Elektronik mit Anspruch und Romantik – dafür garantiert das steirische Duo Yukno auf dem neuen Album „Gute Nachtmusik“. Zwischen Eskapismus, Liebe, Trennung und allen Facetten der Nacht blieb viel Zeit für persönliche und intensive Themenabhandlungen. Im „Krone“-Interview geben die beiden nähere Einblicke.
Rainhard Fendrich hat einst zu Recht gefragt: „Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“ Das aus der beschaulichen Oststeiermark stammende Brüderpaar Nikolaus und Georg Nöhrer hat die Bundeshauptstadt nachts nicht nur gesehen, sondern gelebt und regelrecht inhaliert. Unter ihrem Bandnamen Yukno fungieren sie als die etwas anderen Elektroniker und haben sich längst über die Genre-Feinschmeckergrenze hinaus einen Namen gemacht. Nach dem Vorgänger „Alles ist Vergangenheit“ konzentriert sich das Duo bewusst auf die Erlebnisse und Strömungen der Jetztzeit. Das ist nicht die einzige Adaptierung im Kosmos der Band. „Gute Nachtmusik“ spielt im Titel bewusst mit Doppelbödigkeit, hat aber trotz zweier auf dem Album befindlicher Songs namens „Eine kleine Nachtmusik“ nur peripher mit Wolfgang Amadeus Mozart zu tun. „Er ist natürlich eine Ikone“, schmunzelt Sänger Georg im „Krone“-Talk, „aber mein Naheverhältnis endet beim Spielen eines Mozart-Stücks in der Musikschule.“
Mut zum Kitsch
Für die musikalische „Bestandsaufnahme des Hier und Jetzt“, wie man das Werk subsumiert, haben sich Yukno von eigenen Dogmen gelöst. So lässt man sich in der Single „Lieb dich“ auf neue Pfade ein und kokettiert sogar mit der Leichtigkeit von Schlagermelodien. „Es ist sicher unser persönlichstes und subjektiv gesehen romantischstes Album und stellenweise ist es sicher auch kitschig“, redet der Frontmann nicht lange um den heißen Brei herum, „es gibt ja auch coolen Kitsch. Die Texte sind sehr direkt und bewusst gehalten. Für ,Lieb dich‘ haben wir auf eine Schlager-Hook gesetzt, aber drumherum so instrumentiert, dass es sich im Gesamten für uns noch ausgeht.“ Bei Yukno schließen sich Tanzbarkeit und Weltschmerz nicht aus. Das Gefühl des Verlorenseins koaliert auch wunderbar mit der Nachtthematik. So wie die Nacht auch eine besondere Mystik hat, die inspirierend wirkt und produktiv machen kann.
„Themen wie Exzess oder Eskapismus sind per se sehr stark an die Nacht gekoppelt“, so Soundtüftler Nikolaus Nöhrer, „das verbindet unsere Generation. Raves, Club-Nächte und das Fortgehen. Je schlimmer die Lage der Welt wird, umso öfter versucht man sich in den Eskapismus zu flüchten.“ Den Yukno-Musikern ist es ein besonderes Anliegen, ihre digitalen Klänge möglichst greifbar und lebendig zu gestalten. „Wir haben schon immer dazu tendiert, unsere Alben superanalytisch anzugehen, aber dieses Mal haben wir dem Emotionalen viel mehr Raum gegönnt. In unserer Kunst ist der Unterbau immer fiktional, aber natürlich ist er von den Dingen inspiriert, die einem selbst passiert sind oder die man beobachtet hat.“ Mehr denn je haben die Nöhrers auf den Text geachtet, an Details gefeilt und noch stärker strukturiert. „Jedes Wort, das irgendwo fehlt, würde einen Refrain unvollständig zurücklassen.“ Auch wenn die beiden sehr persönlich geschrieben haben, sind die Songs am Ende so offengehalten, dass sich Hörende selbst darin wiederfinden können.
Leichtigkeit und Reife
Neben Nacht und Eskapismus ist vor allem die Liebe ein wiederkehrendes Kernthema. „Es heißt ja nicht umsonst ,because the night belongs to lovers‘“, schmunzeln beide, „Liebe ist auch weiterhin ein Motiv, das sehr gut in der Musik funktioniert. Hätten wir auf dem Album nur die Liebe thematisiert, wäre es ein bisschen fad geworden, deshalb gibt es dann auch wieder humoriges auf einer gewissen Metaebene, was etwa zum Song ,Schnabeltier‘ geführt hat.“ Für das dazugehörige Foto stellten sich die beiden auf den frühlingshaften Wilhelminenberg und haben besagtes Schnabeltier wunderbar ironisch in das Bild gephotoshoppt. „Solche lustigen Dinge sind uns ein Anliegen, es macht großen Spaß. Insgesamt hat bei uns mit dem vierten Album aber schon ein gewisser Reifeprozess Einzug gehalten. Wir machen noch immer gerne Club-Tracks, wollen für die Leute aber auch zugänglich sein. Von einer Art der künstlichen Distanz zwischen Musik und Musikhörenden haben wir noch nie was gehalten.“ Das Schnabeltier ist als Synonym für existenzielles Erstaunen zu sehen. „Es wehrt sich vehement dagegen, in irgendwelchen biologischen Kategorisierungen hineinzupassen. Das Tier passt daher gut zu uns.“
Mit Erfahrung und Routine haben sich für Yukno auch neue Freiheiten entwickelt. „Natürlich fehlt uns beim vierten Album diese jugendliche, kreative Intuition und etwas Spontanität. Wenn man aber einfach macht, erlaubt man sich selbst, keine Grenzen einhalten zu müssen. „Wir selbst haben sowieso bei jedem Album das Gefühl, wir verändern uns fundamental und stoßen den Leuten vor den Kopf. Für Hörer da draußen verändern sich aber oft nur Nuancen und das kalibriert auch uns wieder ein. Vielleicht ist es auch ein Anzeichen von Schwäche zu glauben, man entwickelt sich extrem weit woanders hin und bleibt trotzdem in einem ähnlichen Zustand verharrt.“ Wie bei allen Künstlern steht bei Yukno der Wunsch zur Veränderung im Vordergrund – aber ohne dabei die eigenen Wurzeln zu kappen. „Diese Idee, im Sound mit dem Schlager zu kokettieren, haben wir noch weiter ausgeführt, aber dann ganz verworfen“, präzisiert Nikolaus, „es gibt schon vieles Gutes in die Richtung und Zynismus stand dahingehend nicht zur Debatte.“
Konzerte in ganz Österreich
Die Inhalte der Songs können sich in alle Richtungen entwickeln. „Am Ende vom Feed“ etwa behandelt das Thema Smartphone-Doomscrolling, wenn man bei der nächtlichen Heimfahrt mit dem Uber das Weltgeschehen im Makro- und Mikrokosmos erklickt, „Wellengang“ ist eine Bestandszuschreibung für verschiedene Emotionen und die „Menschenleere Gegend“ kann gleichermaßen Wunsch wie Angstvorstellung sein. „Ich kann mich heute sehr gut mit Routinen anfreunden“, erklärt Nikolaus, „ich bin jetzt 35 Jahre alt und in gewisser Hinsicht schon ein bisschen gesättigt. Es gibt Sicherheiten und Verpflichtungen im Leben, aber so eine Band zu haben, kann ein Ausweg daraus sein. Mit steigendem Alter vermisst man ein bisschen das Vermissen und dem muss man immer entgegensteuern.“ Mit „Gute Nachtmusik“ sind Yukno im Herbst live in Österreich unterwegs. Am 30. Oktober spielen sie im Wiener Flucc, am 14. November im Grazer ppc, am 15. November in der Bäckerei Innsbruck und am 11. Dezember in der ARGE Salzburg. Wer sich den allgegenwärtigen Weltschmerz gerne für eineinhalb Stunden von der Seele tanzt, ist bei Yukno richtig. Hier herrscht Eskapismus mit Emotion.
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