Alter Schwede!
Polestar 2: Unterschätzter Held und Update-König
Der Polestar 2 wird ein bisschen unterschätzt. Schon seit fünf Jahren am Markt, optisch eher konservativ gestaltet fährt er im Schatten seiner auffälligeren Brüder 4 und 3. Tatsächlich wird er aber nun zum wiederholten Mal modernisiert und bietet viel, was viele Voll-Chinesen und Tesla nicht haben.
Im Gegensatz zu den „Voll-Chinesen“ gehört Polestar zwar zum chinesischen Geely-Konzern, ist aber eine schwedische Marke mit Volvo-Seele. Das Look-and-Feel ist ganz und gar nicht chinesisch (wenn auch nicht so, wie Volvos einst waren, tbh).
Die regelmäßigen Updates gehen so weit, dass zum Modelljahr 2024 von Front- auf Heckantrieb umgestellt wurde. Nur bei den Nicht-Allradlern natürlich, Allrad bleibt Allrad, weil da ja keine Mechanik dahintersteckt, sondern einfach ein Elektromotor pro Achse.
Andererseits ist die Konstruktion des Polestar 2 jetzt nicht die allermodernste, schließlich basiert er auf dem Volvo XC40, der seit 2017 am Markt ist. Egal. Er fühlt sich gut an, fährt sich gut, weist gute Reichweiten sowie Ladeleistungen auf und war Vorreiter bei der Integration von Android Automotive. Ein System, das Vorteile gegenüber chinesischen und dem von Tesla hat.
Das hat schon bisher gut funktioniert und bekommt für das neue Modelljahr nun sogar noch einen neuen Qualcomm Snapdragon-Prozessor, der nicht nur alle Bildschirm-Interaktionen, sondern auch Over-the-Air-Updates mächtig beschleunigen soll. Optional gibt es ein neues High-End-Soundsystem von Bowers & Wilkins mit 14 Lautsprechern und 1350 Watt (dass das rechnerisch fast 2 PS sind, ist allerdings völlig irrelevant). Es wäre schön, wenn dann Apple CarPlay auch endlich kabellos funktionieren würde.
An Leistung mangelt es nicht
Bis zu 350 kW/476 PS und 740 Nm bietet der Antrieb, im Fall des Allradlers mit Performance Paket. Ohne diesen Sport-Kick sind es im Testwagen 310 kW/421 PS. „Long Range Dual Motor“ nennen sie das und es bedeutet eine netto 79 kWh große Batterie mit einer WLTP-Reichweite von 596 Kilometern (568 km mit Performance-Paket). Bei kühlen Temperaturen (die Testfahrten fanden im November statt) waren solche Traumwerte nicht erreichbar. Bei einem realen Durchschnittsverbrauch von 27 kWh/100 km gehen sich gerade mal knapp 300 Kilometer aus.
Mit 205 kW maximaler Ladeleistung verspricht der Hersteller 28 Minuten fürs Laden von 10 auf 80 Prozent. Beim Realversuch mit vorkonditioniertem Akku waren es 32 Minuten, wobei die maximale Ladeleistung tatsächlich erreicht wurde. Das ist alles okay, man sehnt sich dennoch nach 800 Volt (die wohl nicht so einfach per Update nachgereicht werden können). Praktisch: Um den Ladevorgang zu beenden, einfach den Knopf an der Steckdose drücken.
Die einmotorige Variante kommt mit dem gleichen Akku auf 659 WLTP-km, mit dem 67 kWh großen Einstiegs-Akku auf passable 554 km.
Feines Fahrerlebnis
Der Alltag mit dem Polestar 2 auf der Straße ist ein angenehmer. Er fährt sich griffig, bleibt leise, liegt gut und beschleunigt heftig, aber nicht zu abrupt. 4,5 Sekunden reichen für den Standardsprint, Vmax wird mit 205 km/h angegeben. In echt waren es laut Tacho 209 km/h, GPS-gemessen 203 km/h.
Vom reduzierten, sehr übersichtlichen Tacho wird man nicht abgelenkt, bekommt alle Infos, die man braucht, einschließlich einer Anzeige, wie viel Energie man gerade verbraucht oder zurückgewinnt.
Manches ist nicht ideal gelöst, so stellt man etwa Rekuperationsstufen im Menü ein. Und der Umgang mit dem Lenkassistenten ist von der unangenehmen Art: Beschleunigt man über 140 km/h, stellt er ohne Warnung seine Arbeit ein. Wird man wieder langsamer, stellt er sich (ebenfalls ohne Warnung) wieder in Dienst und überrascht den Fahrer unter Umständen mit einem Lenkeingriff. Ansonsten war ein ums andere Mal nicht klar, warum er sich nicht aktiviert hat. Intuitiver Umgang mit Assistenzsystemen geht anders. Andererseits ist der Lenkassistent auch nicht sonderlich zuverlässig und ist schon von leichten Autobahnkurven überfordert und fährt öfter mal ohne Not über die Linie.
Haptisch ist der Polestar 2 sehr angenehm, der stylische Fahrwahlhebel fühlt sich gut an, es gibt einen echten Lautstärkeregler.
Die Preise
Basispreis steigt mit dem Modellwechsel auf 51.190 Euro für den Hecktriebler mit kleinem Akku, 55.890 Euro mit großem Akku und 59.390 für den Allradler. Ratsam ist die Investition von 1000 Euro ins Klima-Paket, das eine Wärmepumpe (die eigentlich serienmäßig sein sollte) sowie beheizte Rücksitze und Scheibenwaschdüsen umfasst. Darüber hinaus gibt es noch ein paar Pakete mit wohlfeilen Aufpreisen. Ein Schnäppchen ist der Polestar 2 allerdings nicht, so kommt der Testwagen auf 73.940 Euro. Aber: Es gibt das alte Modell noch vorkonfiguriert beim Händler, das ist dann günstiger.
Fahrzit
Nicht der modernste, nicht der sparsamste, nicht der günstigste Stromer seiner Klasse, aber meist angenehm im Umgang (außer was Tempomat & Co. betrifft) und keiner, dem man (anders als Teslas Model 3) auf der Straße ständig begegnet - der Polestar 2 kann eine wirklich gute Wahl sein.
Warum?
Angenehmer Fahrtzeitgenosse
Passable Reichweite
Warum nicht?
Undurchdachter Lenkassistent
Oder vielleicht …
… Hyundai Ioniq5, Tesla Model 3, BMW i4, BYD Seal
Kommentare
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