„Krone“ zum neuen Werk

Taylor Swift: Das Zirkuspferd hat eher wenig PS

Musik
03.10.2025 17:00

Mit ihrem zwölften Studioalbum „The Life Of A Showgirl“ geht Pop-Königin Taylor Swift kommerziell durch alle Decken – künstlerisch beruft sie sich auf ihre Pop-Phase der 2010er-Jahre und holte für die Produktion alte Bekannte an Bord. Das ergibt ein gutes, aber keinesfalls phänomenales Album mit Themen, die sich aus den letzten eineinhalb Jahren ihres Lebens zusammensetzen. 

kmm

So gut wie die ganze Welt sah Taylor Swift im Zuge ihrer „Eras“-Tour über die letzten Jahre rund drei Stunden pro Abend glitzern und schimmern. Fast alle, außer die Österreicher. Die wegen Terrorgefahr abgesagten Gigs im Wiener Happel-Stadion wurden zum Leidwesen Abertausender heimischer Swifties nicht nachgeholt und nach Ankündigung des neuen Studioalbums „The Life Of A Showgirl“ brodelte die Gerüchteküche heiß, ob die stets persönlich textende Künstlerin diesen tragischen Absagen nicht ein Lied widmen würde. Der erste Höreindruck der zwölf neuen Songs beantwortet die Frage klar mit einem „nein“. Enttäuschung ist für Swift-Fans aber ohnehin keine Emotionsregung – wenn der größte Popstar der Welt neue Musik in den Orbit schießt, dann werden nicht nur Texte bis ins kleinste Detail seziert und Vergleiche mit älterem Material angestellt, man begegnet der Kunst für gewohnt auch demütig und vorurteilsfrei. Das könnte man einerseits als kritiklose Schwäche sehen, zeigt andererseits aber auch, dass in einer Welt voller Hass, Neid und Missgunst durchaus noch Liebe, Zusammenhalt und Gemeinschaft bestehen können.

Zurück zu alten Pop-Stärken
Die kunterbunte Liveshow der „Eras“-Tour hat den weiblichen Workaholic offenbar nicht ausreichend herausgefordert, deshalb ruhte Swift sich während des europäischen Live-Legs nicht in ihren noblen Hotel-Suiten aus, sondern nützte die Zeit, um mit ihrem Privatjet immer wieder nach Stockholm zu fliegen, um mit den Pop-Kommerz-Produzenten Max Martin und Shellback die neuen Songs für dieses Album zusammenzustellen. Nachdem sie zehn Jahre lang mit Jack Antonoff und zuletzt auch vermehrt mit Aaron Dessner von The National zusammengearbeitet hatte, bedeutet dies eine Rückkehr zu alten Erfolgssphären. Mit den beiden Hit-Produzenten hat Swift zuletzt für „1989“ (2014) und „Reputation“ (2017) zusammengearbeitet - jene Alben, mit denen sie sich von ihrer Country-Vergangenheit löste und den Sprung zur Kaiserin im Pop-Himmel schaffte. Dass sie danach eher Lust auf Lagerfeuerromantik („Folklore“, „Evermore“) oder melancholischen Düster-Pop („Midnights“, „The Tortured Poets Department“) hatte, verschaffte ihr bei Fans und Kritikern endgültig den Ruf, alles zu Gold machen zu können, was sie mit ihren magischen Fingern berührt.

Ihr zwölftes Album „The Life Of A Showgirl“ ist das kürzeste seit ihrem Debüt: Taylor Swift hat ...
Ihr zwölftes Album „The Life Of A Showgirl“ ist das kürzeste seit ihrem Debüt: Taylor Swift hat während der „Eras“-Tour daran geschrieben.(Bild: Krone KREATIV/Universal Music)

Dass Swift mit diesem unglaublichen Arbeitsethos dann auch noch mühelos große Hits zusammenbringt, ist eine Sensation für sich. Wie schon das Albumcover und erste Promobilder für „The Life Of A Showgirl“ angedeutet haben, inszeniert sich die 35-Jährige besonders glamourös – eben genau so, wie sie sich auf ihrer üppigen Tour präsentierte. Martin und Shellback ummantelten die Texte der Künstlerin mit zeitgemäßem Pop, der mit beiden Augen starr auf den Chartthron schielt und nichts dem Zufall überlässt. Smoothe Pop-Grooves („The Fate Of Ophelia“), nach vorne treibende Hit-Melodien („The Life Of A Showgirl”) und sanfte Piano-Balladen („Eldest Daughter“) wechseln sich in unregelmäßigen Abständen ab und schwimmen sicher und behutsam im bekannten kompositorischen Teich Swifts, ohne aber für große Überraschungen zu sorgen oder neue Facetten im Œuvre der Künstlerin zu zeigen, wie sie es für gewöhnlich schätzt und exerziert. Zusammengerechnet klingt das zwölfte Studioalbum zuweilen wie eine versuchte Best-of seit Anbeginn ihrer Pop-Regentschaft und wirkt so, als hätte sie die Liebe zum funkelnden Glitzer wiederentdeckt.

Anlehnung an die Popkultur
Viele Songs auf dem Album sind für den erklärten Musikfreak Swift eine Möglichkeit, ihren Idolen zu huldigen. Der Opener „The Fate Of Ophelia“ erinnert zuweilen an Fleetwood Mac, „Elizabeth Taylor“ ist eine Verneigung vor der von ihr verehrten Schauspielikone und „Father Figure“ trägt nicht zufällig denselben Titel wie George Michaels Song von seinem 1987er-Werk „Faith“ – wiewohl sie inhaltlich in eine ganz andere Richtung geht. Der Track ist eine bittersüße Abrechnung mit ihrem ehemaligen Mentor und Labelchef Scott Borchetta (Big Machine Records), der sich später an ihr bereichern wollte, aber nicht mit der erfolgreichen Gegenwehr Swifts rechnete – augenzwinkernd dringt im Song durch, sie habe möglicherweise die erste Schlacht verloren, nicht aber den Krieg. Textlich zieht sie wieder öfters Querverweise zu früheren Themen aus dem Swift-Universum, zeigt sich sarkastisch, zynisch und zuweilen auch abrechnend - in vielen Songs floriert aber auch das Liebesglück mit Footballer Travis Kelce, mit dem sich Swift Mitte August verlobt hat und der wiederholt in den Texten der Sängerin vorkommt.

Am deutlichsten wahrscheinlich im sexuell aufgeladenen „Wood“, wo sie mit Ausdrücken wie „magic wand“, „hard rock“ oder „redwood tree“ wohl vom Gemächt ihres Angetrauten schwärmt und damit einen expliziten Einblick in ihren hormonell aufgeladenen Gedankenkosmos gibt. „Opalite“ könnte sich um den Geburtsstein Kelces, den Opal, handeln und im flotten „Wi$h Li$t“ besingt Swift die Wünsche einer Mittdreißigerin, die an den klassischen „American Dream“ in einer ruhigen Vorstadt erinnern: Kinder und ein schönes Familienleben wären nett. Die Bescheidenheit nimmt man dem auf 1,6 Milliarden US-Dollar Besitz geschätzten Popstar aber nicht so einfach ab – wohl aber die Sehnsucht danach, hinter all dem Glitzer und Glamour ihres Lebens ein ruhiges, standfestes und möglichst normales Leben führen zu wollen. Das von einigen Fans in Richtung Wien-Konzerte deutende „CANCELLED!“ geht in eine ganz andere Richtung und beruft sich auf Kanye West und Kim Kardashian. Eine Retourkutsche an Charlie XCX’s Diss-Track „Sympathy Is A Knife” scheint das mit einem 90er-Grunge-Riff einleitende „Actually Romantic“ zu sein – wer genau hinhört, könnte sich auch an die Pixies erinnert fühlen.

Vorsprung vergrößert
Taylor Swift war zeit ihrer Karriere immer um Innovation und Fortschritt bemüht, kann dieses an sich selbst gegebene Versprechen aber hier nicht einhalten. Die Eindrücke, die sie in den letzten eineinhalb Jahren auf Tour und im Privatleben gewonnen hat, werden mit etwas Nostalgie und Wunschdenken vermengt, aber den großen Sprung in eine nächste Ära bleibt sie den Fans damit schuldig. Das derzeit größte Show-Zirkuspferd gibt vor allem treu ergebenen Swifties wieder zig Möglichkeiten, mit mathematischen Formeln und Kreuzverweisen zu älteren Werken das ewige Puzzle ihres öffentlichen Lebens zusammenzusetzen. Bei Taylor Swift lernt man viel über das Wesen und die Tücken der Liebe, über die American-Pop-Culture und über den zuweilen schwierigen Spagat zwischen öffentlichem Glamour-Girl und privatem Mädchen auf der Suche nach dem Lebensglück. Trotz kurzweiliger Songs und cooler Charthits, fehlt es aber an zwingenden Aha-Momenten. Bei einem Album, das schon vor der Veröffentlichung auf Spotify fünf Millionen Mal vorgespeichert wurde und damit einen neuen Rekord aufstellte, ist das am Ende aber auch ziemlich egal. Mit „The Life Of A Showgirl“ vergrößert sie ihren Vorsprung als Pop-Queen auf die Konkurrenz um ein Vielfaches.

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