit meinem Manager. Alles geht so schnell und irgendwie wartet man auf den Fehler in dieser Rechnung. Anfang des Jahres spielte ich eine Stadion-Show in Mexiko, wo mehr als 9000 Leute waren. Das war für mich unübertreffbar – dann waren in München 14.000. Irgendwann glaubst du wirklich, es gibt nur mehr weiter nach oben. Der Produzent von Max Giesinger hat mir im Studio gesagt, ich müsse mich darauf einstellen, dass ich irgendwann am Plateau stehen werde und dann damit zurechtkommen müsse. Wenn es jetzt schon so weit ist, dann ist es so. Es ist okay so, ich habe auch damit nie gerechnet.
Gibt es Dinge, die du selbst und dein Team mit dir tun können, um bei all dem Trubel nicht die Bodenhaftung zu verlieren? Findest du Wege, um dich selbst ins normale Leben zurückzuholen?
Wichtig ist, dass mein Freundeskreis immer derselbe geblieben ist. Natürlich kommen neue Leute dazu, viele, die man nicht kennt, wollen Teil deines Lebens werden, aber die Freunde, die ich heute aber, die waren schon vor zehn, 15 Jahren da. Die kenn mich als Levi und nicht als Bunt. Es ist für sie cool, dass ich auch Musik mache, aber es ist nicht der Grund, warum sie da sind. Dadurch habe ich immer noch Anschluss zu meinem alten Leben.
Tut es dir gut, diese verschiedenen Leben zu führen?
Bunt. ist eine Figur, in die ich länger nicht so ganz hineingewachsen bin. Ich bin auf der Bühne auch ich, aber nicht, dass ich, dass ich bin, wenn ich zu Hause in der Früh aufstehe, mir eine Smoothie-Bowl mache und einen Kaffee aufsetze. Ihr kennt mich von der anderen Seite, aber die Personen trennt nicht so viel.
Dein Künstlername Bunt. gibt dir auf jeden Fall viele Freiheiten. Du bist damit nicht einfach so festgezurrt, wie es andere mit ihren Namen sind.
Total und wir suchen immer neue Wege, wie wir Musik machen, uns präsentieren und live spielen können. Ich möchte immer abseits von allen anderen gehen. Viele Künstler wollen auf die Bühne, um ihr Konzept und eine abgefahrene Lichtshow zu präsentieren, für mich war es immer wichtig, dass ich mit den Leuten Kontakt habe. Ich will sie lächeln sehen, sie anfassen und mit ihnen interagieren. Dafür steht der Name Bunt.
Bleibt diese Nähe realistisch, wenn du als Künstler immer weiterwächst und die Berühmtheit ständig steigt?
Dann werden wir eben das ganze Konzept adaptieren. Einen Tisch in die Mitte des Raums zu stellen und dort den DJ machen, das funktioniert schon länger nicht mehr, weil die Räume dafür zu groß sind. Dann sagen Leute, sie wären auf dem Konzert gewesen, hätten aber nichts gesehen. In Mexiko hatte ich diese Art von Tisch auf einer Hebebühne, die auf und ab fuhr, da sieht dich dann auch der letzte ganz hinten noch. Trotzdem ist noch so viel Nähe da, dass du den Leuten nicht entschwindest. Mir ist es wichtig, die Gesichter bei einem Event wahrzunehmen – und die Emotionen.
Du hast eingangs von deinem Tief gesprochen, aber hast du immer an deine Musik geglaubt? Wolltest du sie vielleicht auch schon mal so adaptieren, dass sie einem gewissen Trend entspricht, um bemerkt zu werden?
Der Sound ist heute anders, aber der Zeitpunkt dafür war gut. Ich habe früher jahrelang auch recht uninspiriert Musik gemacht und vieles davon war tot produziert. Laptop auf, Sound einlegen und los – ich wusste, es muss mal anders werden, ich muss einen Switch in die Wege leiten.
Du hast viele Jahre mit deinem Jugendfreund Nico Crispin zusammengearbeitet, der das gemeinsame Projekt 2021 verließ. War das für dich der Beginn deiner richtigen Entfaltung?
Ich glaube ja. Also Nico und ich sind immer noch beste Freunde und er macht auf der Tour auch den Support für mich. Wir sind super eng miteinander, aber bei zwei Kreativköpfen ist es halt oft so, dass der eine was genial findet und der andere nicht – und umgekehrt. Dann tritt Unverständnis auf, weil die Geschmäcker und Ansichten verschieden sind. Jetzt haben wir beide die freie Wahl, wie unsere Musik klingen soll, wie eine Show gestaltet wird und ob man eine Band dazu einbauen will oder nicht. Mir hat der Split extrem geholfen und ich wäre sicher auch nicht an dem Punkt, wenn wir das nicht durchgezogen hätten.
Solche Entscheidungen zu treffen, ist ziemlich erwachsen. Hat dich die Musik über die letzten Jahre zu einem reifen, erwachsenen Menschen gemacht?
Am Anfang war der Tisch in der Mitte und der Rest passte schon so. Am Anfang ist immer alles neu, aber du musst mit der Herausforderung wachsen. Adaptieren, verändern, erweitern – und entscheiden. Wir haben mittlerweile einen sehr sachlichen Zugang dazu, wie Shows funktionieren sollen, aber das ist in dieser Größe wichtig. Ich weiß auch, wie Marketing funktioniert – all das gehört zum Wachsen dazu.
Musik war für dich immer ein Safe Space. Eine Möglichkeit, Spaß zu haben und dich aus dem Alltag zu beamen. Mittlerweile zahlen viele Leute auch viel Geld, um dich live zu sehen. Bleibt bei der Verantwortung noch Platz für Spaß?
Ich leide sowieso am Hochstapler-Syndrom und kann nicht nachvollziehen, warum mir so viele gute Dinge passieren. Auf der Tour spiele ich anders als auf Festivals. Da gibt es zu jedem Song ein spezielles Intro, vielleicht auch mal mit Gedichten von Spoken-Word-Poetry-Wettbewerben. Ich probiere einfach Dinge aus und hoffe, die Leute freuen sich darüber. Meist war das Feedback am Ende super, aber ich bin extrem selbstkritisch. Ich gehe davon aus, dass jemand nur einmal kommt und dann nicht wieder. Dieses Gefühl ist schwierig zu beschreiben.
Ist eine bestimmte Art von Druck, den du dir machst, vielleicht sogar gut?
Ja, dass man Dinge nicht zu sehr schleifen lässt. Ich will immer noch einen draufsetzen und etwas anders machen. Würde ich zweimal in Folge mit dem gleichen Setting auf Tour gehen, dann wäre der Drive nicht mehr so da.
Du machst auch nicht erst seit gestern Musik – fällt es dir immer noch leicht, dich selbst zu überraschen?
Meine Lieder haben mittlerweile sicher einen Signature Sound und klingen in sich gesehen ziemlich ähnlich. Die Menschen da draußen nehmen das wahrscheinlich anders wahr, denn sie hören ja nicht nur meine Musik. Da läuft mal Drake, dann die Sportis und dann vielleicht Bunt. Ich bin bei meinem Sound in einem Tunnel.
Du hast als Künstler schon sehr viel von der Welt gesehen. Was hast du da an Eindrücken, Lehren oder Inspirationen alles mitgenommen?
In den USA muss man ganz anders spielen, als in Deutschland oder Österreich. Dort läuft der Dubstep noch immer sehr gut, bei uns geht eher klassischer Techno. Manche Tracks gehen hier und dann dort nicht, das ist schon interessant. Man fliegt über den großen Teich und plötzlich ist alles anders - das verwundert mich jedes Mal aufs Neue. In Mexiko zum Beispiel feiern die Leute gerne. Da werden die harten Tracks gewünscht und Melancholie hat nicht so viel Platz. Das muss man anfangs auch erst lernen und da fällt man schon auch mal auf die Schnauze.
Fühlst du dich in all diesen elektronischen Subgenres gleichermaßen wohl?
Ich will, dass die Leute immer was geboten bekommen, dass es einen Spannungsbogen gibt. Drei Nummern gemütlich und emotional, dann kommt ein Drop und dann ist mal drei Tracks lang Party angesagt. Ich will den Menschen jede Emotion anbieten. Sie sollen ausrasten können, es dürfen aber auch Tränen fließen. Am Ende der Show hat man am besten alle Gefühlslagen durchlebt.
Was ist dir beim Songs basteln und Sound machen am wichtigsten?
Es muss bei jedem Text eine Line vorhanden sein, die man sich tätowieren möchte, ansonsten hat der Song für mich persönlich zu wenig Wert. Ich habe einen hohen Eigenanspruch und eine gute Spotify-Statistik reicht mir nicht. Viele Fans interessiert das gar nicht. Die lieben den Rhythmus und damit den Song und fertig. In meinem Song „Peace In Silence“ geht es etwa darum, dass die Familie das Wichtigste im Leben ist. Das haben sich viele Menschen tätowiert. Das ist meine Idealversion: Dass die Leute aus einem Liede etwa so mitnehmen, dass sie es verewigen wollen.
Was macht das mit dir, wenn du auf Fans triffst, die Songtitel oder Textzeilen von dir für immer auf ihren Körpern verewigt haben?
Das ist schon absurd. Anfangs nimmt man einen Song, sitzt in seiner dunklen Zimmerecke, mit Kopfhörern am Schädel und denkt sich vielleicht „ja, das klingt ganz gut“. Einige Zeit später bedeutet das für jemand anderen die Welt und er verewigt sich das für immer auf seinem Körper. Das ist schon ein Statement.
Ein viertes Mal Gasometer Wien live wäre auch möglich gewesen?
Vielleicht, aber so viel Platz war da nicht mehr – dann geht man halt weiter. München, ist gar nicht so weit entfernt. (lacht) Ich bin ja sowieso der Meinung, Wien toppt alles, auch wenn ich zum Beispiel Hamburg irrsinnig schätze.
Im Sommer bist du beim Frequency in St. Pölten aufgetreten. Mit deutschen Electro-Größen aus anderen Sphären: Brutalismus 3000 und Scooter zum Beispiel. Wie findest du denn H.P. Baxxter?
Ich schätze die Kunst von Brutalismus 3000, bin selbst aber mehr der kommerzielle Typ. Von Scooter kenne ich ungefähr zwei Songs, aber ich mag den Typ H.P. Allein schon wie er aussieht und auftritt, der zieht einfach sein Ding durch. Immer diese blonden Haare, die Ohrringe – das ist einfach ikonisch. Meine Mutter kennt und liebt Scooter. Jemand, der Scooter nicht mag, der hat ein Problem mit sich selbst.
Dreimal im Wiener Gasometer
Bunt. aka Levi Wijk spielt von heute, 18. November bis Donnerstag, 20. November, dreimal hintereinander im Wiener Gasometer. Alle drei Konzerte sind restlos ausverkauft. Ein Wiedersehen in absehbarer Zukunft ist aber wohl realistisch.
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