Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, diesen Kommentar hat SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im Parlament Kanzler Karl Nehammer vorgelesen und ihn damit auf das massive Armutsproblem in Österreich aufmerksam gemacht. Dieser Kommentar ist Teil unseres Plus-Angebotes. Aufgrund der gesellschaftlichen Relevanz können Sie diesen Kommentar ausnahmsweise hier auch ohne Registrierung in voller Länge lesen.
Karl Nehammer, haben Sie heute Nacht gut geschlafen? Ja? Es ist ein Privileg, in einem warmen Bett aufzuwachen, in Schuhe ohne Löcher zu schlüpfen, in einen Kühlschrank zu greifen, in dem frisches Obst liegt.
Wenn Sie Albträume plagen, dann bestimmt nicht von Schulden, Mieten, Inkassobüros, der Gasrechnung. Haben Sie Hunger, essen Sie etwas. Ganz einfach. Man kann es Ihnen nicht vorwerfen. Sie sind Bundeskanzler der Republik Österreich. Bundeskanzler sind keine armen Schlucker.
Aber es gibt Vorwürfe, die Sie sich gefallen lassen müssen. Andere Länder haben die Inflation weitaus besser gemeistert. Das sagt auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr. Diese Länder haben Mehrwertsteuersätze gesenkt, in die Mieten eingegriffen, es gab Preisregulierungen, Deckel. Bei uns nicht. Nach der Stromkostenbremse war der Ofen aus. Geldgeschenke verpuffen.
Wer in Österreich zu jenen 201.000 Menschen zählt, die unter bitterer Armut leiden, der kann die eigenen Grundbedürfnisse nicht erfüllen. Und die seiner Kinder auch nicht. Drei von vier Betroffenen können sich weder Heizen noch eine Hauptmahlzeit alle zwei Tage leisten. 1,5 Millionen Menschen können die stark gestiegenen Wohn- und Energiekosten kaum noch stemmen. In Wien gehen drei Prozent der Bevölkerung nicht mehr zum Arzt, obwohl sie es müssten. Weil kein Geld für ihre Gesundheit da ist.
Karl Nehammer, haben Sie heute Nacht gut geschlafen? Ja? Ich frage mich, wieso.
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