Stadtspaziergänge

Geduld und starke Nerven: ein Sommer mit den Öffis

Wien
11.07.2023 06:00

„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Wenn in Wien der Sommer beginnt, halten die öffentlichen Verkehrsmittel gerne Winterschlaf. Reparatur- und Restaurierungsarbeiten begleiten die Einwohner alljährlich, doch in diesem Jahr scheint es besonders geballt zu sein. Manche Planungen können auch auf ihre Sinnhaftigkeit hinterfragt werden. Modernisierungsarbeiten an den Stahlbetonträgern machen etwa das Fahren mit der U4 zwischen Schwedenplatz und Schottenring unmöglich. Und das von 1. bis 30. Juli. Natürlich sind diese Maßnahmen notwendig, über das Timing kann man aber genüsslich streiten. „Warum sperren die das im Juli, wo insgesamt sieben Konzerte im Happel-Stadion stattfinden, und nicht etwa im August“, mokiert sich Öffi-Jahreskartenbesitzer und Musikfan Thomas nicht zu Unrecht.

Sieben Happel-Konzerte bedeuten hochgerechnet rund 350.000 Menschen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Besonders spannend wird es, wenn - wie es bei beiden P!nk-Konzerten zu Monatsbeginn der Fall war - die U2 auch noch Betriebsstörungen hat und die Intervalle ins Unendliche gehen. Schon im Normalbetrieb kommt es nach ÖFB-Länderspielen oder Großkonzerten zu Wartezeiten von bis acht Minuten auf die nächste U-Bahn. Bei der Menge an Menschen, die gleichzeitig aus dem Stadion strömt, kommt es dadurch zu vermeidbaren Drängeleien und Platzproblemen. „Man kann die Intervalle für eine Stunde nach dem Konzert doch kürzer machen, wenn man eh weiß, dass alle gleichzeitig nach Hause wollen.“ Thomas ist nicht der einzige, der im Sommer am liebsten wieder ins Auto steigen würde.

Unlängst wartete ich an der Grenze zwischen Ottakring und Hernals auf die Linie 2. Eine Minute Wartezeit wird mir angezeigt, allerdings etwa acht Minuten lang. Erst dann fährt die Bim in die Station ein. Eine ältere Dame, mit den Gegebenheiten der Wiener Linien offenbar schon länger firm, hat ihren ursprünglichen Ärger längst aufgegeben und redet einsam vor sich hin. „Wenn man sich auf die verlässt, ist man verlassen.“ Rein gefühlsmäßig hat man die schlimmsten Wartezeiten auf Busse und Straßenbahnen hinter sich. Wenn sich der Fahrplan im Sommer aber durch Bauarbeiten ausdünnt, bleibt die Gesamtlage auch mit vermindertem Fahrgastaufkommen prekär. Besonders gute Nerven braucht man derzeit beim Verkehrsnadelöhr Matzleinsdorfer Platz, wo mittelfristig auch keine Besserung in Sicht ist.

Thomas wohnt in der Gegend und ist in mehrfacher Hinsicht von den Bauarbeiten und Umleitungen belastet. „Die Bauarbeiten nehmen kein Ende. Es herrscht dauerhaft Lärm, überall staubt es und man hat nie Ruhe. Graben die dort einen Atomschutzbunker? Für diese jahrelange Belastung könnten die Wiener Linien uns Anrainern wenigstens eine Jahreskarte schenken.“ Eine weitere Hiobsbotschaft mussten Öffi-Fahrer schon im Frühjahr hinnehmen. Die seit rund zwei Jahren gesperrte U2 zwischen dem Karlsplatz und dem Schottentor kann nicht, wie geplant, im September wieder in Betrieb genommen werden, sondern wird noch bis Frühherbst 2024 unbenutzbar bleiben. „Ein Wahnsinn. Und das alles mitten in der Stadt und nicht am äußersten Rand von Transdanubien“, beklagt Thomas. Er spricht mit seinem Ärger vielen anderen aus der Seele.

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