Schauspielhaus Wien

Herzerfreuende Schimpfkanonade zum Neustart

Kultur
04.11.2023 15:42

Mit „Bühnenbeschimpfung“ startet das Schauspielhaus Wien in seine erste Spielzeit unter neuer Leitung. Drei Regisseure und sechs überzeugende Schauspieler vertrauen dabei ganz dem meisterhaften Text von Sivan Ben Yishai.

Besser begibt man sich derzeit an die Ränder, wenn man die bedrohlich schwindende Theaterlust wieder in sich aufrufen will. Palmetshofer und Markovic in neu besetzten Kabelwerk waren dazu eindeutig geeigneter als etwa das Burgtheater. Das plakatiert zwar „Aufstehen, bevor es wieder dunkel wird“, bringt aber außer beleidigtem Wabern wenig Konfrontatives zusammen. Und während in den Kammerspielen befähigte Theatergreise vierer Generationen im Deklamationston die mangelnde Wokeness von Wedekinds „Lulu“ geißeln, bringt das Schauspielhaus unter neuer Leitung einen der anregendsten Theatertexte seit langem. 

Ein Ensemble von Könnern nimmt sich für den Text zurück (Bild: © Marcella Ruiz Cruz / Schauspielhaus Wien)
Ein Ensemble von Könnern nimmt sich für den Text zurück

Die Israelin Sivan Ben Yishai hat derzeit keinen Mangel an Zuwendung. Und in der Tat beweist „Bühnenbeschimpfung“ viel: zunächst die enorme Inspiration, die von Handkes bahnbrechender „Publikumsbeschimpfung“ noch nach 57 Jahren ausgeht. Kein Wort daraus wird zitiert, und doch kommandiert Handke das Geschehen, denn sein Konzept steht auf dem Kopf: Nicht mehr die Spießer im Parkett werden angegriffen. Sondern die woke Blase in ihrer Gesamtheit, in der sich Theatermacher, Kritiker und eine zusehends gelangweilte Publikumsminderheit eingerichtet haben. Der Muff von 1000 Programmheften unterliegt da dem Recycling, und das Resultat ist von herzerfreuender Selbstironie. Am Ende wird es großartig: mit dem Todesgesang eines verfallenden Theatergebäudes, das von einer Shakespeare’schen Wildnis verschlungen wird.

Die Regisseure Marie Bues, Niko Eleftheriadis und Tobias Herzberg vertrauen einem minimalistischen Konzept mit Chören und sparsamer Performance. Alle Kräfte sind auf den Text gerichtet. Das gilt auch für die sechs Schauspieler, die sich im besten Sinn nicht hervortun. Wie Mitglieder eines Kammerorchesters, die in den Soli umso größeres Können beweisen.

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