Sollen Medien verstärkt auch die Nationalität von Straftätern anführen? Braucht es Verschärfungen beim Staatsbürgerschaftsrecht, wie sie FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte? Und hat das Recht beim Thema Migration vielleicht wirklich der Politik zu folgen? Zehn Jahre nach der großen Flüchtlingswelle ziehen die beiden Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner und Hans Peter Doskozil, die damals an vorderster politischer Front standen, gemeinsam für die „Krone“ Bilanz.
„Krone“: Frau Landeshauptfrau, Herr Landeshauptmann, zehn Jahre sind seit der großen Flüchtlingswelle mittlerweile vergangen. Die Themen Migration und Integration sind aber aktueller denn je. Sie beiden standen damals in unterschiedlichen Funktionen gemeinsam an der Front. Wie hat sich die Lage seither verändert? Was hätte man besser machen können?
Johanna Mikl-Leitner: Zehn Jahre später muss man zum Schluss kommen, dass der Merkl-Faymann-Pakt grundlegend falsch war. Denn durch diesen Pakt, der für viele nichts anderes als eine Einladung war, haben sich noch mehr Menschen in Bewegung gesetzt und das Schlepperwesen so zum Blühen gebracht. Es sind aber auch davor schon Fehler passiert. Bereits damals hätten nicht so viele Flüchtlinge nach Mitteleuropa kommen dürfen. Es hätte Schluss sein müssen an den Außengrenzen, oder noch besser: bereits in Drittstaaten. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Otto Schily bereits im Jahr 2004 gefordert hat, dass es Asylzentren in Nordafrika geben soll. Er ist damit aber am Widerstand einzelner Mitgliedsstaaten gescheitert. Ich habe dieselbe Forderung selbst im Jahr 2014 noch einmal erhoben und wurde ebenso von NGOS und Linken kritisiert. Dabei wäre es viel besser gewesen, in Asylzentren in Nordafrika die Vorprüfungen und Entscheidungen über Einwanderungen und Zurückweisungen treffen zu können. So hätte man Migrationsströme verhindern können.
Hans Peter Doskozil: Ich will das gerne noch drastischer formulieren. Wenn man sich anschaut, was fremdenpolizeilich passiert. Es zeigt sich, dass wir aus dem Jahr 2015 nicht gelernt haben. Weder bei uns in Österreich, noch auf europäischer Ebene. Wir schaffen es nicht, aus europäischer Sicht, negative Fälle in die Heimat zurückzubringen. Wir verschieben sie stattdessen vielmehr innerhalb Europas über Dublin und andere Regime, aber nicht direkt wieder zurück in die Heimat. Wir schaffen andererseits aber auch keine geordnete Zuwanderung. Das beste Beispiel ist für mich der Pflegebereich. Wenn Pflegekräfte zu uns wollen, müssen wir diese einzeln nostrifizieren in Bezug auf die Ausbildung. Das ist ein irrsinniges Prozedere. Was würde denn dagegen sprechen, wenn man die Ausbildung in Indien, oder auf den Philippinen generell nostrifiziert? Wir könnten die Zuwanderung, dort, wo wir sie brauchen, dann besser steuern. Im Integrationsbereich wird mir generell immer zu viel über kleinteilige Maßnahmen gesprochen. Ich wurde hellhörig, als ich zum ersten Mal gehört habe, dass in Wien mittlerweile mehr muslimische Kinder in die Pflichtschulen gehen, als Kinder christlichen Glaubens. Für einen SPÖ-Politiker hört sich das vielleicht komisch an, aber das Christentum ist unsere Tradition und das sind unsere Werte. Hier gibt es meiner Meinung nach einen schleichenden Prozess, dass sich unsere Gesellschaft verändert. Die Diskussionen um Laternenumzüge, um den Ramadan-Kalender und die Kreuze in den Schulen sind Signale dafür, dass sich in unserer Gesellschaft etwas verändert. Wir müssen uns grundsätzlich überlegen, ob wir das wollen, oder eben nicht. Und wenn wir das nicht wollen, dann muss man bei der Zuwanderung einen klaren Riegel vorschieben. Darüber zu diskutieren, dass wir Aufnahmezentren außerhalb der EU brauchen, ist richtig und völlig okay. Ich sehe auf europäischer Ebene aber niemanden, der das umsetzen wird und das ist das große Problem.
Immer wieder gibt es da zumindest aber Vorstöße einzelner Mitgliedsstaaten ...
Doskozil: … die Politik gestaltet die Gesetze. Der Vollzug basiert aufgrund der Gesetze und die gestaltet die Politik. Die Politik ist hier also in der Pflicht, entsprechende Regeln zu schaffen.
Mikl-Leitner: Was die Wichtigkeit der Asylzentren außerhalb Europas betrifft, haben wir innerhalb Europas jetzt zumindest eine Mehrheitsmeinung erreicht. Aber was immer noch fehlt, ist der rechtliche Rahmen. Das gilt auch für den Bereich der Abschiebungen. Es können noch immer viel zu wenige Asylwerber – selbst mit einem negativen Bescheid oder wenn sie schwere Straftaten begangen haben, abgeschoben werden. Auch hier rückt das Recht in den Mittelpunkt. Die europäische Judikatur zeigt ja leider, dass sich vor allem Schwerverbrecher zu sicher fühlen können. Wenn das Recht nicht so funktioniert, dass wir Menschen, die illegal bei uns sind, loswerden können, dann muss man den Rechtsrahmen eben ändern. Das versteht jeder normale Mensch. Man kann doch niemandem mehr erklären, warum wir straffällige Migranten nicht abschieben können. Da darf man sich nicht wundern, dass das Vertrauen in die europäische Politik sinkt.
Die Linie hat sich auf europäischer Ebene Gott sei Dank mittlerweile geändert. Jetzt fehlen aber noch immer die Regulative.
Johanna Mikl-Leitner
Hat hier, frei nach FPÖ-Chef Herbert Kickl, also das Recht der Politik zu folgen?Mikl-Leitner: Nein, es braucht eine vernünftige europäische Lösung. Österreich alleine kann das nicht lösen, es braucht ein mutiges europäisches Vorgehen, um den Rechtsrahmen für Abschiebungen zu ändern, die Außengrenzen zu schützen und die Asylzentren außerhalb der EU umzusetzen.
Doskozil: Man darf ja nicht vergessen, dass die EU-Politiker auch Nationalpolitiker sind. Ich sage das immer wieder, auch wenn ich an die Schengen-Erweiterung mit Rumänien und Bulgarien zurückdenke – ich hätte das blockiert. Solange, bis an der bulgarisch-türkischen Grenze ein derartiges Aufnahmezentrum etabliert worden wäre. Da hätten wir mehr Handlungsspielraum gehabt und Mut beweisen müssen.
Mikl-Leitner: Die Linie hat sich auf europäischer Ebene Gott sei Dank mittlerweile geändert. Jetzt fehlen aber noch immer die Regulative.
Kommen wir von der Migration zur Integration. Am Mittwoch wurde das Kinderkopftuchverbot in Begutachtung geschickt. Ein begrüßenswertes Gesetz?
Mikl-Leitner: Ich würde sagen, das ist ein erster richtiger Schritt. Für mich ist das Kopftuch ein Symbol der Unterdrückung. Und dieses Zeichen hat nichts auf den Köpfen unserer Mädels verloren. Ich will, dass sich Mädchen in einer freien Gesellschaft entwickeln können und Perspektiven haben. Mädchen müssen dieselben Rechte haben.
Doskozil: Ich will gerne zurückkommen auf das, was ich eingangs gesagt habe. Das sind alles richtige Maßnahmen. Das will ich gar nicht bestreiten. Wir diskutieren aber zu kleinteilig über diese Dinge. Kopftuchverbot hier, Bezahlkarte dort – aber diese grundsätzliche Entwicklung können wir derzeit nicht ändern. Hier braucht es einen Diskurs mit der Bevölkerung, ob wir richtig liegen. Ich sage, wir liegen derzeit nicht richtig. Da hilft kein Kopftuchverbot und keine Bezahlkarte. Es braucht klare Regeln.
Mikl-Leitner: Integration heißt Anpassung. Integration ist kein Angebot, sondern eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung, unsere Werte zu akzeptieren und so zu leben, wie es den westlichen Werten entspricht. Integration bedeutet für die Betroffenen natürlich auch harte Arbeit. Und wer sich dieser Arbeit nicht stellen will, der muss mit Konsequenzen rechnen.
Herr Doskozil, wie stellen Sie sich den Diskurs mit der Bevölkerung vor? Etwa in Form einer Volksbefragung?
Doskozil: Es war ja jahrelang verpönt, christliche Werte zu verteidigen. Zu diesem Thema gehört klar Position bezogen. Politiker haben manchmal Scheu davor, diese Werte auf den Tisch zu legen und dafür einzutreten. Ich habe diese Scheu nicht.
Kehren wir kurz noch einmal zurück ins Jahr 2015. Ganze 88.340 Asylanträge wurden während der großen Flüchtlingswelle in damals Österreich gestellt. Rund 15.000 von ihnen haben jetzt, zehn Jahre danach, das Recht darauf, einen Antrag auf die rot-weiß-rote Staatsbürgerschaft zu stellen. FPÖ-Chef Herbert Kickl erklärte während der Regierungsverhandlungen mit der ÖVP Anfang des Jahres in der „Krone“ und „Heute“, dass er diese Frist als „Sofortschutzmaßnahme vor Masseneinbürgerungen“ auf 15 Jahre strecken wollen würde. Eine gute Idee?
Das Perverse an dem derzeitigen System ist, dass, wenn jemand nicht abgeschoben werden kann, zunächst einmal dennoch geduldet wird. Wenn er eine gewisse Zeit lang geduldet wird, dann bekommt er einen humanitären Aufenthaltstitel und man legalisiert ihn dadurch.
Hans Peter Doskozil
Mikl-Leitner: Da habe ich eine ganz klare Position. Die Staatsbürgerschaft ist der letzte Schritt der Integration und da gibt es Gott sei Dank auch ganz strenge Vorgaben und Regulative. In Österreich haben wir hier zum Glück eines der strengsten Staatsbürgerschafts-Gesetze in ganz Europa. Wenn Kriterien, wie etwa das Sprechen deutscher Sprache, das Nachgehen einer Arbeit und das Akzeptieren unserer Werte nicht erfüllt werden, hat man auch keine Chance auf eine Staatsbürgerschaft. Egal, ob man den Antrag nach zehn, oder 15 Jahren stellt, wer die Kriterien nicht erfüllt, bekommt keine Staatsbürgerschaft. All das ist nicht verhandelbar. Ich habe in der Vergangenheit schon gefordert, dass man hier noch zusätzliche verpflichtende Kriterien schafft, wie den Besuch einer KZ-Gedenkstätte, damit sich Migranten auch mit unserer Geschichte befassen müssen. Der importierte Antisemitismus muss mit aller Kraft bekämpft werden. Ich fordere daher auch, verpflichtende Kurse mit Anwesenheitspflicht zur Staatsbürgerschaftsprüfung, wo unsere Grundwerte vermittelt werden. Wer mit unserem Recht auf Kriegsfuß steht, kann kein Staatsbürger werden. Es darf hier null Toleranz und null Kompromisse geben.
Doskozil: Das Perverse an dem derzeitigen System ist, dass, wenn jemand nicht abgeschoben werden kann, zunächst einmal dennoch geduldet wird. Wenn er eine gewisse Zeit lang geduldet wird, dann bekommt er einen humanitären Aufenthaltstitel und man legalisiert ihn dadurch. Und das ist ein komplett falsches Signal. Diese Abfolge führt am Ende des Tages dann aber in vielen Fällen zu einer Staatsbürgerschaft – und da bin ich komplett dagegen. Das zeigt, wie handlungsunfähig wir eigentlich sind.
In Deutschland wird derzeit ja bekanntlich ebenso auf das Jahr 2015 und die Entscheidungen von Angela Merkel zurückgeblickt. Der ehemalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann verteidigte jüngst in einem Podcast, dass die BILD-Zeitung in den Folgejahren bei Straftaten verstärkt auch die Herkunft der Täter in den Fokus der Berichterstattung rückte. Mittlerweile sei hier der deutsche Presserat auch umgeschwenkt, da der statistische Zusammenhang zwischen vermehrten Straften unter Ausländern erwiesen sei. Wie beurteilen Sie das in Zusammenhang mit der heimischen Medienlandschaft? Herr Doskozil, Sie haben ja zuletzt sogar das Innenministerium kritisiert und mehr Daten in Zusammenhang mit Straftaten von Ausländern gefordert.
Doskozil: Es gab da eine Diskussion, ja. Die Gesamtzahl der Taten wird ausgewiesen, aber nicht spezifisch genug auf gewisse Delikte und nicht spezifisch genug auf gewisse Nationalitäten. Wenn man bedenkt, dass 46 Prozent der Straftaten von Ausländern begangen werden und dann mitbedenkt, wie viele Straftaten von Menschen begangen werden, die Migrationshintergrund haben, aber bereits Staatsbürger sind, liegt der Prozentsatz höchstwahrscheinlich zwischen 60 und 70 Prozent. Das vermute ich zumindest. Das heißt, 60 bis 70 Prozent der Straftaten werden von Nicht-Staatsbürgern, oder Menschen mit Migrationshintergrund begangen. Das ist nicht vertretbar. Es gibt aber eben auch zu wenige Zahlen, zu der Herkunft der Täter. Ob das jetzt ein Afghane oder ein Syrer, ein Deutscher oder ein Italiener waren – die Politik und die Bevölkerung haben das Recht zu erfahren, wer bei uns welche Straftat begeht. Wenn man mit Gastfreundschaft empfangen wird, hat man auch eine gewisse Bringschuld zu erbringen. Und die darf sich nicht in Form einer Straftat manifestieren.
Mikl-Leitner: Ich glaube, die Menschen spüren, dass einfach zu viele Menschen aus anderen Kulturen zu uns gekommen sind, was mit diesem Land natürlich auch etwas gemacht hat. Es gibt Parallelgesellschaften und auch die Gewaltbereitschaft hat sich erhöht. Es ist klar, dass die Nationalität von Straftätern angegeben werden soll, was laut Innenministerium auch passiert. Ich glaube, dass Medien sagen müssen, was ist. Man darf die Dinge nicht unter den Teppich kehren. Wenn sich die Menschen mit offenen Augen in Wien bewegen, spüren sie ja sehr deutlich, was sich da in manchen Bezirken vieles verändert hat.
Der offizielle Start für die Sozialhilfe-Reform soll demnächst erfolgen. Eine Integrationsphase für Zuwanderer und Österreicher ist Thema. Die Länder sollen gleich zu Beginn mit ins Boot geholt werden. Worauf wird es da ankommen?
Mikl-Leitner: Wir sind da in Niederösterreich äußerst strikt – und das auch zurecht. Wir folgen hier dem Grundprinzip: Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein. Wir stellen jene, die täglich aufstehen, arbeiten und in unser Steuersystem einzahlen und selbige damit auch erhalten, in den Fokus und werden noch weiter an Schrauben drehen und den AMS-Schulungszuschuss bei der Sozialhilfe streichen. Diese Förderung fällt künftig weg. Wir sind offen für eine bundeseinheitliche Regelung, jedoch darf es keinen Cent mehr geben, als hier bei uns in Niederösterreich.
Doskozil: Eine bundeseinheitliche Regelung würde auch ich begrüßen. Man muss beim Thema Sozialhilfe aber grundsätzlich bedenken, wen man trifft. Bei uns im Burgenland sind es 92 Prozent Österreicher, die davon betroffen sind, viele davon auch sogenannte „Aufstocker“, die einer Arbeit nachgehen. Ich habe aber wahrgenommen, dass es Ideen gibt, zu differenzieren. Wenn es verfassungsrechtlich gelingt, zu unterscheiden, zwischen jenen, die schon ins Sozialsystem eingezahlt haben, und jenen, die, zum Beispiel als Asylberechtigte, neu in das Sozialsystem eintreten, kann es eine gute Regelung werden. Aber die Frage ist, gelingt das rechtlich?
Mikl-Leitner: Sozialhilfe muss einfach das letzte soziale Netz sein. Es ist aber wichtig, dass es eine Motivation gibt, zu arbeiten ...
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