Seit 200 Jahren wird am Gehirn geforscht, 200.000 Forscher haben seinem Verständnis bisher etwa fünf Millionen wissenschaftliche Aufsätze gewidmet. All diese Erkenntnisse sollen nun in einer gigantischen Computerplattform gebündelt werden, die dann als virtuelles Untersuchungsobjekt der Wissenschaft zur Verfügung stehen wird. Mit der Umsetzung werden Tausende Forscher in etwa 200 Forschungsgruppen unter der Leitung des südafrikanischen Hirnforschers Henry Markram von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (Schweiz) beschäftigt sein.
"Wir müssen endlich all das Wissen der verschiedenen Disziplinen über das Gehirn integrieren. Das ist eine Strategie für das 21. Jahrhundert", so Markram 2011 im Zuge eines Vortrags am Institute of Science and Technology (IST) Austria. Die technischen Anforderungen werden entsprechend hoch sein.
Beim Vorgängerprojekt des HBP, dem "Blue Brain Project", verschlangen bereits die Berechnungen für ein einziges Neuron in etwa die Kapazitäten eines Laptops, so Markram in einem Vortrag. Der Forscher und seine Kollegen betonten in den vergangenen Jahren aber immer wieder, dass es sich bei ihrer Vision nicht um eine Utopie, sondern mittlerweile um ein umsetzbares Vorhaben handle.
Heimische Forscher am Projekt beteiligt
"Es ist eine große Ehre, an einem solchen interdisziplinären Projekt beteiligt zu sein", erklärte der Hirnforscher Peter Jonas vom IST. Er rechnet jedoch nicht damit, dass durch den Zuschlag für seine Kernforschung wirklich große Summen hinzukommen. "Ich denke aber trotzdem, dass die Mitarbeit an dem Projekt eine sehr sinnvolle Sache ist. Denn wir werden auf der einen Seite dem HBP nützen, indem wir experimentelle Daten erheben, die ganz konkret gemessen und in Modelle eingebaut werden können." Jonas und seine Kollegen erforschen etwa sehr detailliert die Abläufe im sogenannten Hippocampus, jenem Teil des Gehirns, der entscheidend für Gedächtnis, Lernen, Erinnerung und Raumorientierung zuständig ist.
Die Forscher sind sehr daran interessiert, ihre akribische Detailarbeit mit den anderen Abläufen im extrem verzweigten Netzwerk des Gehirns in Verbindung zu bringen. Jonas: "Man könnte also herausbekommen, wie sich diese auf zellulärer und molekularer Ebene abspielenden Erkenntnisse auf einer Netzwerkebene auswirken." Zwischen dem Verhalten eines Menschen und den grundlegenden Prozessen gebe es einen "ganz großen Spalt". Die "Simulationswelt" könnte helfen, "diese beiden Aspekte näher zusammenzubringen. Wir müssen ja zu einem Gesamtverständnis des Gehirns kommen", so Jonas.
MedUni Innsbruck und TU Graz machen mit
Neben Jonas' IST sind weitere österreichische Forschungseinrichtungen in das HBP involviert. Alois Saria, Vorstand der Abteilung für Experimentelle Psychiatrie an der Medizinischen Universität Innsbruck, ist etwa Teil des Managementteams des Vorhabens.
Seitens der Technischen Universität Graz wird der Vorstand des Instituts für Grundlagen der Informationsverarbeitung, Wolfgang Maass, Umsetzungsstrategien aus der theoretischen Informatik beisteuern. In Graz gebe es "vermutlich mehr Informatiker, die sich mit dem Gehirn befassen, als irgendwo sonst - proportional sicher, absolut wahrscheinlich auch", erklärte er in der Planungsphase des Projekts.
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