„Ich schäme mich so“

Steirerin lebt nach schwerer Krankheit in Armut

Steiermark
08.05.2023 09:59

Was heißt es, in einem gut situierten Land wie Österreich in Armut zu leben? Bianca K. weiß es. Die alleinerziehende Mutter erzählt.

Die Krankheit traf Bianca K. (Name geändert) unerwartet und mit voller Wucht. Ihren 40-Stunden-Job konnte die Steirerin plötzlich nicht mehr ausüben. „Das war furchtbar, denn ich wollte ja arbeiten, wurde aber für arbeitsunfähig erklärt“, berichtet die Frau. Aus dem schwarzen Loch, in das sie damals fiel, kam sie nur aufgrund eines Wunders heraus, wie sie sagt.

Tochter habe sie aus schwarzem Loch gerettet
Als „Wunder“ bezeichnet sie ihre fünfjährige Tochter Lena, die auf die Welt kam, obwohl Bianca K. gesagt wurde, dass sie nicht schwanger werden könne. Umso schöner sei ihre Geburt gewesen. „Lena hat mich gerettet.“ Doch ihr Alltag ist auch zu zweit nicht von wenigen Sorgen geprägt. „Wenn Lena aus dem Kindergarten kommt, erzählt sie von den Erlebnissen der anderen. Das ist schlimm für mich, weil ich ihr solche Dinge nicht bieten kann.“

Von einem Skiausflug oder einem Urlaub am Meer kann ihre Tochter nicht berichten. Kein Geld für Sportausrüstung, geschweige denn für ein Hotel. Reserven bilden? „Ich bekomme keine Alimente. Wovon soll ich etwas weglegen, wenn ich mir einen Wocheneinkauf um 40 Euro nicht leisten kann?“ Kurz bevor sie damals eine Sozialarbeiterin um Hilfe bat, hatte die Steirerin noch 30 Cent am Konto. „Und es war der 14. Kalendertag des Monats.“

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Von was soll ich etwas weglegen, wenn ich mir einen normalen Wocheneinkauf um 40 Euro nicht leisten kann?

Bianca K.

„Um Hilfe zu bitten, war notwendig, aber schwer“
„Man will nicht wahrhaben, dass es wirklich so schlimm ist.“ Sie habe alles versucht, gerechnet, geplant, überlegt. „Meine Organisation hat am Ende aber nicht geholfen, es war nichts da.“ Um Hilfe zu bitten, sei deshalb notwendig, aber schwer gewesen. „Die Sozialarbeiterin hat mir erklärt, wo ich kostenlos Lebensmittel bekomme, das hat mir die Last von den Schultern genommen.“

Manchmal kocht Bianca Nudeln mit Sauce aus frischen Tomaten, wenn es bei der Essensausgabe Gemüse gibt. Mit dem restlichen Sugo zaubert sie am nächsten Tag einen Auflauf. „Das ist meine Erfindung“, lacht die 37-Jährige. „So kann ich Lebensmittel weiterverwerten und neu kombinieren, damit es wenigstens ein bisschen Abwechslung am Teller gibt.“

Wirklich vitaminreich für ihre Tochter zu kochen sei nahezu unmöglich - und das, obwohl sie sich selbst zurückhält. „Natürlich schaue ich zuerst, dass die Kleine genug hat.“ Heute hat sie mit einem Caritas-Gutschein Mini-Bratwürstchen und Erdbeerjoghurt für Lena besorgt. „Ihre Lieblingsspeise. Das kann ich sonst nicht kaufen.“

1180 Euro müssen für 30 Tage reichen
Die Steirerin belastet auch die Mieterhöhung. „Ich zahle 650 Euro Miete und 87 Euro Strom.“ 1000 Euro Rehageld und 180 Euro Familienbeihilfe bekommt sie monatlich aufs Konto. Das muss reichen. Für 30 Tage, an denen sie für Essen sorgt und Rechnungen begleicht. Dass da nichts übrig bleibt, liegt auf der Hand. Abgesehen von den Geldproblemen, ist auch ihre emotionale Welt erschüttert.

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Ich schäme mich so sehr. Was würden diese Frauen bloß von mir denken, wenn sie wüssten, dass ich nicht arbeiten kann.

Bianca K.

Am Spielplatz sitzt sie weit entfernt von allen anderen Müttern. Nicht weil sie besonders ängstlich ist, sondern damit sie kein Gespräch anfangen muss, in dem das Thema womöglich auf die Arbeit kommen könnte. Vor der Frage, was denn ihr Beruf sei, fürchte sie sich so sehr, dass sie sich freiwillig absondert. Nur, um dieser einen Antwort auszuweichen: „Ich habe keinen Job.“ Was der Satz bei den berufstätigen Müttern am Spielplatz auslösen könnte, während sie stolz von ihren Jobs erzählen, versetzt Bianca in eine schwierige Lage. „Ich schäme mich so sehr.“

„Was würden diese Frauen bloß von mir denken, wenn sie wüssten, dass ich nicht arbeiten kann?“, sagt sie und senkt den Kopf. Positiv zu sein, gelingt ihr kaum. Immer diese Anstrengung, jeden Tag aufs Neue zu kämpfen. Was sie Lena wegen finanzieller Einschränkungen nicht ermöglichen kann, kompensiert die 37-Jährige mit Herzenswärme. „Ich will einfach nur, dass sie glücklich ist.“

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