Strafe für IS-Braut

Maria G.: „Bin sehr dankbar, wieder hier zu sein“

Gericht
01.10.2025 12:57

Versteckt in der Kapuze ihres Pullovers saß Maria G. (28) am Mittwoch im vollen Schwurgerichtssaal des Landesgerichtes Salzburg. Elf Jahre nach ihrer Reise nach Syrien, um sich den Terroristen des sogenannten Islamischen Staates anzuschließen, legte die Halleinerin ein Geständnis ab. Und sagte nur: „Es tut mir leid. Es war ein riesengroßer Fehler.“ Das Urteil: zwei Jahre Haft auf Bewährung samt einer Reihe von Weisungen.

Mit den Worten „gut oder böse, schwarz oder weiß“ begann der erste Staatsanwalt Marcus Neher auf eher ungewöhnliche Weise sein Plädoyer im größten Verhandlungssaal des Salzburger Justizgebäudes. Er sprach von Verantwortung, die uns alle betrifft. Und einem „fairen Verfahren ohne soziale Ächtung“.

Denn: „Im modernen Strafverfahren geht es nicht um Rache, sondern darum, jemanden, der eine falsche Entscheidung getroffen hat, wieder in die Gesellschaft zu integrieren.“ Maria G. hatte Ende Juni 2014 eine solche falsche Entscheidung getroffen: Die Halleinerin kaufte sich als damals 17-Jährige ein Flugticket nach Syrien. Einen Tag später, als sie zu Fuß durch ein Loch im Grenzzaun das Bürgerkriegsland erreichte, rief der sich selbst so ernannte „Islamische Staat“ ein Kalifat aus.

„Sie hat in erster Linie sich selbst und ihren Angehörigen Schaden zugefügt“, betont Neher und benennt nach einer kurzen geschichtlichen Zusammenfassung die strafrechtlichen Vorwürfe: Teilnahme an einer kriminellen Organisation, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung als Mitglied. 

Maria G. vor dem Schöffensenat im Schwurgerichtssaal des Salzburger Landesgerichtes
Maria G. vor dem Schöffensenat im Schwurgerichtssaal des Salzburger Landesgerichtes(Bild: Tröster Andreas)
Staatsanwalt Marcus Neher
Staatsanwalt Marcus Neher(Bild: Tröster Andreas)

Die schleichende Radikalisierung
Maria G. hatte sich davor radikalisiert. Durch ein dramatisches Erlebnis plagten sie Panikattacken. Ihre jugendliche Orientierungslosigkeit gepaart mit den psychischen Schwierigkeiten ließ das Interesse am Islam steigen. 2012 hatte sie sich in einen Somalier verliebt, sie fühlte sich in seiner Familie wohl, erzählt Neher: „Und sie begann sich in den sozialen Medien zu informieren und stieß auf salafistische Inhalte.“

Im Dezember 2013 nahm sie den Islam als Religion an, begann ein Kopftuch zu tragen. Doch dann kam es zum Bruch und zur Trennung mit dem damaligen Freund, weil ihre Ansichten radikaler, fundamentaler wurden. Neher: „Er hatte kein Interesse, Österreich zu verlassen.“ Nur wenige Tage bevor sie nach Syrien reiste, heiratete sie einen bereits verheirateten deutschen IS-Kämpfer via Skype, lebte mit ihm aber nur eineinhalb Monate in einer vom „IS“ regierten Region. Die zweite Ehe folgte, weil sie einen Vormund brauchte. Mit dem zweiten Ehemann, einem verwundeten IS-Kämpfer, zeugte sie zwei Buben.

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Es tut mir leid. Die Kinder haben so viel erlebt, dass wir dankbar sind, wieder hier in Österreich sein zu dürfen. Ich hoffe, dass Sie mir eine zweite Chance geben können.

Maria G. bei ihrem Prozess in Salzburg

Nach dem Zusammenbruch der Terrororganisation im Jahre 2019 begann eine sechs Jahre andauernde Zeit der Internierung: in einem Lager mit Zehntausenden anderen Frauen und Kindern. Hunger, Krankheit, Angst regierten dort. Neher unterstreicht: „Es war eine tägliche Angst um die Kinder, tagtäglich.“

Lange kämpften die Eltern der Halleinerin um die Rückkehr ihrer Tochter mit den Kindern. Als „Kampf gegen politische Windmühlen“ bezeichnete dies Verteidigerin Doris Hawelka. 2024 entschied das Bundesverwaltungsgericht im Sinne einer Rückkehr, am 1. März 2025 landete Maria G. mit ihren Kindern in Österreich. Hawelka betont: „Das Leben in Syrien hatte sie sich anders vorgestellt. Es ist eine Gefangenschaft für Frauen.“ Und die Zeit im Internierungslager sei „die schwerwiegendste Strafe gewesen“. 

Verteidigerin Doris Hawelka
Verteidigerin Doris Hawelka(Bild: Tröster Andreas)

Mittlerweile hat Maria G. ein neues Leben begonnen: Im Juni begann sie zu arbeiten, vorerst geringfügig. Sie macht Therapie, nutzt die Bewährungshilfe und besucht ein Deradikalisierungsprogramm. „Dadurch will sie ein normales Leben leben“, so Hawelka. Selbst äußert sich Maria G. beim Prozess nur kurz: „Ich bin vollkommen geständig. Ich habe viel über die damalige Ausreise nachgedacht und kann mir das heute gar nicht mehr vorstellen. Es tut mir leid. Die Kinder haben so viel erlebt, dass wir dankbar sind, wieder hier in Österreich sein zu dürfen. Ich hoffe, dass sie mir eine zweite Chance geben können.“ Über die Unterstützung sei sie dankbar und froh: „Ich habe selbst gemerkt, wie hilfreich das ist für mein neues Leben.“

20 Stunden lang verhört
Kurz vor der Urteilsverkündung geht Neher auf die Ermittlungen ein: 20 Stunden lang sei die einstige IS-Braut verhört worden. „Man hat weiter gesucht, aber nichts gefunden, was die Angeklagte belasten könnte“, betont der Ankläger und sagt kurz vor der Urteilsverkündung noch, dass es eine Strafe braucht – nicht für Maria G., aber aus generalpräventiven Gründen. „Wer sich mit so einer Organisation einlässt, dem muss klar sein, dass es ein One-Way-Ticket ist.“

Das bereits rechtskräftige Urteil wurde etwas mehr als zwei Stunden nach Prozessbeginn verkündet: zwei Jahre Haft auf Bewährung. 

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