Ein Team um den Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka hatte bereits im Frühjahr die direkten Gesundheitskosten der Alkoholkrankheit in Österreich mit rund 374 Millionen Euro berechnet. Jetzt kamen die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Höhere Studien dazu, die am Donnerstag in Wien präsentiert wurden und die restlichen Kosten für die Volkswirtschaft mitberücksichtigen. "Wir haben eine sehr betroffen machende Situation. Es wäre an er Zeit, die Ärmel aufzukrempeln und mehr zu tun", stellte der Leiter des Anton Proksch Instituts, der Psychiater Michael Musalek, fest.
Experte: "Fünf Prozent sind alkoholkrank"
Der Experte zum Ausmaß des Problems: "Im Laufe des Lebens werden zehn Prozent der Österreicher alkoholkrank. Fünf Prozent der Menschen ab dem 16. Lebensjahr sind als alkoholkrank zu klassifizieren. Das sind 350.000 Menschen. 24 Prozent der Männer und jede zehnte Frau über 15 konsumieren täglich Alkohol über der Gefährdungsgrenze."
Diese liegt für Frauen bei einem durchschnittlichen Konsum von 40 Gramm reinem Alkohol pro Tag, bei den Männern bei einem durchschnittlichen Konsum von 60 Gramm reinem Alkohol. Österreich landet mit einem Alkoholkonsum von 12,9 Litern pro Kopf und Jahr im internationalen Vergleich auf Platz drei hinter Frankreich und Portugal.
Alkohol als volkswirtschaftliches Desaster
Und die Misere durch hohen Alkoholkonsum und häufig bestehender Abhängigkeit schlägt deutlich auf die volkswirtschaftliche Rechnung durch. Czypionka: "Wir haben die direkten medizinischen Kosten mit 373,8 Millionen Euro oder 1,44 Prozent der Gesundheitskosten berechnet." An direkten nicht-medizinischen Aufwendungen kamen 2011 dann 6,6 Millionen Euro an Krankengeld, acht Millionen Euro an Pflegegeld, 23,5 Millionen Euro für Invaliditätspensionen und 7,1 Millionen Euro an Witwenpensionen hinzu. Den größten Anteil aber machten die Produktivitätsausfälle durch Krankenstände etc. aus: 441,7 Millionen Euro.
Die "Positiva": Das Finanzministerium nahm im Jahr 2011, dem Berechnungszeitraum 119,2 Millionen Euro an Alkoholsteuern ein. Das Pensionssystem wurde um 3,7 Millionen Euro durch die höhere Sterblichkeit der Alkoholkranken "entlastet". Damit betrugen die Kosten der Alkoholkrankheit allein 0,25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (2011: rund 301 Milliarden Euro).
Alkoholkrankheit fast immer zu spät diagnostiziert
Psychiater Musalek, forderte ein Umdenken der Gesellschaft: "Der Alkohol wird bagatellisiert - ab dem Zeitpunkt, zu dem jemand Probleme bekommt, wird jedoch dramatisiert. Die Alkoholkrankheit wird fast immer zu spät diagnostiziert. Wir sind hier in einer Situation wie beim Mammakarzinom vor 40 Jahren. Wir brauchen attraktivere Behandlungsprogramme."
Dabei sei die chronische Form der Erkrankung sehr gut behandelbar. "Wir können davon ausgehen, dass wir bei 70 bis 80 Prozent eine 'Symptomlosigkeit' erreichen, wenn jemand regelmäßig in Behandlung bleibt", erklärte Musalek. Besonders wichtig wären viel mehr Möglichkeiten und Angebote zur Rehabilitation und zur Reintegration ins Berufsleben. Dass die privaten Krankenversicherungen Leistungen für Alkoholkranke ausschließen und Psychiatrie-Rehabilitation sich nicht um sie kümmere, sei "ein Umstand, der unerträglich ist"..
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