Letzte Sitzung

NR-Finale 2012: Folterparagraf und “JetWings 2.0”

Österreich
06.12.2012 22:09
Der Nationalrat ist am Donnerstag zu seiner letzten regulären Sitzung des Jahres zusammengetreten. Im Finale wurden die Erhöhung der Politikergehälter, der sogenannte Folterparagraf für Beamte, die Wiedereinführung der Studiengebühren für gewisse Studentengruppen und das Krankengeld für Selbstständige beschlossen. Für das modische "Highlight" sorgte BZÖ-Abgeordneter Stefan Petzner mit seinen aus den USA mitgebrachten "JetWings 2.0"-Schuhen (siehe Bild).

Folternde Beamte bzw. öffentlich Bedienstete, die wegen Sexualdelikten oder Quälens und Vernachlässigens Schutzwürdiger rechtskräftig verurteilt sind, verlieren laut dem Beschluss im Nationalrat künftig automatisch ihr Amt. Bei rechtswirksamer Anklage wegen eines dieser Strafdelikte kommt es zudem schon zuvor zwingend zu einer Suspendierung. Der bisherige Ermessensspielraum der Dienstbehörde entfällt.

Indirekt reagierte der Nationalrat damit auf den Fall Bakary J. Der Schubhäftling war im April 2006 bei einem Polizeieinsatz in eine Lagerhalle in Wien verschafft und dort schwer verletzt worden. Trotz einer gerichtlichen Verurteilung blieben die Beamten bis heuer im Polizeidienst, was auf einen Entscheid der Disziplinaroberkommission zurückging. Nunmehr wird dieser Einrichtung die Entscheidungsbefugnis in solchen Fällen entzogen.

Comeback der Studiengebühren fixiert
Am späteren Abend wurde das Comeback der Studiengebühren fixiert. Zustimmung kam von der Koalition und den Freiheitlichen. Vorgesehen ist, dass (nicht berufstätige) Langzeitstudenten wieder 363,36 Euro pro Semester zu bezahlen haben, Nicht-EU-Bürger, die extra zwecks Studium nach Österreich kommen, sogar 726,72 Euro. Letztlich handelt es sich bei dem Beschluss um eine nachträgliche Reparatur eines vom VfGH Mitte 2011 aufgehobenen Gesetzes, das inhaltlich im Wesentlichen mit der nun vereinbarten Regelung übereinstimmte.

Mit der Novelle wird auch die Studienförderung ausgebaut: Durch die Erhöhung der Freibeträge bei nicht selbstständigen Einkünften erhalten rund 20.000 Studienbeihilfe-Bezieher höhere Stipendien. Konkret steigt ihre Beihilfe um bis zu 155 Euro pro Studienjahr - Kostenpunkt: rund 2,5 Millionen Euro jährlich.

Politikergehälter steigen um 1,8 Prozent
Ebenfalls beschlossen wurde - mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen - die Erhöhung der Politikergehälter um 1,8 Prozent im kommenden Jahr. Es handelt sich um das erste Plus seit dem Jahr 2008. Die Debatte dazu verlief recht heftig, garniert mit diversen Mahnungen und Ordnungsrufen durch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. FPÖ und BZÖ gaben sich empört über die Gehaltserhöhung, die ihnen bevorsteht. Auch das Team Stronach argumentierte, dass es sich ein Abgeordneter bei seinem Bezug wohl leisten könne, auf die Anpassung zu verzichten.

Das machte SPÖ-Mandatar Peter Wittmann ein wenig grantig. Er argumentierte, dass es nicht nur noch Politiker geben sollte, die vom "Kapital" bezahlt werden und dessen Interessen vertreten. Den Abgeordneten des Team Stronach warf er vor, eingekauft worden zu sein. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf warf den Rechtsparteien vor, sich opportunistisch an den Stammtisch anbiedern zu wollen und damit auch sich selbst zu schaden. Er habe kein Problem, nach vier Jahren ohne Plus eine Gehaltserhöhung, die einen Prozent unter der Inflationsrate liege, für sich zu verantworten.

Krankengeld für Selbstständige eingeführt
Einstimmig wurde noch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz angenommen, in dem etwa die Einführung eines Krankengelds für Selbstständige enthalten ist. Dieses gilt bei Unternehmen mit bis zu 25 Beschäftigten. Anspruch darauf besteht ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit bis zu einer Höchstdauer von 20 Wochen für ein und dieselbe Krankheit. Die Unterstützungsleistung beträgt rund 27 Euro pro Tag, der Betrag wird jährlich valorisiert. Gesundheitsminister Alois Stöger sieht damit zumindest einen "gewissen ökonomischen Schutz" gewährleistet.

Für Bauern und Gewerbetreibende wird das Wochengeld ab dem Jahr 2013 von derzeit täglich 26,97 auf täglich 50 Euro angehoben. Damit entspricht das Wochengeld der Selbstständigen und Bäuerinnen künftig jenem der unselbstständig Erwerbstätigen im Durchschnitt.

Mit der Novelle wurden auch die Zahnambulatorien aufgewertet. Sie können ihr Angebot künftig jenem der niedergelassenen Zahnärzte anpassen und etwa die Anpassung von Implantaten und Zahnspangen anbieten. Ebenfalls beschlossen wurde, dass die Unfallversicherungsschutz für Wegunfälle, die sich auf dem Kindergarten- oder Schulweg ereignen, auf Personen ausgeweitet wird, denen keine "gesetzlichen", sondern nur "schlichte" Aufsichtspflichten obliegen, beispielsweise die Nachbarin, die das Kind gefälligkeitshalber mit in den Kindergarten nimmt.

Immunität der ÖVP-Abgeordneten Hakl aufgehoben
Mit der einstimmig beschlossenen Aufhebung der Immunität der ÖVP-Abgeordneten Karin Hakl beendete der Nationalrat sein reguläres Arbeitsjahr schließlich. Gegen Hakl wird von der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Wahlkampf-Zuwendungen der Telekom wegen des Verdachts der Beitragstäterschaft zur Untreue und zur Geldwäscherei ermittelt.

Die Telekom Austria hatte im Jahr 2008 20.000 Euro für den Nationalratswahlkampf der ÖVP im Wahlkreis Innsbruck bezahlt. Hakl war dort lokale Spitzenkandidatin. Abgewickelt wurden die Zahlungen über die Firma Valora des Lobbyisten Peter Hochegger. Hakl hatte nach Bekanntwerden dieser Wahlkampffinanzierung im März 2012 ihr Amt als parlamentarische Telekom-Sprecherin der ÖVP ruhend gestellt. Sie betonte gleichzeitig, zu keiner Zeit unrechtmäßig zum eigenen Vorteil gehandelt zu haben.

"Morgendliche Sportstunde" für Ministerin Schmied
Gleich zu Beginn der Sitzung hatte das Team Stronach schon die "Fragestunde" des Nationalrats zu einer körperlichen Herausforderung für Unterrichtsministerin Claudia Schmied gemacht. Diese musste am Donnerstag deutlich mehr als 1,5 Stunden im wahren Sinne des Wortes Frage und Antwort stehen, bis die nunmehr sechs Fraktionen ihren Wissendurst gestillt hatten. Neues bekamen sie bei der "morgendlichen Sportstunde", wie sie Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bezeichnete, nicht zu hören.

Was die tägliche Turnstunde angeht, verwies Schmied auf die Möglichkeiten an den Schulstandorten, mit Sportorganisationen Kooperationen einzugehen. Einen Schwerpunkt will die Ministerin auf eine zusätzliche sprachliche Förderung setzen, um die man nicht herumkommen werde - allerdings "ohne Separation". Zudem wird Schmied den Einsatz von Sozialarbeitern forcieren, um auch die Eltern für ein bildungsfreundliches Klima zu erreichen.

Zudem verteidigte die Ministerin die von ÖVP, FPÖ und BZÖ kritisierte Aufklärungsbroschüre "Ganz schön intim" als guten Lehrerbehelf für "verantwortungsbewussten Aufklärungsunterricht", weshalb es zwar kleine Adaptionen geben werde, das Heft aber sicher nicht zurückgezogen werde.

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