50 Jahre Fristenlösung

Mit Abtreibungsverbot verliert man Stimmen

Politik
21.01.2024 15:33

Vor 50 Jahren beschlossen die Abgeordneten des österreichischen Parlaments die Fristenregelung. Seither sind Schwangerschaftsabbrüche zwar nicht legal, aber innerhalb der ersten drei Monate straffrei. Welche Teile des Gesetzes und der gelebten Praxis sich jetzt verändern sollten, wurde am Mittwoch im Symposium „50 Jahre straffreier Schwangerschaftsabbruch - und wie weiter?“ aufgegriffen.

Aktuell steht der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch und ist dadurch kriminalisiert. Geregelt wird nicht nur der Zeitpunkt, bis zu dem ein Abbruch vorgenommen werden darf, sondern auch, wer dazu berechtigt ist (nur Ärztinnen und Ärzte) und dass es beispielsweise medizinische Aufklärung geben muss. Abbrüche sind innerhalb der ersten drei Monate straffrei, können aber unter bestimmten Umständen auch länger erlaubt sein. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren besteht, der Fötus geistig oder körperlich schwer geschädigt ist oder die Schwangere zum Zeitpunkt der Zeugung unter 14 Jahre alt war. Um Lebensgefahr abzuwenden, sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. In anderen Fällen können sie sich auf die „Gewissensklausel“ berufen und ablehnen.

Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich nicht legal, sondern lediglich straffrei. (Bild: puhhha - stock.adobe.com)
Schwangerschaftsabbrüche sind in Österreich nicht legal, sondern lediglich straffrei.

Kein niederschwelliger Zugang
Heute gibt es zwei zentrale politische Richtungen zur Fristenregelung in Österreich. Die eine Seite, darunter unter anderem feministische, linke Organisationen sowie Politikerinnen und Politiker von den Grünen und der SPÖ, fordert, dass der Abbruch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden soll, beispielsweise als Gesundheitsgesetz. Zudem soll der Zugang niederschwelliger, z.B. durch Kostenübernahme der Krankenkassen, und flächendeckend werden. Derzeit müssen ungewollt Schwangere mehrere Hundert Euro aufbringen und teils auch in andere Bundesländer fahren, da es im Burgenland beispielsweise keine Möglichkeit für einen Abbruch gibt.

Die andere Seite, darunter Rechte, Konservative und oft auch religiöse Bewegungen, tritt dafür ein, dass Schwangerschaftsabbrüche bestenfalls gar nicht mehr legal sind. Alternativ sollen sie zumindest erschwert werden. Ein Beispiel wäre eine verpflichtende Bedenkzeit zwischen einer Beratung und einem Abbruch. „Mit einem totalen Abtreibungsverbot verliert man Stimmen“, sagte Pamela Huck von Pro Choice Austria, einem Verein, der sich für freie Schwangerschaftsabbrüche und körperliche Selbstbestimmung einsetzt. Daher würden die Gruppen schrittweise Verschärfungen fordern und nicht mehr von Mord sprechen, sondern eher Belastungen von Abbrüchen betonen. 

Geld aus Russland für Abtreibungsgegner
Die Argumente sind etwa, dass Leben bereits vor der Geburt beginne, Betroffene teils zu Abbrüchen gedrängt würden (z.B. von ihrem Partner), dass die psychischen Folgen massiv seien und eine angebliche natürliche Ordnung wiederhergestellt werden müsse. Huck gab am Mittwoch zu bedenken, dass rechtskonservative Kräfte in den vergangenen Jahren neue Allianzen gebildet und sich immer wieder auch gegen Verhütung, die Rechte von queeren Personen oder Alleinerziehenden positioniert hätten. Zudem fließe viel Geld, darunter von privaten US-Stiftungen oder russischen Oligarchinnen und Oligarchen.

Ein Argument der Gegenseite ist hingegen, dass ein totales Abtreibungsverbot Betroffene in die Illegalität treiben und die Durchführung unsicherer machen würde. So sterben weltweit etwa 39.000 Frauen jährlich an den Folgen unsicherer Schwangerschaftsabbrüche. Zudem wird in Ländern mit liberalen Gesetzen wie Frankreich, in denen Verhütung oft zumindest für junge Menschen von den Krankenkassen finanziert wird, nicht mehr abgetrieben als in Ländern mit strengeren Regelungen.

Auf einem Schild dieser Demonstration in den USA ist zu lesen, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der Gesundheitsversorgung seien (Archivbild). (Bild: AP)
Auf einem Schild dieser Demonstration in den USA ist zu lesen, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der Gesundheitsversorgung seien (Archivbild).

Gynäkologin: Strafgesetz hemmt
„Das Strafgesetz hemmt“, sagte Mirijam Hall, Assistenzärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Klinik Wien-Ottakring. Es habe etwa zur Folge, dass Schwangerschaftsabbrüche kaum im Medizinstudium vorkämen und sich Krankenkassen nicht für das Angebot zuständig fühlten. Dabei seien Abbrüche gar nicht so selten, Betroffene würden nur wenig darüber sprechen, waren sich die Diskussionsteilnehmerinnen einig. Sie fordern zusätzlich zu Kostenübernahmen für Abbrüche und Verhütungsmittel neutrale Informationen, ein flächendeckendes Angebot und wertneutrale Sexualpädagogik in Schulen.

Aktuell können dazu gleich drei Volksbegehren unterstützt werden: eines, das die Abtreibungspille Mifegyne rezeptfrei fordert; eines, das den Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch streichen will (beide vom Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch bzw. dem Gynäkologen Christian Fiala) und ein Volksbegehren für kostenlose Verhütung, einschließlich Beratung und Sexualpädagogik, von einer Initiativgruppe aus Wien. Damit sich das Parlament damit befasst, sind je 100.000 Unterschriften nötig. Dieselben Forderungen, z.B. vom Frauenvolksbegehren 2.0, wurden in der Vergangenheit allerdings nie umgesetzt.

Der Artikel basiert auf einer Diskussionsrunde und Vorträgen des Symposiums „50 Jahre straffreier Schwangerschaftsabbruch - und wie weiter?“, veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGPGG), dem Wiener Büro für Frauengesundheit und Gesundheitsziele der Stadt Wien sowie der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF).

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