Russland hat zuletzt mehrfach den Luftraum von NATO-Staaten verletzt. Analysten und Politiker wundern sich über die zaghaften Reaktionen darauf. Erste Stimmen fordern den konsequenten „Abschuss“ von russischen Eindringlingen – ansonsten würden noch heiklere Szenarien drohen.
„Entweder schießen wir russische Flugzeuge und Drohnen ab, die unseren Luftraum verletzen oder wir ergreifen andere Konsequenzen wie z.B. das Stornieren russischer Diplomatenvisa oder das Stoppen von Schiffen der Schattenflotte“, erklärte der renommierte Sicherheitsexperte Nico Lange in einem Posting auf der Plattform X.
Lasche Antworten auf Provokationen würden noch heiklere Szenarien bedingen: „Bleiben russische Verletzungen unseres Luftraums weiter ohne konkrete Konsequenzen, wird Putin die Grauzone ständig erweitern und die Gefahren für uns stetig erhöhen.“
Deutscher Politiker ebenfalls für Abschuss
Mittlerweile fordern auch offizielle Stimmen ein härteres Vorgehen. Der deutsche CDU-Politiker Roderich Kiesewetter, Ex-Oberst und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, wurde ähnlich deutlich: „Nach der schwächlichen Reaktion bislang auf die russische Aggression gegen uns darf es nicht verwundern, wenn RUS weiter angreift und unsere Reaktion testet.“
Diese Karte soll die Flugroute der russischen Kampfjets zeigen:
Beobachtungsmissionen müssten „endlich“ zu Verteidigungsmissionen werden: „Verletzungen werden robust beantwortet. Ende des Testens, weil konsequent abgeschossen wird, so wie dies die Türkei 2015 bei einer Verletzung durch RUS tat! Danach gab es keinerlei russische Luftraumverletzungen mehr, weil RUS Stärke und Konsequenz versteht.“ Der Kreml eskaliere, damit der Westen deeskaliere.
Kiesewetter gilt als besonders standfester Verbündeter der Ukraine. Seine Ansichten sind auch innerhalb der CDU umstrittenen. In seinem Beispiel bezieht er sich auf einen Fall aus dem Jahr 2015. Damals holte die türkische Luftwaffe ein russisches Kampfflugzeug vom Typ SU 24 im türkisch-syrischen Grenzgebiet vom Himmel. Und zwar schon 17 Sekunden nach Eintritt in den türkischen Luftraum. Der Pilot überlebte den Absturz, wurde aber anschließend am Boden von Islamisten getötet.
Der Vorfall sorgte für eine diplomatische Eiszeit zwischen Ankara und dem Kreml. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drückte kurz darauf gegenüber Moskau sein „tiefes Bedauern über das Vorgefallene“ aus, gegenüber der Familie des Piloten sprach er eine offizielle Entschuldigung aus, was im Kreml als diplomatischer Sieg gewertet wurde. Weitere Luftraumverletzungen blieben aber aus.
Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen unterdessen bei ihrem Treffen am 1. Oktober in Kopenhagen über eine „kollektive Antwort“ auf die Verletzung des europäischen Luftraums durch Russland beraten. Das kündigte EU-Ratspräsident António Costa an. Auch in Österreich sorgten die jüngsten russischen Provokationen über Estland für Aufsehen.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) sprach gegenüber der „Krone“ von einer „gravierenden Sache“. „Offensichtlich versucht Russland, die europäischen Infrastrukturen und Alarmketten zu testen. Das sind gezielte Provokationen, die auf das Schärfste zurückzuweisen sind“, so Tanner.
Einmal mehr zeige sich, „dass die europäischen Staaten rasch und intensiv an ihrer Verteidigungsfähigkeit arbeiten müssen“. Unverzichtbarer Teil dieser Bemühungen sei der Raketenschutzschirm Skyshield. Hier werde man mehr Tempo machen, betonte die Ministerin.
Minutenlange Luftraumverletzung
Zur Erinnerung: Nach estnischen Armeeangaben waren am Freitag drei Kampfjets vom Typ MIG-31 in der Früh nahe der Ostsee-Insel Vaindloo unerlaubt in Estlands Luftraum eingedrungen und hatten sich insgesamt zwölf Minuten darin aufgehalten. Die Kampfflugzeuge hätten die Bohrplattform Petrobaltic in einer Flughöhe von 150 Metern angeflogen, schrieb auch die Sprecherin des polnischen Innenministeriums später auf X.
Die NATO reagierte sofort, Kampfjets der italienischen Luftwaffe fingen die russischen Flugzeuge ab. Während Estland Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags beantragte, bestritt Moskau den Vorfall.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.