Hassposter verurteilt

Als Amokläufer bezichtigt: „War in Schockstarre“

Steiermark
20.09.2025 06:00

Nach dem Schul-Amoklauf in Graz wurde ein junger Mann aus der Südsteiermark wegen Namens-Ähnlichkeit in sozialen Medien zu Unrecht als Täter gebrandmarkt. Der 23-Jährige geht mit Klagen gegen die Hassposter vor. Einer davon stand nun in Graz vor Gericht und sorgte mit seiner Uneinsichtigkeit für Kopfschütteln.

Der Fall des in der Südsteiermark lebenden Armeniers Artur A. (Foto oben), der nach dem Amoklauf am Grazer BORG Dreierschützengasse wegen einer Namens-Ähnlichkeit zu Unrecht als Täter dargestellt wurde, zeigt, was unüberlegtes Posten und Teilen in sozialen Medien anrichten kann. Wie berichtet, wehrt sich der 23-Jährige nun mit Klagen gegen Verfasser der Hasspostings.

Nach ersten Prozessen in Eisenstadt und Wien stand am Freitag in Graz ein 63-Jähriger wegen übler Nachrede vor Gericht. Er veröffentlichte auf seinem Facebook-Profil den Namen des jungen Mannes als vermeintlichen Amokläufer. „Nicht schuldig, logisch!“, zeigt sich der Grazer vor Richter Christoph Lichtenberg völlig uneinsichtig. Er sei angefressen gewesen, weil kein Medium geschrieben habe, wer der Attentäter ist.

„Wollte nur den toten Täter nennen“
Dann habe er selbst gegoogelt und sei auf diesen Namen gestoßen. „Fakt ist aber, er war nicht der Täter. Sie haben ihn mit Ihrem Posting des mehrfachen Mordes beschuldigt!“, so der Richter. „Ich wusste ja gar nicht, dass der existiert. Ich wollte nur den toten Täter nennen“, wehrt sich der mehrfach vorbestrafte Mann. „Was kann ich dafür, wenn irgendwelche Idioten den falschen Namen posten?“, versucht sich der Arbeitslose weiter herauszureden. „Sie haben genau das Gleiche gemacht!“, schüttelt der Richter den Kopf. 

Zitat Icon

Fakt ist, er war nicht der Täter. Sie haben ihn mit Ihrem Posting des mehrfachen Mordes beschuldigt!

Richter Christoph Lichtenberg

„Es verfolgt mich heute noch“
Artur A., der sich nach dem Aufkommen der Vorwürfe in einem ergreifenden Online-Video an die Öffentlichkeit gewandt hatte, schilderte vor Gericht erneut, dass er Tausende Hassnachrichten und Drohungen bekam. Aus Angst nächtigten er und seine Eltern einige Tage lang bei Bekannten. „Ich war in Schockstarre, habe nächtelang nicht schlafen können, es verfolgt mich heute noch“, sagt der 23-Jährige.

Erst vor zwei Wochen habe der leidenschaftliche Fußballer bei einem Spiel für seine Mannschaft das entscheidende Tor geschossen – „dann haben Leute von der Tribüne gerufen und mich als Amokläufer bezeichnet“, schildert der junge Mann, wie die Diffamierung noch immer nachwirkt.

„Die Sache ist völlig eindeutig und Ihre Haltung dazu – diplomatisch gesagt – irritierend“, sagt der Richter zum Angeklagten und setzt nach: „Es ist mir völlig unverständlich, wie man nach so einer Tragödie so verbissen sein kann, und unbedingt den Namen des Täters posten will. Mir fehlen die Worte.“

„Ich kann das Urteil nicht annehmen“
Wegen übler Nachrede wird der Grazer zu 720 Euro Geldstrafe (angesichts seiner finanziellen Lage die Mindeststrafe), 5000 Euro Entschädigungszahlung an das Opfer sowie Veröffentlichung des Urteils auf seinem Facebook-Profil verurteilt. „Mein Gewissen lässt das nicht zu, ich kann das Urteil nicht annehmen“, sagt der Angeklagte abschließend und legt Berufung ein. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.

In den nächsten Wochen folgen weitere Prozesse. Insgesamt geht Artur A., vertreten von Rechtsanwalt Michael Rami, in rund 30 Fällen gegen Hassposter vor. 

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