Jahrzehntelang galt die Infektionskrankheit Lepra als besiegt, jetzt wurde ein neuer Fall entdeckt – die „Krone“ sprach mit dem Betroffenen.
Die ersten Symptome hatten sich schon vor eineinhalb Jahren bemerkbar gemacht, doch niemand wusste, welche heimtückische Krankheit dahinter steckt. „Es hat mit leichten Lähmungserscheinungen an den Fußsohlen begonnen. Am Anfang dachte ich, das wird von selbst wieder verschwinden. Doch die tauben Stellen wurden im Laufe der Zeit sogar immer mehr“, erinnert sich der über 60-Jährige aus Wien.
Die Taubheit wanderte von den Knöcheln und Knien bis zu den Ellbogen und Handrücken. „Zuletzt waren meine Ohren und die Nase davon betroffen“, schildert er. Der Lepra-Kranke ging von Arzt zu Arzt – auch etliche Alternativmediziner waren darunter -, der wahre Grund für die besorgniserregenden Symptome blieb allerdings lange im Verborgenen.
Die Diagnose Lepra hat mich völlig überrascht. Mit einem Schlag fühlte ich mich in frühere Zeiten versetzt.
Der AKH-Patient im „Krone“-Gespräch
Befreundete Ärztin traf mit Ferndiagnose ins Schwarze
Das Geheimnis wurde erst im April durch ein Telefonat mit einer befreundeten Ärztin aus Berlin gelüftet. „Als ich ihr erzählt habe, wie es mir geht, fiel ihr Verdacht sofort auf Lepra. Nach ihrer Ferndiagnose habe ich das AKH Wien aufgesucht. Genaue Untersuchungen, die speziell auf die Bakterien der Infektionskrankheit abzielen, bestätigten prompt den ersten Verdacht“, berichtet der Globetrotter, der in der Reisebranche tätig ist.
Der Wiener ist aus allen Wolken gefallen: „Die letzten bekannten Fälle sind lange her. Ich dachte, diese Krankheit ist in Europa ausgestorben.“ Was beim Patienten für Verwunderung gesorgt hat, löste beim Fachpersonal im Wiener AKH großes Interesse aus. „Viele Ärzte kamen zu mir und wollten Details über den Verlauf der Krankheit und meinen Gesundheitszustand wissen.“
Beruf führte Patienten oft in die Tropen
Die lepromatöse Lepra gilt laut Experten als die schwerste Form der Krankheit, Bakterien können sich ungehemmt vermehren und verbreiten sich über Blutbahnen, Nervengewebe, Schleimhäute und das Lymphsystem im ganzen Körper. „Hautausschläge, über den halben Körper verteilt, sind weitere Auswirkungen davon“, teilt der Patient mit. Gleichzeitig ist er erleichtert. Nach einer langen Zeit der Ungewissheit weiß er jetzt wenigstens, mit welcher gemeinen Krankheit er es zu tun hat. Fraglich bleibt, wann und wo sich der Reiseleiter infiziert haben könnte: „Ich war beruflich oft in den Tropen, Afrika oder anderen entlegenen Gegenden der Welt. Theoretisch könnte es überall passiert sein.“
Seit ich weiß, was ich habe, geht es mir besser. Dank professioneller Hilfe der Ärzte im AKH bin ich auf dem Weg der Genesung.
Der über 60-jährige Erkrankte
Genesung wird wohl lange dauern
So lange wie die Inkubationszeit dauern kann, so lange wird nun wohl der Genesung die ganze Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen. Begleitet von regelmäßigen Untersuchungen im Wiener AKH, hat der Patient vor zwei Wochen mit einer Therapie begonnen. Im Konkreten muss er drei ganz besondere Antibiotika, die teils in Österreich gar nicht so einfach zu erhalten sind, einnehmen: „Jetzt brauche ich ausreichend Ruhe und muss viel Geduld haben.“
Auch Angehörige werden untersucht
Mit dem außergewöhnlichen Fall sind das Tropeninstitut und das Gesundheitsministerium längst betraut. Die Gefahr einer Ansteckung, die nur in Ausnahmefällen gegeben sei, ist spätestens seit der Therapie ohnehin ausgeschlossen. Angehörige wurden vor Tagen untersucht, die Ergebnisse liegen noch nicht vor. Der hoffnungsvolle Patient: „Ich freue mich, meine Liebsten bald wieder küssen zu können.“
Lepra ist einer der ältesten Krankheiten der Welt überhaupt, schon im Alten Testament der Bibel werden die ehemals sogenannten „Aussätzigen“ schriftlich erwähnt. Besonders im Mittelalter und der frühen Neuzeit wütete die Lepra in ganz Europa. Die Ursprünge der Krankheit sind bis heute nicht vollständig erklärbar, wissenschaftlichen Annahmen zufolge ist sie in tropischen und subtropischen Regionen der Welt entstanden. Auslöser ist jedenfalls das Bakterium Mycobacterium leprae. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist nur bei längerem Kontakt möglich – Grund zur Panik gibt es also nicht.
Schwirrt das Bakterium im Körper herum, kann es bis zu 20 Jahre lang dauern, bis die Krankheit ausbricht. Allerdings beträgt die Inkubationszeit in der Regel „nur“ drei bis sieben Jahre. Früh erkennbar macht sich Lepra mit hellen oder roten Flecken auf der Haut. Bleibt die Infektion unbehandelt, kann es zum Auftreten von Taubheitsgefühlen bis hin zu Sehstörungen und sogar der Verformung von Fingern, Zehen, Ohren oder Nase kommen – im schlimmsten Fall folgt wegen der ausgebrochenen Folgeinfektionen der Tod. Dank Fortschritten in der Medizin gilt Lepra seit mehr als 35 Jahren als vollständig heilbar, dennoch treten weltweit immer noch um die 180.000 Fälle pro Jahr auf. Am stärksten betroffen sind ländliche Gebiete in Südostasien, China sowie tropische Regionen in Afrika.
In Österreich sorgte zuletzt im Jahr 2015 ein widerlegter Verdachtsfall in Salzburg für Aufsehen. Somit gibt es den ersten heimischen Fall der Krankheit seit Jahrzehnten.
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