„Krone“-Interview

Anda Morts: „Bin froh, wenn mich keiner erkennt“

Musik
18.09.2025 09:00

Hinter Anda Morts steckt zum einen Andreas Schneider, zum anderen er mit zwei Bandkollegen. Das offizielle Debütalbum „ANS“ ist zur Hälfte eine Solo- und zur anderen Hälfte eine Bandplatte. Mit dem punkigen Slacker-Lo-Fi-Sound füllt er schon seit zwei Jahren die heimischen und deutschen Hallen und die Herzen der Fans. Im großen „Krone“-Talk gibt er auch Einblicke in seine politische, humanistische und heimatliche Seelenwelt.

kmm

„Krone“: Anda, du hast etwa die Hälfte deines Debütalbums „ANS“ selbst eingespielt und die andere Hälfte mit deinen zwei Bandkollegen. Wie haben sich die Herangehensweisen voneinander unterschieden?
Anda Morts: 
Beide Teile befinden sich in derselben Sphäre, nur produktionstechnisch haben wir uns aufgeteilt. Wir wurden auf Tour oft darauf angesprochen, dass unser Sound als Band so geil sei und wir diesen Klang auch auf die Platte projizieren sollten, das hat uns dahingehend bestärkt. Daheim im Schlafzimmer habe ich aber nur „Bett“ aufgenommen, der Rest der Songs war daheim nur als Demos gefertigt, mit denen ich dann ins Studio bin, um sie mischen zu lassen. „Freitag“ entstand dort als letzter Song, weil wir davor nur elf Lieder hatten und es nur noch vier Tage bis zur fertigen Abgabe waren. Wir haben nur herumgeblödelt, aber dann stand der Text in einer Stunde, wir nahmen auf und fertig.

Sind die Songs auf deinem Debüt nicht schon länger fertig, oder hast du sie alle sehr frisch geschrieben?
„Arbeit“ und „Nikotin“ sind ganz alte Nummern. Wir haben während des Schreibens der neueren Nummern gedacht, dass sie eigentlich gut dazu passen und deshalb mitgenommen. Ich habe sie damals mit unserem Gitarristen Emil geschrieben, als es die Band Anda Morts so noch gar nicht gab – in einer Session mit dem älteren Lied „Leere Flaschen“.

Wirst du auch in Zukunft ein Album als Solo- und als Bandprojekt aufteilen, oder hat sich das hier jetzt einfach mal so ergeben?
Ich will mich da nicht festlegen. Wenn ich in der Früh aufstehe, möchte ich den Tag auf mich zukommen lassen und einfach schauen, was die Kreativität so bringt. Das ist auch für niemandem ein Nachteil, weil man sich da nichts wegnimmt. Jeder von uns hat daheim ein kleines Studio, wo er was macht und arbeitet, und dann fügen wir die Dinge zusammen. Wir überlegen uns auch laufend irgendwelche neue Projekte, die dann eh nie was werden. Man trifft sich zwanglos zum Jammen und dann verteilt sich alles im Tun und es geht nix wirklich weiter.

Die Texte auf dem Album stammen aber alle von dir?
Genau. Ich wusste aber nicht, wie viel Arbeit so ein Albumprozess ist, deshalb hat es dann auch so lange gedauert. Ich hatte zwischendurch ein paar ziemliche Schreibblockaden und mir wurde dann das Buch „How To Write A Song“ geschenkt. Anfangs kam ich mir verarscht vor, aber es hat mir tatsächlich beim Bauen von Refrains geholfen. Ich bin in der Band, aber kein Diktator. Es muss immer die beste Idee gewinnen und das ist nicht automatisch meine – das ist für Bands generell wichtig. Es kann auch gerne mal Emil den Gesang übernehmen, ich bin nicht die große Rampensau, die immer in der Mitte stehen muss. Anda Morts ist ein Vehikel, das gerade funktioniert. Würde es das nicht, müssten wir es flicken.

Du bist nicht nur der Sänger und Songwriter, sondern für die Leute da draußen auch das Gesicht von Anda Morts. Hast du diese Rolle unfreiwillig eingenommen?
Es hat eben als Soloprojekt angefangen und so war mein Gesicht sofort auf Spotify und überall in allen Interviews, die ich meistens allein führe. Wer uns aber live gesehen hat oder sich durch die B-Seiten der Songs wühlt, der kennt uns als Band. Es liegt ganz an den Ohren der Hörerinnen.

Innerhalb der letzten zwei Jahre ist das Projekt Anda Morts unheimlich gewachsen. Ausverkaufte Shows, Festivalauftritte, tolle Streaming-Zahlen und viel Liebe von den Fans – war dieser rasante Aufstieg ein Hindernis beim Songwriting, weil du sehr schnell mit großer Erwartungshaltung von außen konfrontiert warst?
Zum Teil schon, aber ich bin es gewohnt, das zu machen, was mich gerade juckt. Da gibt es keine Vorgabe, wie ich die Akkorde auf der Gitarre greife und dann hoffe ich auf einen Hit – das interessiert mich gar nicht. Ich bin dankbar für das große Publikum und die viele Aufmerksamkeit, aber ich würde meine Musik nie so hinbiegen, damit ich möglichst viele Leute erreiche. Ich habe auch kein Problem damit, Leute zu verlieren und dann andere zu gewinnen. Es ist immer sehr blöd, wenn man sagt „ich scheiß’ auf die Leute“, aber wenn ich Lieder schreibe, ist das so.

Bist du überrascht davon, wie schnell dein Lo-Fi-Projekt durch die Decke ging?
Ich bin immer noch sehr überrascht. Ich denke nicht über meinen Erfolg nach, oder warum die Leute unsere Musik so gut finden oder nicht. Das interessiert mich nicht, davon hat keiner was und ich brauche das auch nicht, damit es mir gut geht. Ich bin froh, wenn ich in Linz bin und mich keiner erkennt. Ich war eigentlich immer Schlagzeuger. Vorne auf der Bühne zu stehen, ist noch ungewohnt für mich. Ich glaube aber auch, dass diese Wuaschtigkeit irgendwie gut bei den Leuten ankommt. Das klingt jetzt schon wieder so schief nach Selbstlob, aber wir machen halt unsere Musik und geben uns, wie wir sind. Da ist nichts gekünstelt. Bevor ich dreimal die Woche Reels auf Instagram poste, wühle ich mich lieber durch Underground-Bands auf Bandcamp.

Im Underground zu bleiben, wird umso schwieriger, je mehr Erfolg mit deiner Musik einhergeht. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern sehr stark auch in Deutschland.
Wir werden sehen. So große Auftritte wie den einen im Vorprogramm von Element Of Crime in der Hamburger Elbphilharmonie haben wir eigentlich nicht.

Anda Morts gönnt sich im Gespräch mit „Krone“-Redakteur Robert Fröwein eine Selbstgewutzelte.
Anda Morts gönnt sich im Gespräch mit „Krone“-Redakteur Robert Fröwein eine Selbstgewutzelte.(Bild: Eva Manhart)

Aber das Wiener Flex war letztes Jahr mit rund 700 Besuchern randvoll, heuer geht’s in der Wiener Arena schon in den vierstelligen Zuschauerbereich. Das ist nicht nichts …
Wir müssen uns langsam überlegen, wie lange unsere Setlist wird. Eigentlich sind wir eine Band, die einfach spielt – ohne Clicktrack. Warum brauchen Schlagzeuger einen Clicktrack? Sie geben doch den Rhythmus vor, das verstehe ich nicht. Wir spielen so, wie der Drummer das Tempo vorgibt, ganz natürlich. Mittlerweile müssen wir aber professioneller werden und darauf schauen, dass wir zumindest 70 Minuten spielen, wenn wir headlinen. Manchmal wäre auch in einer halben Stunde alles gesagt, aber das geht nicht. Die Leute sind bislang aber sehr happy nach den Konzerten zu uns gekommen, es kann also nicht so falsch sein, wie wir es tun.

Braucht es eine Band wie Anda Morts in einer Zeit der KI-Perfektion und der musikalischen Gleichförmigkeit stärker denn je?
Ich glaube schon. Wir haben einige Festivals gespielt, wo du bei den Bands hörst, dass sie einen Session-Schlagzeuger haben. Die spielen alle irgendwie gleich und sehr nach Schema F, das ist bei unserem Drummer Koi nicht der Fall, weil wir eine echte Band sind. Bei den studierten Drummern schläft mir das Gesicht ein. Wir bringen das Ungeschliffene auf die Bühne. Was zur Hölle suchen wir in einer Elbphilharmonie in Hamburg? Wir kommen aus dem tiefsten Linzer Underground. Wir versuchen einfach den Vibe der Subkultur weiterzutragen, auf unseren nächsten Karriereschritten.

Lässt sich das so einfach bewerkstelligen?
Hauptsache Vollgas, Musik und zusammenspielen. Wir sind nicht perfekt, aber wir spielen immer voller Hingabe und dass wir dafür Aufmerksamkeit bekommen, finde ich richtig cool. Wir müssen keinem Management nachschwänzeln und nach deren Regeln spielen und trotzdem wird das angenommen, was wir tun. Viele Leute sagen mir offen, dass sie es geil finden, dass wir so auf Instagram scheißen. Die finden das sympathisch, dass wir nicht jeden Schritt posten und mit der Öffentlichkeit teilen. Ich will nicht ewiggestrig sein und Social Media verweigern, aber die richtige Dosis macht das Gift.

Wie wichtig ist bei euch der rein menschliche Aspekt? Dass Anda Morts genau diese drei, eure Charaktere sind?
Koi kennt man als Schlagzeuger der Devil’s Rejects, das sind Linzer Punk-Underground-Legenden. Der stand schon auf der Bühne, da hatte er noch keine Ahnung, wer ich bin. Man lernt sich beim Jammen kennen und als wir unseren alten Drummer verloren haben, hatte er Zeit und Bock. Natürlich muss es vom Menschlichen her passen. Ich würde es schlimm finden, wenn ich einen Musiker suchen müsste. Wir haben alle kein Verständnis für Allüren, wo sich Bands darüber aufregen, dass das falsche Bier im Backstage steht – vor zwei Jahren haben wir noch gar nichts bekommen. Da hat Koi mit seinem Hund in Slowenien auf einer Bühne geschlafen, während wir zwei Tage später in einem Vier-Sterne-Hotel einquartiert wurden. Irgendwas haben wir wohl richtig gemacht und wir schätzen es sehr, dass uns so viel Respekt entgegengebracht wird. Wir alle sind unkompliziert, weil wir Musiker aus Leidenschaft sind. Wir müssen nicht auf Krampf relevant bleiben, indem wir uns von Managements was sagen lassen oder dauernd Reels posten. Entweder geht es sich so aus, oder ich gehe halt wieder arbeiten.

Dass die Musik jetzt zum Job geworden ist, hat vor allem große Vorteile.
Vor allem beim Krankenstand. Früher habe ich mich oft darüber gefreut, wenn ich mal ein paar Tage daheim war. Jetzt ist es eher beschissen, wenn man in Krankenstand gehen muss. (lacht) Ich war Sozialbetreuer bei der Volkshilfe und habe die Arbeit mit Menschen immer ernst genommen. Deshalb fällt es mir heute leichter, mich zu motivieren und Eigenverantwortung zu übernehmen, was mit so einer Band unheimlich wichtig ist. Dass alles so schnell ging, ist manchmal ein bisschen stressig und beängstigend. Ich lebe seit zwei Jahren nur von der Musik, mit dem Gedanken, dass es sofort wieder vorbei sein kann, weshalb ich froh bin, dass ich eine berufliche Ausbildung habe. Ich würde sofort wieder als Sozialbetreuer arbeiten und muss nicht auf Krampf Menschen unterhalten.

Wie fühlt sich so ein Spagat der Extreme denn an, wenn man zwischen Vier-Sterne-Hotel und Bühnenboden lebt?
Den akuten Fall musst du bei Koi erfragen, das weiß ich nicht. (lacht) Ich habe schon vor einem Jahr in Interviews gesagt, dass ich nicht ganz kapiere, was wir hier tun und ich kapiere es noch immer nicht. Wir haben alle hart dafür gearbeitet, sind aber genauso dankbar dafür. Es gibt Momente, da fühlen wir, dass wir es verdient haben, aber das hat wieder so einen Mief von Selbstbeweihräucherung, der bei uns eher niedrig im Kurs steht.

Ist „ANS“ eine Zusammenfassung der letzten Jahre oder deines bisherigen Lebens?
Da ist alles Mögliche drinnen, aber es ist kein Konzeptalbum oder sonst eine großkopferte Idee. Wir wollten einerseits die Band und andererseits den Solopart abbilden und nun schauen wir, wo es von hier aus weitergeht. Die Entwicklung ist total offen und solange das Vehikel fährt, ist es egal, wer den Lenker in der Hand hat.

Wie ist das textlich? Steckt darin deine Lebensgeschichte oder eine Zusammenfassung deiner markantesten Erlebnisse?
Ich finde es lustig, weil Journalisten immer so viel nachdenken und sich Geschichten und Ideen zusammenreimen. Bei „Bett“ hatte ich etwa die richtigen Akkorde und habe Ramones-mäßig einfach alles zusammengestoppelt und fertig. Ich checke oft selbst erst im Nachhinein, was ich tue und ob etwas gut ist oder nicht. Am Anfang muss es sich reimen und grob Sinn machen und selbst der Sinn offenbart sich oft erst viel später. Manchmal habe ich eine Richtung im Kopf, ganz oft ist alles aber sehr spontan. Singer/Songwriter-Themen, die mein Leben widerspiegeln, wird es aber immer geben. In meinen alten Bands war ich extrem politisch und das habe ich dieses Mal wieder stärker einfließen lassen. Viele Leute sagen mir, ich solle meine Meinung sagen und müsse mich positionieren. Mir macht es aber meist keinen Spaß, solche Texte zu schreiben, das habe ich zehn Jahre lang gemacht.

Positionierst du dich in diesen wenigen Texten, die du heute noch in diese Richtung schreibst, eher politisch oder humanistisch?
Ich glaube beides, aber da bin ich selbst gerade wieder in einer Findungsphase. Manche Gedanken handeln vom Saufen und vom Rauchen. Ich will mich weiterentwickeln, aber das geht nicht bei jedem Text. Es ist eher ein innerer Stress, dass ich mich entwickeln möchte und gewisse Ansprüche an mich setze.

Politisieren liegt dir aber im Blut, du bist offen aus der linkspolitischen Linzer Szene.
Ich bin überzeugter Anarchist. Das Lied „Fascho“ habe ich zu der Zeit geschrieben, als diese unheiligen Koalitionsverhandlungen mit Herbert Kickl stattgefunden haben. Ich wollte genauso eine Brachialrhetorik verwenden wie diese Herren. So unreflektiert und auf Kosten anderer poltern, die reine Emotionen rauslassen.

Die Kunst als Ventil, seine inneren Aggressionen an die Oberfläche zu lassen?
Genau. Deshalb sind die Akkorde genauso stumpf wie der Text, aber das war hier reine Absicht. Der Song ist aus der Wut und auch aus der Verzweiflung geboren. Alle fünf Jahre wundern wir uns wieder, woher die Nazis kommen, aber sie waren ja nie weg. Mich hauen immer wieder Freunde an und meinen, dass ich meine Plattform dazu nützen sollte, um mich ordentlich zu positionieren. Dsa ist aber schwierig und ich muss da einen gesunden Weg für mich finden. Ich stehe nicht gerne auf der Bühne und posaune meine Meinung raus, so wichtig bin ich nicht und meine Meinung ist es auch nicht. Ich habe oft das Gefühl, das wird von mir verlangt und wahrscheinlich hat man diese Pflicht auch irgendwie, wenn man in der Öffentlichkeit steht. Ich bin Anarchist, Antifaschist und Antisexist und damit ist für mich alles gesagt. Wer mehr dazu wissen will, kann genügend Bücher zu dem Thema lesen. Da muss nicht immer ich erklären, worum es geht.

„Kein Bock“ ist auch eine eindeutige Nummer, wo du gegen sogenannte Incels und gewalttätige Mobber Stellung beziehst.
Das Lied entstand aus einer ähnlichen Emotion, aber etwas überlegter. Das geht gegen diese Krypto-Bros und Incels, die online dauernd von ihrer Einsamkeitsepidemie labern und Frauen verunglimpfen. Fragt mal eure Freundinnen und Schwestern, wie es ihnen geht. Hört ihnen einfach zu und checkt, was für Dummheiten ihr da im Netz verbreitet. Wenn sich da so Typen untereinander unterhalten, kommt mir das Kotzen. Die glauben alle, sie wären im Recht und wundern sich auch noch, dass sie keine Frau kriegen. Da fällt mir echt nichts mehr dazu ein – außer diesem Songtext. (lacht)

Die Frage ist immer – wirst du mit diesen Texten Menschen außerhalb deiner Echokammer erreichen?
Das meine ich auch – wenn ich in meiner Welt sage, dass Sexismus scheiße ist, werden mir 100 Prozent zustimmen. Aber man erreicht nur selten die Leute, die es hören sollen. Deshalb ist das ganze Thema mit dem ständigen Stellungsbeziehen auch ein schwieriges für mich.

Ein Song, der mir sehr gut gefällt, ist „Kaputt und weg“. Setzt er sich mit deiner mentalen Lage auseinander?
Wir haben den Song in Osttirol gejammt und irgendwie hat’s nicht so gut gepasst, wir haben da nur den Vers mitgenommen. Dann haben wir die Idee fünf Monate reifen lassen und ihn im April im Studio noch einmal gemeinschaftlich zerlegt und neu zusammengefügt. Es gibt viele Songs, die einfach so Stimmungsbilder von mir sind oder von meinen Erlebnissen in Linz. Ich hatte vor ein paar Jahren schweren Liebeskummer und bin dann einfach so durch Linz geschlichen, das war das Grundgefühl für das Lied.

In dem Song kommt sehr früh auch die VÖEST vor – die ja immer ein bisschen sinnbildlich für die ganze Stadt Linz steht.
Wenn ich mich bei schlechter Stimmung auspowern wollte, bin ich mit dem Rad auf den Pöstlingberg gefahren und habe dann von oben auf die Stadt geschaut. Da siehst du dann die Lichter der VÖEST aufflammen – das hat sich bei mir gut eingeprägt.

Linz war schon immer eine Stadt, die eine ungemein starke subkulturelle Musikszene hatte. Über die letzten Jahrzehnte hinweg und markant mehr als es andere Städte in Österreich tun. Hast du diesen Eindruck auch?
Ich weiß nicht, wie es in Graz ist und wie es wirklich in Wien ist, aber in Linz hat diese Szene seit den 80er-Jahren schon eine besondere Kontinuität. Emils Eltern haben schon in den 90er-Jahren in Bands gespielt und Leute von anderen Bands und Eltern kommen auch gegenseitig zu den Konzerten. Man trifft auch immer wieder Leute, wenn man zu anderen Gigs geht, es ist alles extrem gut vernetzt. Da geht es gar nicht so sehr nur um die Musik, sondern darum, dass es einen Ankerpunkt gibt, an dem sich alle finden können. Jetzt kommen auch wieder jüngere Leute in die Bars und reden einen vorsichtig an, wenn sie sich trauen, da wird das Zepter dann weitergereicht.

In der Linzer Kapu siehst du den Großteil der Leute seit zehn Jahren und niemand nimmt sich wichtig. Es sind nicht nur wir, die größere Gigs in Deutschland spielen, sondern auch andere, die international Erfolg haben. Venator kommen aus der Metal-Ecke und spielen in Schweden, Spanien und solchen Ländern. Es ist ein schönes Heimatgefühl, weil jeder weiß, dass er hierher gehört. Ein paar von uns haben das große Glück, dass sie ihre Musik ausführen dürfen. In Wien, so habe ich das Gefühl, trifft man sich eher zum Netzwerken und mit Hintergedanken, in der Kapu wird einfach nur geschwatzt und die Zeit genossen.

Der Rest ergibt sich dann aus dem Netzwerken, das eigentlich kein Netzwerken ist?
Man gründet halt schnell wieder drei Bands, wovon zwei im Jam-Keller bleiben und vielleicht eine mal wo auftritt, bevor man es wieder lässt. (lacht) Manchmal trifft man sich für ein paar Stunden zum Proben, macht sich was aus und findet nie wieder zusammen. Das geschieht alles sehr niederschwellig und entspannt. Wenn mich in Wien Leute sehen, kriegen sie manchmal einen langen Hals und das ist mir sehr unangenehm. Sowas brauche ich gar nicht.

(Bild: Eva Manhart)

Du hast anfangs gesagt, „Freitag“ war die letzte Nummer, die du für das Album geschrieben hast. Da steckt auch viel Sehnsucht nach der Freiheit des Wochenendes drin. Jetzt hast du einen Job, bei dem du am Wochenende arbeiten musst …
Genau, das Wochenende findet mittlerweile eher zwischen Montag und Mittwoch statt. Der Song war aber augenzwinkernd für meine Freunde geschrieben, die mich ein bisschen neidvoll verarschen, weil ich seit einem guten Jahr überhaupt nicht mehr arbeiten gehen muss und hier gerne für sie den Finger in die Wunde lege. (lacht) Die Nummer ist auch für meine Freundin gedacht, die immer Abendschule hat, aber freitags um 7 Uhr aufstehen muss. Das nutze ich jetzt ein bisschen aus.

Im letzten Song „Arbeit“ singst du „niemals Makler oder Banker und erst recht kein Bullenschwein“ – ist das ein wichtiges Mantra für dich und dein Leben?
Ja. Solange die Polizei für Konzerne auf Steuergeldkosten Häuser räumt, ist für mich jeder Kiberer ein Arsch.

Lässt sich dieses doch sehr explizite Punk-Ethos bei steigendem Bekanntheitsgrad noch gut weitertransportieren?
Das werde ich dann sehen, falls die Repressalien größer werden sollten. Nein, das ist eben meine Meinung und etwas, wo ich mich ganz klar positioniere. Die Leute haben teilweise nichts zu wohnen und die Polizei räumt Häuser. Gleichzeitig haben Konzerne unendlich viel Leerstand und warten darauf, die Versicherungen zu kassieren. Solche Einsätze mit Personal und Bussen kostet tausende Euro. Solange die Polizei solche Aktionen schiebt, ist einfach grob was im Argen. Da beginne ich gar nicht bei den strukturellen Problemen mit faschistischen Zügen und rechtsradikalen Polizeigruppen, wo im Salzkammergut plötzlich Wehrübungen gemacht werden. Auf der anderen Seite muss ich natürlich sagen, dass die Polizei auch wichtig ist. Wenn irgendjemand Frau und Kinder prügelt, muss natürlich eine Exekutive da sein, die das verhindert. Die Polizei ist ab und zu ganz praktisch und meine persönlichen Erfahrungen sind ziemlich liberal. Mir haben sie eigentlich noch nie geholfen – außer einmal in Leipzig, da wurde unser Bus aufgebrochen und sie waren für uns da.

Für das, dass du dich gar nicht so stark positionieren willst, hast du eigentlich ziemlich viele klare Botschaften auf „ANS“ versammelt.
Was sich ergibt, das ergibt sich, aber ich setze mich nicht hin und schreibe nach einem gewissen Vorsatz eine Revolutionshymne. Ich habe nichts von Revolutionen, sondern bin für Reformen von unten. Es haben in der Geschichte der Menschheit nur zwei Revolutionen gefruchtet – die neolithische und die industrielle. Und beide waren nicht geplant. Jetzt scheint gerade die dritte zu funktionieren, die digitale und auch die war nicht geplant.

Wo geht es 2026 mit Anda Morts hin? Welche Ziele und Pläne verfolgst du mit dem Projekt?
Rein physisch wahrscheinlich wieder nach Deutschland. Wir arbeiten gerade mit Sven Regener von Element Of Crime an neuen Songs. Wir wollen eine EP fertigstellen, die dann im Frühjahr erscheinen soll. Mit Regener verstehen wir uns sehr gut. Er hat sich uns für die Hamburg-Show als Support ausgesucht, was ich noch immer surreal finde. Von einem wie ihm kann man unheimlich viel lernen und mir ist es ehrlich gesagt noch immer unbegreiflich, dass er sich für uns interessiert. Er hat echt gesagt, er wäre ein Fan von uns.

Hattest du eigentlich vorher schon Berührungspunkte mit Element Of Crime, oder wurde dir diese Band erst durch diesen Abend und das persönliche Kennenlernen so richtig gewahr?
Mich hat die Band sehr spät erreicht. Meine damalige Mitbewohnerin Laura ist ein Riesenfan und hat sie mir damals nähergebracht. „Ein Hotdog unten am Hafen“ ist mein Lieblingslied, natürlich auch „Delmenhorst“ und solche Sachen. Ich habe jetzt aber nicht alle Alben daheim und kenne mich gut damit aus. Wir haben die Platten mittlerweile in der WG und ich bin sehr beeindruckt davon. Wir haben auch denselben Humor. Sven ist so ein trockener Norddeutscher und unheimlich direkt. Das ist der größte Unterschied zum klassischen Österreicher, der immer laviert, aber die Mischung macht es aus. Wir lachen viel und das Ausarbeiten der Songs fühlt sich nicht nach Arbeit an. Wie geil ist das eigentlich, dass uns dieser Typ überhaupt mit dem Arsch anschaut?

Tour durch Österreich
Mit seinem Debütalbum „ANS“ geht Anda Morts samt Band auch auf große Tour durch Deutschland und Österreich. Hierzulande ist das Trio am 15. Oktober im Grazer ppc, am 16. Oktober im Salzburger Rockhouse, am 17. Oktober im Dornbirner Conrad Sohm, am 18. Oktober im Innsbrucker Treibhaus und am 24. Oktober in der Arena Wien zu sehen. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Infos zu den einzelnen Gigs.

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