Schon einmal ist die türkis-blaue Regierung mit einem Kopftuchverbot am Verfassungsgerichtshof gescheitert – doch das hält sie nicht davon ab, einen neuen Anlauf zu wagen. Diesmal soll das Verbot für Mädchen bis zur achten Schulstufe gelten, doch die Kritik ist vernichtend: Ausgerechnet das Justizministerium bezweifelt die Verfassungskonformität des Gesetzesentwurfs der eigenen Regierung.
Das Justizministerium übt scharfe Kritik am geplanten Kopftuchverbot für Mädchen bis zur achten Schulstufe. Neben Religionsvertretern und roten Lehrervertretern zweifelt nun auch das eigene Regierungsressort an der Verfassungskonformität des Entwurfs.
VfGH hatte bereits 2020 gekippt
Bereits 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof ein unter Schwarz-Blau beschlossenes Kopftuchverbot in der Volksschule aufgehoben, weil eine nur auf Muslime abzielende Regelung dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates widerspreche. Laut Justizministerium droht dem neuen Entwurf dasselbe Schicksal. Nötig wäre eine geschlechts- und religionsneutrale Formulierung. „Ansonsten läuft der Entwurf wiederum Gefahr, am Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B-VG zu scheitern.“
Unklarer Begriff, fehlende Daten
Der Entwurf versuche zwar, auf die VfGH-Bedenken einzugehen, indem das Kopftuch nur als Ausdruck einer „ehrkulturellen Verhaltenspflicht“ verboten wird. Was dieser Begriff bedeuten soll, werde jedoch weder im Gesetzestext noch in den Erläuterungen klar definiert – der Vollzug wäre dementsprechend schwierig. Zudem fehlen in der Wirkungsfolgenabschätzung gesicherte Zahlen der Betroffenen, und es gab offenbar keine Konsultationen mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen.
Das Ministerium kritisiert auch, dass als „Zielzustand“ angegeben wird, dass künftig keine Mädchen ein Kopftuch nach islamischer Tradition tragen sollen – „und nicht etwa: Diskriminierung oder Kindeswohlverletzungen hintanzustellen bzw. zu vermeiden“. Der Gesetzestext sei zudem keine ausreichende Grundlage für Verwaltungsstrafen bis 1000 Euro.
IGGÖ warnt vor Diskriminierung
Die Islamische Glaubensgemeinschaft sieht in der Regelung einen Widerspruch zu verfassungsmenschenrechtlichen Garantien der Religionsfreiheit, Gleichbehandlung und des Elternrechts auf religiöse Erziehung. Die Regelung diskriminiere eine bestimmte Bevölkerungsgruppe und schütze weder das Kindeswohl noch fördere sie die Selbstbestimmung von Mädchen. Stattdessen würden religiös bekleidete Schülerinnen faktisch aus dem regulären Unterricht ausgeschlossen.
Die Alevitische Glaubensgemeinschaft warnt, dass sowohl Kopftuchverbot als auch -pflicht zu gesellschaftlichen Gegenbewegungen führen und fundamentalistische Tendenzen bestärken können. In der Praxis bringe das Verbot ein Risiko von Missverständnissen, Stigmatisierung und Vertrauensverlust.
„Staatlicher Zwang stärkt keine Selbstbestimmung“
Auch die Arbeiterkammer kritisiert: Im Kern bleibe ein selektives Verbot von Kopftüchern, das ausschließlich muslimische Mädchen betreffe. „Die neue Zielsetzung ändert nichts am grundlegenden Problem: Staatlicher Zwang ist kein geeignetes Mittel, um Selbstbestimmung zu stärken – und bleibt damit weiterhin unverhältnismäßig.“
Insgesamt wurden bisher über 400 Stellungnahmen abgegeben. Institutionen wie die Evangelische Kirche, die Gleichbehandlungsanwaltschaft und SPÖ-nahe Lehrervertreter befürchten Diskriminierung. Die Pflichtschullehrergewerkschaft begrüßt die Zielsetzung grundsätzlich, warnt aber vor „zusätzlichen Belastungen“ für Schulen.
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