Regierung ist säumig

Klimaneutralität 2040 „ist zu Märchen geworden“

Politik
07.04.2023 11:10

Der ÖVP-Kanzler „verharmlost“ die Klimakrise, die SPÖ ist „orientierungslos“, und die FPÖ wolle von Klimaschutz ohnehin nichts wissen. Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU), geht mit der Politik hart ins Gericht. Die Klebeaktionen von Klimaaktivisten dagegen verteidigt er.

Durch die Versäumnisse der Regierung spreche aktuell nichts dafür, dass man die Klimaneutralität bis 2040 erreichen könne. Diese sei „von einem Versprechen zu einer Märchenerzählung geworden“, sagte Steurer am Freitag im Ö1-„Morgenjounal“.

Gesetze in der Warteschleife
Denn um das Ziel zu erreichen, bis in spätestens 17 Jahren aus Öl und Gas auszusteigen, bräuchte man noch viel mehr als jene Gesetze, die von der türkis-grünen Koalition zwar vorgelegt wurden, deren Inkraftsetzung aber völlig offen sind: das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das den Austausch von Heizungen beschleunigen soll, und das Energieeffizienz-Gesetz. Sie müssen mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Die ist aktuell nicht in Sicht - die SPÖ oder die FPÖ müsste mit den Regierungsparteien stimmen.

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Es ist besser, von Klimaneutralität bis 2040 gar nicht mehr zu sprechen - ansonsten macht sich die Politik komplett lächerlich.

Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU

Ein Klimaschutzgesetz, das neue klare Ziele vorgibt, liegt noch immer nicht vor. Es sei somit besser, von Klimaneutralität bis 2040 gar nicht mehr zu reden, meint Experte Steurer: „Ansonsten macht sich Politik komplett lächerlich.“

„Auch mit keiner Klimapolitik liegt man in Umfragen gut“
Der Wissenschaftler sieht polittaktische Gründe dafür, dass Klimaschutz als nicht erstrebenswert gelte und etwa Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) von „Untergangsszenarien“ nichts wissen will: „Die ÖVP sieht natürlich, dass die FPÖ in den Umfragen stark zulegt. Die FPÖ will von Klimapolitik noch weniger wissen als die ÖVP. Somit ist klar, dass man auch mit keiner Klimapolitik in den Umfragen ganz gut liegen und möglicherweise die nächste Wahl gewinnen kann“, so Steurer.

Die SPÖ sei dagegen „komplett orientierungslos“, meint der Klimapolitik-Experte, der auch Mitglied der „Scientists für Future“ ist. „Von dort kommt keine große Bereitschaft, die Materien zu beschließen, für die es eine Zweidrittelmehrheit bräuchte.“

Kritik an „Blockadehaltung“
Somit komme das Signal aus der Opposition, dass Klimapolitik derzeit nicht erwünscht sei. „In den Umfragen geht das durch, weil die Menschen krisenmüde sind und nach der Pandemie ganz normal leben wollen und natürlich akutere Probleme haben, wie die hohe Inflation“, analysiert Steurer. Die Klimarealität, der sich die Parteien verweigerten, werde aber „mit jedem Tag Blockadehaltung drastischer“.

Der Forscher sieht nicht nur ein Regierungsversagen, sondern ein großes Gesellschaftsversagen. „Sobald wir Verhalten verändern müssen, sei es durch weniger Tempo auf der Autobahn oder durch Heizungswechsel, wollen wir nichts mehr davon wissen.“

Klebeaktionen als Weckruf
Er sieht nur einen Weg: Es müsse die Botschaft ankommen, dass nicht alles normal sei, was jetzt an Wetter- und Klimaveränderungen passiere. „Wir haben jetzt, in diesem Jahrzehnt, die Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern.“ Steurer unterstützt daher auch die österreichweiten Klebeaktionen von Klimaaktivisten. Der Protest sei zwar unangenehm, aber ein wirksamer Weckruf, so Steurer - ein „Feueralarm in einer brennenden Welt“.

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