Live im Gasometer

Nothing But Thieves: Die Stromgitarre lebt noch

Musik
12.02.2024 00:36

Nothing But Thieves sind die britische Rockband der Stunde. Am Sonntagabend füllten sie den Wiener Gasometer bis auf den letzten Platz und boten ihr bis dato wohl beste Österreich-Show. Conor Mason und Co. vereinen ältere Rocker und die jüngere Generation - und sind damit wichtige Stützpfeiler für die Zukunft der Stromgitarre.

(Bild: kmm)

Als uns Gitarrist Joe Langridge-Brown am späteren Nachmittag im Backstagebereich des Wiener Gasometer zum Interview empfängt, ist er bester Laune. Der Grund ist typisch britisch - sein Lieblingsklub Arsenal London feierte nur eine knappe Stunde zuvor einen 6:0-Auswärtskantersieg gegen den Stadtrivalen West Ham United. „Wir haben den Soundcheck heute extrem verkürzt und in die Halbzeit verlegt“, lacht er laut auf, „Rod Stewart legt oft sogar seine Konzerte danach, wie Celtic Glasgow spielt. Ich hoffe, diese Allmacht haben wir auch einmal.“ Drei Fünftel drücken die Daumen für die „Gunners“, Sänger Conor Mason hat einen Hang zu Manchester United, rückte mit den Jahren vom Fußball allgemein aber immer stärker ab. Nothing But Thieves gehen zumindest an diesem Tag im Gleichschritt mit ihrem bevorzugten Fußballverein, denn auch ihr Konzert sollte am Abend zu einem triumphalen Volltreffer werden.

Einfach mal was Neues bieten
2016 gingen die Burschen beim verblichenen „Out Of The Woods“-Festival im fast verblichenen Wiesen das erste Mal auf eine heimische Bühne. Pickelig und unerfahren, aber mit einer ganzen Wagenladung an Rockhits. Einen ausverkauften Arena-Gig, zwei Nova Rock- und einen Frequency-Auftritt später spielen sie im Gasometer, das seit Wochen ausverkauft ist, und hätten bei etwas mehr Veranstaltermut wahrscheinlich auch in eine Wiener Stadthalle hochverlegt werden können. Vielleicht aber auch besser so, denn hier schwitzen die Generationen im frühlingshaften Februar in trauter Einigkeit. Eltern warten mit Bier in der Hand in den hinteren Reihen, während ihre Kids vorne abgehen und zeigen, dass die Stromgitarre durchaus auch bei der Generation TikTok ihre Berechtigung hat. Man muss halt einfach was Anderes, Neues, Spannendes bieten, dann holt man auch diejenigen ab, die sonst Trap pumpen oder zu Hyperpop tanzen.

Ihr letzten Sommer veröffentlichtes Album „Dead Club City“ bescherte Nothing But Thieves den entscheidenden Karrierepush. Galt man schon mit den drei Werken davor als eine der hoffnungsvollsten Rockbands Europas, wurde gerade dieser Mut zur Veränderung belohnt. Gitarrist und Produzent Dominic Craik ließ mit dem Segen seiner Kollegen der Liebe für Synthesizer freien Lauf und plötzlich wurde aus der Gitarren-Rockband eine tanzbare, 80er-lastige Gitarren-Rockband mit elektronischen Einflüssen. „Wir hatten nie geplant, ein Synthie- oder Dance-Album zu schreiben“, erzählt Langridge-Brown schmunzelnd, „jetzt, wo Rock- und Emomusik langsam wieder ein Revival kriegen, setzen wir auf 80er-Sounds. Man kann uns zumindest nicht vorwerfen, gängigen Trends hinterherzuhecheln.“ Doch was am Album für alte Fans gewöhnungsbedürftig erschien, funktioniert live sofort. „Do You Love Me Yet?“, der Opener „Welcome To The DCC“ oder „City Haunts“ entfesseln eine ungeheure Rock-Kraft, die von den Synthies nur unterstützt, aber nicht überrollt wird.

In jeder Hinsicht größer
Mit dem neuen Sound musste man auch das Live-Instrumentarium adaptieren. „Als etablierter Gitarrist spielt Dom jetzt die Synthies“, lacht sein Gitarrenkollege laut auf, „ich habe großen Respekt davor. Zumal ich jetzt mit der Gitarre öfter in den Vordergrund rücke.“ Nothing But Thieves sind wieder näher zu sich und zusammengerückt. Nachdem die beiden Vorgängeralben in Los Angeles aufgenommen wurden, entstand „Dead Club City“ im ruralen und heimatlichen Essex. Statt sechs Wochen Studio hatte man durch das erhöhte Budget fast ein halbes Jahr Zeit. „Wir konnten Songs einspielen, analysieren, und, wenn notwendig, umändern.“ Auf der Bühne vermischen sich ältere und neue Songs zu einem magisch vereinenden Mahlstrom. Dass Mason bei „Broken Machine“ einen kurzen Texthänger hat, macht die Show nur noch greifbarer und sympathischer. „Die Band fühlt sich in jeder Hinsicht größer an. Wir spielten 2023 Riesenfestivals und im Vorprogramm von Green Day. Wir geben immer unser Bestes, aber Erfolg kannst du nicht steuern.“

Im Gasometer kocht die Stimmung über die gesamten gut 90 Minuten hindurch. Das Oeuvre der erst zwölf Jahre alten Band ist schon so breit und vielseitig, dass man mühelos einen abwechslungsreichen dramaturgischen Spannungsbogen erzeugt. Besonders hervor stechen das rockige „Sorry“, die mit feinstem Falsett von Mason intonierte (Power)-Ballade „Impossible“ und der flotte Erfolgssong „Amsterdam“, der schon vor der Synthie-Phase der Briten zeigte, dass man zu ihrem Rock gut tanzen kann. Im Zugabenblock begeistert dann die neue Single „Oh No: He Said What?“, die auf der Mitte März erscheinenden Deluxe-Edition von „Dead Club City“ erscheinen wird. „Das klingt jetzt komisch, aber wir haben diese Nummer aus Marketinggründen zurückgehalten“, erklärt uns der Gitarrist, „Radiostationen spielen meist nur drei Singles und wir wussten, dass die Nummer zu stark ist, um sie am Album verschwinden zu lassen. Also haben wir sie letztes Jahr extra weggeschoben und ein bisschen Zeit vergehen lassen. Jetzt präsentieren wir sie in ihrem vollen Glanz.“ Neben der Single beinhaltet die Deluxe-Version zwei weitere neue Tracks und zwei Akustikversionen bereits bekannter Songs.

Fast rundum gewonnen
Mit dem Erfolg des aktuellen Albums habe sich laut Langridge-Brown in erster Linie die Situation hinter der Bühne verändert. „Wir haben jetzt eine eigene mobile Bar, mit der wir unterwegs sind. Wir nennen sie ,The Neighbour Of The Beast‘. Einerseits gibt sie uns in den vielen seelenlosen Garderoben das Gefühl, nicht so weit fern der Heimat zu sein, andererseits ist die Gefahr, dass wir zu viel trinken, jetzt größer. Wir werden nach der Tour Bilanz ziehen und beurteilen, ob die Idee, eine eigene Bar zu installieren, gut oder furchtbar war.“ Im Gasometer sind jedenfalls keine Abnützungserscheinungen zu erkennen, ganz im Gegenteil. Mit Fortdauer der Show spielt sich das Quintett in einen Rausch, der von den hypnotischen Lichteffekten unterstützt wird. Nur den Kampf gegen das ewige Problem Gasometer-Gatsch-Sound verlieren sie dann doch nach Punkten. Man kann eben nicht alles haben. Das nächste Mal geht’s wohl ohnehin in die Stadthalle. Diese Band hat es verdient.

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