„Bahnbrechende“ Klage

Kinder wollen Staaten zu mehr Klimaschutz zwingen

Ausland
27.09.2023 10:53

Sechs Kinder und junge Menschen aus Portugal wollen mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland und 31 weitere europäische Staaten dazu zwingen, in Zukunft viel mehr für den Schutz der Umwelt und des Klimas zu tun. Auftakt der Verhandlungen in Straßburg ist am heutigen Mittwoch. Mit einem Urteil ist erst in einem Jahr zu rechnen.

Neben dem Alter der Kläger sind die Größe des Prozesses und die Zahl der angeklagten Länder ungewöhnlich. Aufseiten der gerügten Regierungen würden über 80 Anwälte im Gerichtssaal anwesend sein, teilte eine Sprecherin der Portugiesen mit. Die Kläger würden von lediglich sechs Anwälten vertreten werden. „Das ist wirklich ein Fall von David gegen Goliath“, sagte wenige Tage vor der Anhörung Gearóid Ó Cuinn, Direktor der Nichtregierungsorganisation Global Legal Action Network (GLAN), die die Portugiesen bei der Initiative unterstützt und berät. „Es gibt keine Präzedenzfälle, weder hinsichtlich des Ausmaßes noch bezüglich der Folgen.“

Ukraine wegen Krieg nicht geklagt
Wenn die Kläger und Klägerinnen Recht bekommen, könnte der EGMR die Regierungen der EU-Mitgliedsländer und der mitangeklagten Staaten Norwegen, Russland, Türkei, Schweiz und Großbritannien auffordern, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern und strengere Klimaziele zu beschließen und einzuhalten. GLAN-Anwalt Gerry Liston spricht von einem möglichen „Gamechanger“. Ursprünglich waren 33 Länder verklagt worden. Der EGMR nennt weiterhin diese Zahl. Aber die Jugendlichen beschlossen, die Ukraine wegen des russischen Angriffskrieges nicht zu behelligen.

Angst vor „krankem Planeten“
Einer der Kläger, Martim Duarte Agostinho, meinte angesichts des langen Prozessdauers, dass man keine Zeit verlieren dürfe. „Ohne dringende Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen wird mein Wohnort bald zu einem unerträglichen Ofen werden“, sagte der 20-Jährige aus Leiria im Zentrum Portugals vor der Anhörung. Martims Schwester Mariana hatte zu Beginn der Initiative im Jahr 2020 als Achtjährige gesagt, die Tatenlosigkeit der Erwachsenen mache sie wütend und traurig zugleich. „Ich habe große Angst davor, auf einem kranken Planeten leben zu müssen.“

Seit diesen Aussagen von Mariana gab es nur wenige Besserungen, aber mehrere Hiobsbotschaften. Der Juli 2023 war etwa nach Daten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus der heißeste bisher gemessene Monat. Martim sagte: „Unsere Botschaft an die Richter wird einfach sein: Bitte sorgen Sie dafür, dass die Regierungen alles Nötige tun, damit wir eine lebenswerte Zukunft haben.“

Verheerende Brände in Portugal als Anlass
Anlass für die Klage von Mariana und Martin, für ihre Schwester Claudia (24) sowie für Catarina Mota (23) und die Geschwister Sofia (18) und André Oliveira (15) waren die verheerenden Brände von 2017 in ihrem Heimatland, bei denen mehr als 100 Menschen starben und riesige Waldgebiete zerstört wurden. „Da ist bei mir der Groschen gefallen (...) Ich habe gemerkt, wie dringend man handeln muss, um den Klimawandel zu stoppen“, sagte Claudia vor einiger Zeit der Nachrichtenagentur dpa.

Weitere Klimaklagen beim EGMR
Klagen für Klimaschutz liegen im Trend. Laut dem Grantham Institute der London School of Economics wurden bisher weltweit über 2000 erhoben, ein Viertel davon zwischen 2020 und 2022. Vor dem Menschenrechtsgerichtshof verhandelt werden derzeit übrigens zwei weitere Klimaklagen. Ein Zusammenschluss von Schweizer Pensionistinnen sieht seine Gesundheit durch die Erderwärmung und die steigenden Temperaturen besonders bedroht. Ein französischer Bürgermeister klagt derzeit auf die Einhaltung der Pariser Klimaziele.

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