Viele Milliarden sollen in das Bundesheer investiert werden. Eine Task-Force lotet aus, welche industriellen Kooperationen – früher nannte man es Gegengeschäfte – der Wirtschaft einen Aufschwung bringen. Wolfgang Peschorn, der Anwalt der Republik, steckt im „Krone“-Interview sehr enge Grenzen ab.
Seit drei Jahren befindet sich die österreichische Wirtschaft in einer Rezension – viel zu lange dauert es, dass der Wirtschaftsmotor anspringt. Hört man sich in der Wirtschaft um, dann wird von vielen Unternehmern kritisiert, dass Österreich in den kommenden Jahren viele Milliarden in die Aufrüstung des Bundesheeres investiert – aber darauf verzichtet, sich einen Technologieanteil für den Wirtschaftsstandort zu sichern. „Industriepolitisch peinlich“, empfinden die Unternehmer diesen Kurs.
Allerdings: Bei dem Wort Gegengeschäfte bricht der Angstschweiß bei jedem Politiker aus. Um nicht wieder in die gleiche Falle wie bei der Eurofighter-Beschaffung zu tappen, wurde in dieser Woche in einer Task-Force ausgelotet, inwieweit eine industrielle Kooperation bei Rüstungsbeschaffungen zulässig ist. Neben Wirtschafts- und Verteidigungsministerium sind auch Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer mit an Bord.
Den rechtlichen Rahmen soll Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur, abstecken. Die Finanzprokuratur, die im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil die Eurofighter-Anzeige auf den Weg gebracht und Vorschläge für eine transparente und kostengünstige Beschaffung von Rüstungsgütern unterbreitet hatte, wird sich dabei an den gesetzlichen Vorgaben orientieren. „Meine damaligen Vorschläge und Überlegungen, die über das Internet der Allgemeinheit weiter zugänglich sind, bestimmen unsere Marschroute“.
Unverständlich ist ihm, warum von den Interessensvertretern der Wirtschaft nicht honoriert wird, dass die österreichische Wirtschaft bereits jetzt von den Beschaffungen des Bundesheeres profitiert: Durch die Revitalisierung von Militärfahrzeugen ist bereits eine erhebliche Wertschöpfung durch österreichische Arbeitnehmerinnen erfolgt.
Peschorn: „Kooperationen nur in engen Grenzen erlaubt“
Im „Krone“-Interview steckt Peschorn die Rahmenbedingungen für eine industrielle Kooperation ab. Diese erfordert „als Grundlage wesentliche Sicherheitsinteressen, klare Kriterien und volle Transparenz“. Unter welche Bedingungen eine industrielle Kooperation im Einzelfall auch tatsächlich erfolgt, muss von der „Republik Österreich und den verantwortlichen Organen selbst entschieden werden“, sagt Peschorn.
Ganz wichtig: Weder die „Wirtschaftskammer noch die Industriellenvereinigung, deren Aufgabe vornehmlich im Durchsetzen der Interessen ihrer Vereinsmitglieder besteht, können dies bestimmen“, betont Peschorn. Gegengeschäfte – „also industrielle Kooperationen im Zuge von Rüstungskäufen – sind nur in engen Grenzen zulässig“.
Turbinen ja, PKW nein
Die Rechtslage sei klar: Nach dem Recht der Europäischen Union dürfen Gegengeschäfte nur dann abgeschlossen werden, wenn sie unmittelbar einem wesentlichen Sicherheitsinteresse Österreichs dienen. „Eine Turbine für ein Flugzeug, Ersatzteile für einen Panzer wie die Panzerkette, bis hin zu einem Kleinstteil, der für den Betrieb besonders wichtig ist, könnten dazugehören – Freizeitkleidung, Sitzbezüge oder zivile Pkw hingegen nicht“, so Peschorn.
Genau hier will auch Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer ansetzen: „Die Sicherheits- und Verteidigungsbranche ist eine wichtige Säule in der heimischen Wirtschaft und hat 11.000 direkte Beschäftigte, 20.000 Beschäftigte in deren Zulieferunternehmen und generiert einen jährlichen Umsatz von 3,3 Milliarden Euro“. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass „Gegengeschäfte aus Anlass der Beschaffung eines Rüstungsgutes oft als verdeckte Wirtschaftsförderung einzelner Unternehmen missbraucht wurden und nicht nur Lobbyisten durch unlautere Geschäfte persönlich profitiert haben“.
Der Eurofighter-Kauf sei dafür das bekannteste Beispiel. Die Folge: Der Steuerzahler finanzierte über den Kaufpreis indirekt teure und zum Teil kriminellen Strukturen, ohne dass durch diese Gegengeschäfte ein echter sicherheitsrelevanter Mehrwert entstanden wäre. „Es kann sich jeder selbst ein Bild machen, welche nachhaltigen positiven Auswirkungen die Gegengeschäfte beim Eurofighter-Ankauf auf die österreichische Industrie hatten“.
Klarheit durch Strategie und Rechtssicherheit
Peschorn besteht daher darauf, dass auf Grundlage der österreichischen Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie, in der definiert wird, „welche Ausrüstung nötig ist, um die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten, von den Entscheidungsträgern abgeleitet werden kann, welche Komponenten eines Rüstungsgutes in Österreich gefertigt oder instandgehalten werden sollten. Die sich aus dieser Strategie ergebenden Sicherheitsinteressen müssen Grundlage jeder Beschaffung sein“.
Darüber hinaus empfiehlt die Finanzprokuratur, die Überlegungen Österreichs für eine industrielle Kooperation frühzeitig vor einer allfälligen Umsetzung mit der EU-Kommission abzuklären.
Öffentliche Ausschreibungen statt Hinterzimmer-Deals
Den Gefahren, die sich durch die intransparenten Gegengeschäfte der Vergangenheit verwirklicht haben, könne man „durch öffentliche Ausschreibungen am wirkungsvollsten begegnen“, so Peschorn. In einer solchen Ausschreibung könne die Beschaffung des Rüstungsgutes auch von der Erfüllung weiterer Anforderungen – wie etwa Fertigungsstandorte, Technologieanforderungen, Lieferketten und weitere Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit – rechtlich zulässig abhängig gemacht werden. Dadurch könne ein wichtiger Betrag zur effektiven Landesverteidigung geleistet werden.
„So wäre es plausibel, dass die Kosten für eine industrielle Kooperation nicht von der Steuerzahlerin über einen erhöhten Kaufpreis, sondern von dem Unternehmen, von dem das Rüstungsgut beschafft wird, endgültig getragen werden.“ Peschorn betont, dass „es wichtig ist, dass Steuergeld nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch effizient eingesetzt wird“. Dafür muss auch sichergestellt sein, dass der Kaufpreis für das Rüstungsgut angemessen ist.
183,4 Millionen Provisionen beim Eurofighter-Deal
Beim Eurofighter-Deal habe man gesehen, dass die Gegengeschäfte und die Provisionen für die Lobbyisten durch eine Erhöhung des Kaufpreises von 183,4 Millionen Euro von der Republik und damit durch Steuergeld finanziert wurden. „Das habe einige bestimmte Personen einen unlauteren Vorteil gebracht, nicht aber zur Sicherheit Österreichs beigetragen“. Sein Fazit: „Gegengeschäfte sind kein Selbstzweck und kein Instrument der Wirtschaftsförderung, sondern nur zulässig und sinnvoll, soweit diese den wesentlichen Sicherheitsinteressen Österreichs dienen.“
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