Wiener Studie zeigt:

Anonyme Geburt senkte Zahl der Kindestötungen

Wissenschaft
05.12.2012 11:07
Die Einführung der Möglichkeit der anonymen Entbindung in Österreich im Jahr 2001 hat zu einer starken Senkung - nämlich mehr als Halbierung - der Rate von Kindestötungen innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Entbindung geführt. Das hat eine Studie von Wissenschaftlern der Medizinischen Universität am Wiener AKH ergeben.

"Die Tötung eines Neugeborenen ist zumeist die Folge einer unerwünschten Schwangerschaft und einer Verdrängung der Schwangerschaft. Sie lässt sich schwer verhindern, weil die späteren Täterinnen ja zumeist dazu tendieren, dem Gesundheitswesen und seinen Angeboten auszuweichen", sagte Claudia Klier, die Erstautorin der Arbeit von der Universitäts-Kinderklinik.

Anonyme Entbindung seit 2001 möglich
Die Wissenschaftler verglichen in der Studie die Häufigkeit der Tötung von Säuglingen in Österreich in den Jahren 1991 bis 2001 mit jener im Zeitraum 2002 bis 2009. Im Jahr 2001 ist in Österreich auf gesetzlicher Basis die Möglichkeit geschaffen worden, dass Frauen anonym und auch kostenfrei im Spital entbinden können.

"Die Resultate der Studie zeigten eine Reduktion der Neugeborenen-Tötungen um mehr als die Hälfte im Vergleich vor und nach der neuen gesetzlichen Regelungen. Es kam zu einer Verringerung der Häufigkeit von 7,2 Fällen pro 100.000 Geburten vor der Verabschiedung des Gesetzes (1991 bis 2001) auf 3,1 Fälle pro 100.000 Geburten nach der Verabschiedung des Gesetzes (2002 bis 2009)", fassten Experten die Ergebnisse ihrer Arbeit zusammen, die jetzt im "International Journal of Obstetrics and Gynaecology" erschienen ist.

Ergebnisse sind ein "Zufallsbefund"
Interessant: Die Studie und ihre Ergebnisse sind eigentlich ein "Zufallsfund". Im Rahmen einer Untersuchung der Kindestötungen bis zum 18. Lebensjahr über viele Jahre hinweg war den Wissenschaftlern der "Knick" bei den Zahlen für die Neugeborenen in Österreich aufgefallen. Sie suchten nach einer Erklärung dafür.

Dass diese positive Entwicklung offenbar durch die Schaffung der Möglichkeit der anonymen Entbindung angestoßen wurde, geht aus dem Vergleich mit anderen Staaten hervor: In Finnland und in Schweden zeigte sich nämlich langfristig keine solche Veränderung. Österreich kam erst mit der Einführung der anonymen Entbindung auf jene Häufigkeit von Säuglingstötungen herunter, die in Skandinavien registriert wird - ohne dass es dort eine solche Regelung überhaupt gibt.

Die Autoren weisen auch darauf hin, dass es in Österreich über den Beobachtungszeitraum hinweg keine anderen großen sozioökonomischen Veränderungen ergeben hätten, die damit in Verbindung zu bringen wären. Auch bei den gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch oder bei der finanziellen Unterstützung von Müttern hätten sich keine wesentlichen Änderungen ergeben.

"Baby-Klappen" offenbar keine echte Hilfe
Die anonyme Entbindung ist in Österreich jedenfalls viel häufiger als das Benutzen von sogenannten Baby-Klappen: Es kommt pro Jahr zu 30 bis 40 anonymen Entbindungen. Hingegen werden jedes Jahr in Österreich nur zwei bis drei Neugeborene "hinterlegt".

John Thorp, stellvertretender Chefredakteur der Fachzeitschrift: "Die Resultate der Studie sind überzeugend und zeigen die positiven Auswirkungen der Möglichkeit zur anonymen Entbindung. Präventionsmaßnahmen und Baby-Klappen sind zwar in der Theorie gut, scheinen aber Mütter, die während Schwangerschaft und Entbindung buchstäblich allein bzw. allein gelassen waren, nicht ausreichend zu stützen."

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